1562. An Nanda Keßler
1562. An Nanda Keßler
Mechtshausen 4. November 1906.
Meine liebe Nanda!
Wie befindet ihr euch, und was treibt ihr jetzund? Nach deinem letzten Briefe, der sich mit meinen Zeilen gekreuzt hat, muß ich wohl annehmen, daß ihr euch, nachdem ihr eine zeitlang die stillen Künste getrieben, mal wieder als musikalische Klopfgeister vernehmen laßt. Nun ja! Es muß auch unruhige Seelen geben.
Was mich betrifft, so nehme ich den Herbst, wie er ist, und sehe mit der Gelaßenheit des Alters, ein wenig hustend, dem kommenden Winter entgegen.
Zur Unterhaltung, zur weiteren Bildung, denk ich, unter anderm, die Bhagawat Gita möglichst gründlich mir anzusehn. Ist sie doch ein tiefsinniges Stück grauer Vergangenheit, der wir selber entsproßen sind.
Du fragst nach Grete Meyer. Seit anfang August schon heißt sie Frau Profeßor Thomsen. Ihre Hochzeitsreise hat sie per Automobil gemacht. Wir alle freuen uns über ihre glückliche Heirath.
Leb wohl, liebe Nanda! Meinen herzlichen Gruß an Dich und Nellie, an die Mama, an Letty und deinen Bruder.
Stets dein getreuer Onkel
Wilhelm.