[Es hatt' ein Müller eine Mühl]

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Es hatt' ein Müller eine Mühl
An einem Wasser kühle;
Da kamen hübscher Mädchen viel
Zu mahlen in der Mühle.
Ein armes Mädel war darunt,
Zählt sechzehn Jahre eben;
Allwo es ging, allwo es stund,
Der Müller stund daneben.
Er schenkt ein Ringlein ihr von Gold,
Daß er in allen Ehren
Sie ewig immer lieben wollt;
Da ließ sie sich betören.
Der Müller, der war falsch von Sinn:
»Wenn ich mich tu vermählen,
So will ich mir als Müllerin
Wohl eine Reiche wählen.«
Da 's arme Mädel das vernahm,
Wird's blaß und immer blasser
Und red't nit mehr und ging und kam
Und sprang ins tiefe Wasser.
Der Müller kümmert sich nicht viel,
Tät Hochzeitleut bestellen
Und fährt mit Sang und Saitenspiel
'ne andre zur Kapellen.
Doch als man auf die Brücke kam,
Fängt 's Wasser an zu wogen
Und zischt und rauscht verwundersam
Herauf bis an den Bogen.
Die weiße Wassernixe stand
Auf schaumgekrönter Welle;
Sie hält in ihrer weißen Hand
Von Gold ein Ringlein helle.
Du Falscher, deine Zeit ist aus!
Bereite dich geschwinde!
Dich ruft hinab ins kalte Haus
Die Mutter mit dem Kinde.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. [Es hatt' ein Müller eine Mühl]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-35C1-5