1239. An Grete Meyer

1239. An Grete Meyer


Mechtshausen Sonnabend d. 23. Sept. 1899.


Liebe Grete!

So findet dich denn diese meine Antwort auf deinen guten münsterschen Brief schon wieder zu Köln am Rhein. Ich hoffe, die Stundenordnung deiner musikalischen Thätigkeit hast du so gefunden, daß du ganz oder wenigstens leidlich zufrieden bist.

Wir fühlten uns doch, als ihr plötzlich fort war[t], wie weggeblasen, ein wenig verödet allhier. Obendrein, statt eures freundlichen Vorhandenseins, ist der grämliche Herbst gekommen. Den fernen Bergen und dem nahen Heber hingen die naßen Wolken tief über die Ohren herab. Immerzu hat's geregnet. Sogar Elsen's sonst so berühmtes Trockenwetter ist diesmal ausgeblieben. Und kniffig kalt ist's dabei. Die zwei erwachsenen Mannsleut im Haus huschen schon zuweilen in Filzschuhen herum. Der Wind schüttelt die Bäume, und die Birnen pucken nur so, und gleich, wenn nicht aufgepaßt wird, hacken die Hühner hinein. Übrigens "Stupsteert", die verspätete Klucke, im Waschhaus eingesperrt, scheint mit ihren sieben Küken ganz munter zu sein.

Neulich sammelten wir, trotz dem Miesterwetter, eine gehörige Menge von Reizkern, weistewol die, "wo" man durchschneidet, rothgelblich aussehn wie Moorrüben. Mit Mehl und Speck bereitet, in Gesellschaft von Pellkartoffeln, haben sie Beifall gefunden.

Heut ist endlich mal Sonnenschein; aber kühl weht der Wind. Die Kartoffelerndte beginnt. In unserm Garten wird auch schon gerodet selbdritt.

Hermann und Sophiechen sind am Mitwoch, nicht über Bückeburg, sondern direkt, wieder heimgekehrt von ihrer Fahrt am Rhein. Zur weitern Unterhaltung, denk nur, haben sie sofort 4 Offiziere und 2 Burschen als Einquartierung gekriegt, doch bloß für einen Tag. Trudel und Irmgart werden traurig sein, daß sie die Herrlichkeit nicht mit genießen konnten; sie kommen erst heut oder morgen von Bückeburg zurück in Begleitung einer Tante, man weiß nicht recht, welcher.

Heute, schreibt Lisbeth aus Norden, wird Adolf sein Abschied gefeiert im Klub, und, es geht das Gemurmel, sogar mit Musik. Vor Mitternacht wird der Gefeierte kaum wieder eintreffen bei Weib und Kind – Montag denken Otto und ich mal hin nach Hannover; mit Bock's Gespann, morgens elf, bis Seesen; über Kreiensen. Umgekehrt abends grad so, etwa halb neun, wieder hier.

Gehab Dich wohl, liebe Grete! Von uns Allen die herzlichsten Grüße!

Darunter hübsch viele von

deinem alten

Onkel Wilhelm.


Notabene! Dein Brief war nicht zugeleckt, auch gar nicht. Vermuthlich eine Nachwirkung des ungewöhnlich trockenen Sommers.

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TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. Briefe. 1239. An Grete Meyer. 1239. An Grete Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-1F84-A