Der Bauer und das Kalb


Ein Bauer, der kein Geld mehr hat,
Der brächte gern sein Kalb zur Stadt.

Doch schau, wie dieses Tier sich sträubt
Und widerspenstig stehenbleibt!

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Der liebenswürdige Bauersmann
Bietet umsonst ihm Kräuter an.

Vergebens druckt er es und schiebt,
Das Kalb bleibt stehn, wie's ihm beliebt.

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Und ganz vergeblich ebenfalls
Sucht er es fortzuziehn am Hals.

Jetzt schau, wie er's mit Disteln sticht!
Das Kalb schreit: »Bäh!« Doch geht es nicht.

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Er nimmt das Kalb bei Schweif und Ohr,
Doch bleibt es störrisch wie zuvor.

Mit Drohen und Belehren
Sucht er es zu bekehren.

Doch schon im nächsten Augenblick
Möcht' es durchaus zum Stall zurück.

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Da denkt er, es mit Schlägen
Zum Gehen zu bewegen.

Allein trotz allem Schlagen
Muß er das Kalb noch tragen.

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Weil das ihm aber lästig ist,
Besinnt er sich auf eine List.

Er hängt die Glocke um, schreit: »Muh!«
Da glaubt das Kalb, er sei die Kuh.
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Notes
Münchener Bilderbogen, München (Braun und Schneider), 1863, Nr. 342.
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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. Der Bauer und das Kalb. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-1550-3