705) Sage von einem alten Brauburschen zu Brambach.

Bearbeitet von Julius Schanz, metrisch behandelt von Fr. Rödiger.


Zu Brambach am Markte stand einst ein Brauhaus und davor ein großer Wasserbottich. Einst sprach daselbst ein Braubursche ein, um das Handwerk zu begrüßen und einen Trunk zu begehren, da ihn sehr dürstete. Der Meister aber, der eben die Maische rührte, rief hohnlachend: »Ein klopfender Stromer muß etwas vertragen können!« – Das verdroß den Wanderer sehr, und er sann auf Rache. Scheinbar ruhig sagte er: »Kann schon eine Weile warten!«, legte Bündel und Rock im Brauhaus nieder und ging in den Garten, um sich ein Kraut zu pflücken, mit dem er dem Braumeister das Bier verderben wollte. Dann kam er wieder in's Brauhaus und erbot sich gegen diesen, an seiner Statt die Maische zu rühren. Das war dem Meister eben recht, denn er hatte etwas im Dorfe zu besorgen und übergab deshalb dem Burschen sofort den Rührpfahl. Ehe ihm die Frau Meisterin das Frühstück brachte, hatte er bereits seinen Hocuspocus gemacht und das Kraut unter die Maische gethan, und als nun die Frau Meisterin kam, rief er ihr lachend entgegen: »das Bier wird gewiß recht steigen, das ich euch braue, denkt an mich!«

Er verabschiedete sich, nachdem er sein Frühstück verzehrt, und der Meister ließ nach seiner Rückkehr das Bier unbedenklich [97] aus den Kufen heraus und ging zu Bette. Als er aber am andern Morgen an die Kufen trat, war das Bier gänzlich verschwunden und mit Grausen gewahrte er, daß es über ihm, an Balken und Dach, in langen braunen Eiszapfen herabhing, mitten in der Sonnenhitze also gefroren war. Das währte drei Monate lang, bis ein kluger Mann den bösen Zauber bannte und das Bier wieder herabträufelte.


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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. 705. Sage von einem alten Brauburschen zu Brambach. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-3999-C