684) Der Geist Hintzelmann. 1

Es giebt eine Art höllischer Erscheinungen, die sogenannten Kobolde oder Hausteufel, welche von einigen abergläubischen Leuten in Häusern und Ställen gern gesehen, auch wohl wirklich herzugerufen werden, auf daß sie das Vieh füttern, Wasser schöpfen, die Pferde putzen und andere dergleichen Arbeiten verrichten sollen, wiewohl sie in der That nichts ausrichten, sondern nur durch ein äußerlich Blendwerk beschäftigt zu sein scheinen. Diese Geister sind aber zweierlei Art, die eine erscheint den Leuten selten, soll aber doch dem Vernehmen nach im Hause die Arbeiten verrichten, die andere Art aber läßt sich mehr durch allerhand Verrichtungen hören und sehen, sie sprechen mit den Leuten deutlich und vernehmlich, werfen auch zuweilen etwas hin und wieder und lassen sich sonst auch durch ihre Verrichtungen genügsam spüren.

Von solcher Gattung ist auch der Geist Hintzelmann gewesen, der sich zuerst Anno 1584 auf einem Hause, genannt Hudemühlen (oder Hudermühlen im frühern hannöver'schen Fürstenthum Lüneburg) und dem dabei gelegenen Flecken eingefunden. Seine Ankunft daselbst ist zu Anfange ganz still und eingezogen gewesen und hat man von ihm weiter nichts verspürt, als daß auf gemeldetem Hause dann und wann ein Getöse und Poltern gehört worden, welches man aber mit der Zeit, weil man nicht gewußt, was es in sich hätte, nicht mehr geachtet. Allein nach der Zeit ist er allmälig weiter gegangen und hat gleich einer Katze, welche auf das Taubenhaus schleicht, hernach aber öffentlich und dreist hinaufgeht, sich immer mehr zu erkennen gegeben, so daß er angefangen hat bei öffentlichem hellen Mittage mit dem Gesinde zu reden, welches denn eines solchen fürchterlichen Discurses ungewohnt sich darüber entsetzt, bis mit Verlauf der Zeit man seiner endlich gewohnt geworden und nicht so sehr mehr darauf geachtet hat. Es hat sich auch der Hintzelmann vor dem Herrn des Hauses nicht sehen lassen, sondern in dessen Gemache je auch über den Abend- und Mittagsmahlzeiten mit lauter Stimme geredet und sowohl gegen Fremde als Einheimische allerhand Gespräche geführt, welches dann, wie leicht zu erachten, denselben eine entsetzliche Furcht verursacht und er deswegen auf alle Weise gesucht, sich dieses ungebetenen Hausgastes zu entledigen. In einem Brief, so der Prediger von Eckelohe am 14. December 1597 dieser Sache halber geschrieben, wird gemeldet, es habe der Hintzelmann eine kleine Hand gleich eines Knaben oder Jungfrauen Hand [644] gar öfters sehen lassen. Sonst aber hat man von ihm nichts entdecken können. Wie man nun durch die Länge der Zeit die Furcht guten Theils abgelegt, so hat er sich nach und nach gar freundlich und familiär bezeigt, von allerhand Sachen mit den Leuten discourirt, gesungen, gelacht und allerhand Kurzweil getrieben. Dafern aber sich Jemand unterstanden ihm etwas Uebles nachzureden oder es sonst mit ihm zu verderben, hat er sich mit Poltern und Werfen sehr ungethüm gezeigt und seinen Beleidigern heftige Rache gedroht, dieselbe auch wohl gar in's Werk gesetzt und Einem oder dem Andern eine Tücke bewiesen. Weil aber durch die Gegenwart dieses Geistes diese Wohnung, wo viele daselbst einzukehren pflegen, gescheut worden, zumal das Gerücht von diesem Hintzelmann nicht allein in der Nachbarschaft, sondern auch an andern Orten weit und breit erschollen war, so ist der Hausherr darüber sehr bekümmert gewesen und hat auf Mittel und Wege getrachtet, seiner los zu werden. Zu dem Ende hat er sich auch entschlossen, eine Zeit lang aus seinem Eigenthum sich zu entfernen, ob etwa der Geist alsdann auch entweichen und seine Wohnung in Ruhe lassen möchte. Allein dieser war wie die Soldaten, so sich auf Feindes Boden befinden, welche ungebeten ins Haus kommen, dennoch dableiben, wenn sie gleich nicht gern gesehen werden. Also daß der Gebieter dieses Hauses, ein Herr von H., gleich dem Hiob die göttliche Züchtigung auf eine sonderliche Art hat empfinden müssen.

Es ist nun aber das alte Schloß Hudemühlen nunmehr gänzlich eingegangen, obwohl die Rudera desselben jetzt noch zu sehen sind, der Wall, welcher ziemlich hoch und untermauert war, war sammt dem Pförtnerhause noch lange vorhanben. Das Schloß aber ist von Morast und Wasser ganz umgeben und nur von vorn ein Zugang zu dem Thore gewesen, daß es also in den alten Zeiten, da man die Feuerwerkerei noch nicht in solche Vollkommenheit gebracht, für eine Festung hat passiren können. An der rechten Seite des Schlosses fließt ein Wasser, die Meisse genannt, vorbei, welche hart vor dem Schloßthor einige Mühlräder treibt und einen Pistolenschuß weit in den vorüberfließenden Allerstrom fällt. Das Schloß an sich selbst hat vor Zeiten unterschiedliche große Gebäude von festem Mauerwerk und einen hohen Thurm gehabt, wovon aber die Zeit nichts übrig gelassen, als die halbverfallenen Mauergewände. Indessen erweist der Umfang des Schlosses, daß es ehedem groß und geräumig war und einer ziemlichen Menge Leute zur Wohnung diente, wie denn erzählt wird, daß vor Zeiten drei zahlreiche Familien mit guter Bequemlichkeit sammt allem ihren Gesinde daselbst logirt haben, überdem flüchteten auch in den früheren langwierigen deutschen Kriegen sich die Einwohner des Fleckens Hudemühlen mit allen ihren Habseligkeiten dahin. Es wurde noch bis auf die neuere Zeit an der linken Seite des Schlosses der Ort unter dem alten Gemäuer gezeigt, wo vor Zeiten der berüchtigte Geist Hintzelmann seine Kammer gehabt hat, von der weiter unten die Rede sein soll. Daß aber das alte Gebäude nicht beständig in gutem Zustande erhalten worden, sondern endlich ganz zu Grunde gegangen ist, davon ist die Ursache die gewesen, daß unter den verschiedenen Geschlechtslinien der Besitzer nach der Hand die Güter gänzlich zertheilt wurden und folglich ein Jeder bei den ihm zugefallenen Ländereien und Vorwerken sich zu seiner bessern Bequemlichkeit und Aufsicht eine eigene Wohnung erbauen ließ und daher dieses alte Haus, welches mit den Jahren immer mehr Baukosten erforderte, [645] mehr und mehr verlassen ward. Ein anderer Grund ist auch der gewesen, daß die herumliegenden Moräste viel schädliche Dünste und eine ungesunde Luft verursacht haben.

Wie nun dieser Hausgeist erst so lange hier verweilt, daß man seiner gewohnt geworden, sind Etliche so neugierig gewesen und haben ihn gefragt, wie er hierher käme, woher er sei und was er an diesen Orten zu thun habe? Darauf hat der Geist erzählt, er wäre aus dem böhmischen Gebirge, habe auch seine Gesellschaft im Böhmer Walde, seine Mutter sei eine Christin, allein dieselbe wolle ihn nicht bei sich leiden, deswegen sei er gezwungen, sich von ihr zu entfernen und seine Zuflucht bei guten Leuten anderwärts zu nehmen, bis seine Sachen dermaleinst in bessern Stand kämen. Seine Name sei Hintzelmann, man nenne ihn auch Lüring, er habe ein Frau, die heiße Hille Bingels. Er wolle sie zu seiner Zeit ihnen Allen zeigen und in seiner wahren Gestalt sehen lassen, jetzo wäre es ihm nicht gelegen, denn er sei ein guter ehrlicher Gesell, ebenso wie ein anderer. Seine Stimme und Sprache ist einer Jungfrau oder einem kleinen Knaben ähnlich gewesen, er hat aber durchaus nicht leiden können, daß man von ihm übel geredet, noch weniger aber, daß man ihn einen bösen Geist oder den Teufel genannt, welches letztere er so gar nicht ertragen können, daß er oft denjenigen, so solches gesagt, auf den Leib gefallen, sie heftig gedrückt und zerkratzt hat. Sonderlich hat er den Leuten glauben machen wollen, daß er ein wahrhafter natürlicher Mensch sei und sowohl selig zu werden hoffe als ein anderer Mensch. Es hat sich auch dieser Kobold oder Hausgeist oftmals gar scheinheilig gestellt, indem er nicht allein gleich denjenigen, so sich bei dem reformirten Prediger eingefunden, oftmals geistliche Lieder gesungen und gebetet, sondern auch sich gestellt, als wenn ihm die Laster und Untugenden sehr zuwider wären; so hat er Jemanden von den Hauseinwohnern oftmals wegen seiner Kargheit hart mit Vorwürfen gestraft, auch gegen Andere gesagt, daß er diesen wegen seines Geizes gar nicht leiden möge. Zu einer andern Zeit hat er Jemanden seine Hoffart verwiesen und vorgehalten, als wenn er dieselbe von Herzen hasse.

Gleich dem Heidengotte Jupiter hat sich aber unser Hintzelmann bald sichtbar, bald unsichtbar, bald in einer großen, bald in einer kleinen Gestalt dargestellt. Denn als der Herr Besitzer der Hauses Hudemühlen gesehen, daß sich dieser Geist mehr und mehr zu ihm thue und er seiner nicht los werden könne, hat er auf den Rath einiger Freunde sich vorgenommen, nach Hannover zu reisen und daselbst eine Zeitlang zu bleiben, in der Meinung, daß er allda vor der verdrießlichen Anwesenheit des Geistes sicher sei. Er setzte sich also auf und trat die Reise nach Hannover wirklich an, da man denn beobachtet hat, daß vor dem Wagen eine weiße Feder hergeflogen ist, welches man Anfangs nicht verstanden oder nicht gewußt hat, was es bedeuten solle. Allein es fand der obgedachte Herr, daß ihn die Veränderung der Wohnung von dem unangenehmen Hausgenossen nicht freimache, denn sobald er zu Hannover angelangt war, hat sich der Hintzelmann auch sofort daselbst eingefunden und durch sein gewöhnliches Gaukelspiel angemeldet. Unter andern aber hat er daselbst der genannten Person eine goldene Kette von hohem Werth, welche er nach der damaligen Gewohnheit am Halse trug, auf die Seite gebracht und verborgen. Wie man nun die Kette vermißt und [646] nicht gewußt hat, wo dieselbe geblieben sei, ist dadurch das Gesinde des Wirthes in Verdacht genommen worden, als ob Einer die Hände an fremdes Gut gelegt und bei Nachtzeit die Kette hinweggestohlen habe. Weil aber der Wirth sich seiner Leute angenommen und für den ihnen Schuld gegebenen Diebstahl Satisfaction haben wollte, ist darüber fast Ungelegenheit entstanden. Als nun der Herr sich hierüber nicht wenig Gedanken machte, ist der Hintzelmann plötzlich zu ihm gekommen und hat ihn gefragt: »warum er so melancholisch sei; wenn ihm etwas Widerwärtiges widerfahren, möge er es ihm nur entdecken, vielleicht daß er ihm einen Rath zu ertheilen wisse, wenn er aber rathen solle, werde vielleicht seine goldene Kette weg sein.« Der Herr erschrack heftig über diese Worte und fragte, was er hier mache, warum er ihm an diesen Ort nachgefolgt sei, er werde vielleicht von der verlorenen Kette Wissenschaft haben. Hintzelmann versetzte: »Ich habe Dir auf Deiner Reise Gesellschaft geleistet und bin allezeit bei Dir gegenwärtig gewesen, hast Du mich nicht gesehen?« Und wie er weiter gefragt wurde, wie er denn habe dabei sein können, da man ja Niemand gesehen als die, so die Reise mit verrichtet, hat er wieder geantwortet: »Sahest Du denn nicht die weiße Feder vor dem Wagen herfliegen? Das war eben ich. Was sonst die Kette anlangt, so will ich Dir hierüber leicht Nachricht geben, wo dieselbe geblieben ist, und kannst Du nur in Deinem Bette unter dem Hauptkissen Nachsuchung halten, da wirst Du sie vielleicht finden.« Als man nun solchen Worten nachkam und an der bezeichneten Stelle nachsuchte, fand sich die Kette daselbst unversehrt wieder. Unterdessen war es aber dem Herrn von H. im höchsten Grade zuwider, daß er diesen ungebetenen Geist wider seinen Willen um sich leiden solle, weswegen er sich denn mit Worten heftig gegen ihn beschwerte, namentlich weil er wegen der verlorenen Kette mit dem Wirthe in Streit und Widerwärtigkeit gerathen wäre, da er doch seinetwegen sein ganzes Haus geräumt und hierher gezogen wäre. Allein Hintzelmann hat darauf zur Antwort gegeben: »Was nützt es Dir, daß Du vor mir ausweichst? Ich kann Dir ja allenthalben leicht nachfolgen und dahin kommen, wo Du hinreisest. Deshalb ist es besser, daß Du wieder nach Deinem Eigenthum zurückkehrst und daraus meinethalben nicht wieder fortgehst. Du siehst auch, daß wenn ich wollte, ich Dir alles das Deinige nehmen könnte, was ich aber nicht zu thun gesonnen bin.« Als sich hierauf der Herr besonnen, hat er sich fest entschlossen, hinführo dem Geiste keinen Fuß breit zu weichen, sondern Alles Gott anheimzustellen, welches Vertrauen denn auch von solcher Kraft und Wirkung gewesen, daß diesem höllischen Affen niemals verstattet worden ist, diesem Herrn weder an seinem Leibe noch an seinen Habseligkeiten Nachtheil zuzufügen.

Als sich nun der Geist Hintzelmann eine Zeit lang an dem bewußten Orte aufgehalten und man nun die Hoffnung fallen lassen mußte, daß er sich von selbst wieder wegmachen würde, hat sich ein Cavalier gefunden, welcher sich unterstanden, Hintzelmann mit Gewalt zu vertreiben, denn er stand in der Meinung, er möge wohl kein rechter Geist, sondern ein Schwarzkünstler und Hexenmeister sein, der durch Zauberei sich unsichtbar machen könne. Deshalb als er den Geist Hintzelmann einst in einem verschlossenen Gemache bemerkte, wo die Fenster und Thüren überall versperrt waren, hat er die Kammer und das Haus mit bewaffneten Leuten besetzt, ist hernach mit Einigen [647] in die Kammer hineingegangen, hat mit dem Degen in der Hand alle Winkel durchsucht, in die Kreuz und Quer um sich gehauen und gestochen, in der festen Meinung, wenn Hintzelmann einen Körper habe, daß er ihn unfehlbar treffen und verwunden wolle. Allein Alles war umsonst und vergebens, es war kein Körper da, weder zu hören noch zu sehen, und es war nicht anders, als wenn sie sich etwa gegen einen Schatten zu fechten entschlossen hätten. Ihre Fechtübungen wurden zu lauter Luftstreichen, welche ihren Feind nicht im Geringsten beschädigten, sondern blos die Fechter abmatteten. Doch endlich als sie sich Alle müde gehauen und gefochten hatten und die Thüre des Gemachs wieder öffneten, sahen sie eine Gestalt gleich einem schwarzen Marder zur Thüre hinausspringen und hörten folgende Worte: »Ei, ei, wie habt Ihr mich doch ertappt!« Es hat sich aber der Hintzelmann dieses für eine grobe Beleidigung zu Sinne gezogen und sich zum Oeftern darüber beklagt, mit dem Bedeuten, daß er zur Rache wohl Gelegenheit genug finden wollte, wenn er es nicht zweier Frauenzimmer wegen unterlasse, welchen er dadurch Verdruß anzuthun vermeine. Eben dieser Cavalier L.v.H. wollte einst auf dem Hause Hudemühlen in eine ledige Kammer gehen, um etwas darin zu verrichten, wie er aber um sich sah, erblickte er auf einer leeren Bettstelle eine in einen runden Wickel zusammengewundene große Schlange, die aber, sobald er sie gesehen, in einem Augenblick verschwand und dabei hörte er die Stimme: »Du hättest mich bei einem Haare erwischt!«

Als nun der Geist Hintzelmann nicht durch Spieße und Stangen zu vertreiben war, so fanden sich Einige, welche ihn auf andere Weise wegzubringen suchten. Sie ließen also von einem entlegenen Orte einen verrufenen Teufelsbanner kommen, welcher den Geist von dannen treiben sollte. Derselbe fand sich auch ein und man zeigte ihm den Ort, wo Hintzelmann gemeiniglich seinen Aufenthalt hatte. Darauf hat denn dieser seine Beschwörungen aus einem Zauberbuche, welches voller Charaktere und unbekannter Wörter und Zaubersprüche gewesen, angefangen herzusagen und hat sich der Hintzelmann Anfangs gar still bezeigt und überall nicht hören lassen, also daß diejenigen, so den Beschwörer hatten kommen lassen, Hoffnung schöpften, er werde nun doch aufpacken und davon gehen müssen. Aber wie der Zauberer nunmehr ihm am Meisten zuzusetzen schien, da begann sich Hintzelmann zu wehren, riß ihm das Buch vor der Nase weg und zerstückte es in viele hundert Stücke, daß die Blätter in dem Gemache hin und her flogen, kriegte dann den Beschwörer selbst bei der Karthause zu fassen, zerdrückte und zerkratzte ihn schrecklich und warf ihn endlich über Hals und Kopf zur Thüre hinaus und die Treppe hinunter, also daß dieser elende Künstler Gott dankte, daß er noch mit dem Leben davonkam, und hatte weiter keine Lust, sich mit Hintzelmann einzulassen. Hernachmals hat sich der Geist über dieses Vornehmen zum Oeftern beschwert und vorgegeben, es seien ihm diejenigen sehr zu nahe getreten, die einen solchen Gesellen gedungen, ihn von dannen zu verbannen; er wäre ebenso gut ein Christenmensch wie ein anderer und er hoffe ebenso einmal selig zu werden, und weil er Niemandem etwas zu Leide thue, so habe er nicht verdient, daß man auf eine so unanständige Weise ihn anfallen und fortjagen wolle.

Man hat ihn zuweilen gefragt, ob er die Kobolde und Poltergeister, so hier und anderswo zuweilen rumorten und sich hören ließen, auch wohl kenne? [648] Darauf hat er geantwortet, die gingen ihm nichts an, die wären lauter Teufelsgespenster und er wolle nicht hoffen, daß man ihn unter deren Gesellschaft mitrechnen werde. Von ihm hätte sich Niemand etwas Böses, sondern vielmehr alles Gute zu versehen, und wenn man ihn unangefochten lasse, würden sie sehen, daß allenthalben bei ihnen Glück zu spüren wäre, das Vieh werde gedeihen, die Güter in Aufnahme kommen und Alles wohl von Statten gehen.

Unser Hintzelmann liebte aber wie andere böse Geister die Einsamkeit gar nicht, er gesellte sich nicht nur zu den Leuten, ließ sich unter ihnen sehen und hören und führte mit ihnen allerhand Gespräche, absonderlich fleißig näherte er sich aber den Frauenzimmern, stellte sich gegen sie freundlich und umgänglich, gerade wie wenn er zu ihnen besondere Zuneigung trage. Es hielten sich nun zu selbiger Zeit zu Hudemühlen zwei adelige Fräuleins auf, Namens Anna und Katharina; bei diesen fand sich Hintzelmann insgemein ein, hielt sich in ihrem Zimmer auf und führte mit ihnen allerhand Gespräche. Wenn ihm Jemand etwas zu Leide gethan hatte, schüttete er sei nen Verdruß bei ihnen aus und klagte ihnen die ihm zugestoßene Widerwärtigkeit. Ja wenn sie über Land reiseten, wollte er ihnen nicht weniger treue Gesellschaft leisten und begleitete sie in Gestalt einer weißen Feder allenthalben. Wenn sie zur Nacht sich zur Ruhe begaben, hat er zuweilen zu ihren Füßen dem Ansehen nach auf dem Deckbett geschlafen, indem man daselbst eine kleine Grube, als wenn ein kleiner Hund darin gelegen, gesehen. Zweifelsohne hat der arglistige Geist als ein Hauptmeister in der Verstellung sich bei ihnen in eine gute Meinung setzen und nicht für das, was er ist, nämlich den Anstifter alles Unheils, angesehen werden wollen. Die obgedachten Fräuleins haben aus der Ursache auch alle Furcht vor ihm abgelegt und die widerwärtige Meinung über ihn nicht allein fallen lassen, sondern auch in Ungnaden seiner nicht gedacht, und wenn Andere solches gethan, darauf zu antworten gepflegt: »man möge ihn bleiben lassen; so gut er wäre, es wäre doch Niemand, der unfehlbar von ihm sagen könne, wie es mit ihm beschaffen sei.« Diese beiden Fräuleins sind bis an ihr Ende im ledigen Stande geblieben und haben zu heirathen sich nicht entschließen können, und nachdem sie ein hohes Alter erreicht, sind sie innerhalb acht Tagen alle beide gestorben und liegen in der Kirche zu Hudemühlen vor dem Altar begraben.

Als nun einstmals ein gewisser Knecht von dem Hause Hudemühlen von einem der obgedachten Fräuleins nach Rethen abgeschickt war, um daselbst eins oder das Andere einzukaufen, fing in dieser Fräulein Gemache während der Abwesenheit des Knechtes er an wie ein Storch zu klappern und sagte dabei: »Jungfer Anna, heute magst Du Deine Sachen im Mühlenkolch wieder suchen!« Man verstand zwar nicht, was dies bedeuten solle, als aber der Knecht von seiner Reise wieder nach Hause kam, hat er erzählt, daß er unterwegs einen nicht weit von ihm sitzenden Storch erblickt, nach welchem er aus Langeweile geschossen, auch es nicht anders geschienen, als wenn er ihn gewiß getroffen habe, der Storch aber wäre dennoch sitzen geblieben, hätte angefangen laut zu klappern und wäre dann endlich davon geflogen. Die Fräuleins erzählten hierauf ihr heutiges Abenteuer mit dem Hintzelmann und kamen auf den Gedanken, daß, weil er das Klappern eines Storches von sich hören lassen, es so ohne etwas nicht abgehen werde. Doch konnte [649] man aus allen den Vorzeichen nicht klug werden, allein der Ausgang hat das Räthsel gelöst. Denn wie der Knecht, welcher sich einigermaßen berauscht hatte, sein von Staub und Schweiß angefülltes Pferd hinwiederum abspühlen und zu dem Ende in das vor dem Schlosse liegende Mühlenwasser reiten wollte, verfehlte er aus Trunkenheit den richtigen Ort, kam in einen tiefen Abgrund, konnte sich auch auf dem Pferde nicht festhalten, sondern fiel herunter, und weil Niemand bei ihm war, der ihm zu Hülfe kommen konnte, mußte er in diesem Wasser seine Tage beschließen. Weil er aber die geholten Sachen noch nicht von sich gelegt, mußte man sie sammt dem Knechte aus dem Wasser herausfischen und solcher Gestalt trafen die Worte des Geistes, so er erwähnter Maßen gegen das Fräulein geführt, ein.

Nun hat sich einmal ein gewisser von Adel, der von großem Verstande, sonderlich auch bei dem König von Dänemark Christian III. in hohem Ansehn stand und unter dessen Miliz als Kriegs-Obrister kommandirte und in den Kriegen mit der Stadt Lübeck tapfere ansehnliche Dienste geleistet, zu Hudemühlen aufgehalten. Da nun dieser ein guter Schütz und Liebhaber der Jagd war, so hat er manche Stunde damit zugebracht, daß er in das umliegende Gehölz geritten und daselbst den Hirschen und wilden Schweinen nachgestellt und daraus sich eine angenehme Unterhaltung gemacht. Wie nun selbiger Cavalier einst mit Jagdgedanken umgegangen, kommt der Hintzelmann zu ihm und sagt: »Thomas (also nannte sich der Genannte von Adel), ich warne Dich, daß Du Dich im Schießen vorsiehst, denn Du wirst sonst in Kurzem ein Unglück haben.« Der Oberst gab auf diese Prophezeiung wenig und meinte nicht, daß dies etwas zu bedeuten haben sollte, allein etliche Tage darauf, wie er wiederum dieser Ergötzlichkeit nachhing, zersprang ihm durch den gethanen Schuß die Büchse und schlug ihm den Daumen aus der linken Hand hinweg. Sobald dies geschehen, fand sich Hintzelmann bei ihm ein und sagte: »Siehe da, nun hast Du es, wovor ich Dich gewarnt habe; hättest Du meiner Warnung gefolgt und diese Zeit über des Schießens Dich enthalten, würde Dir dieser Unfall nicht begegnet sein.« Man soll auch die Nacht vorher auf dem Walle, welcher um das Haus herumgeht, zwei starke Schüsse gehört haben, welche vielleicht von diesem Hintzelmann hergerührt haben mögen.

Die Kammer, wo sich Hintzelmann aufhielt, ist nun auf dem Schlosse Hudemühlen im obersten Stockwerk zur rechten Seite gewesen und es hat sein Hausgeräth bestanden erstlich in einem Sessel oder Lehnstuhl, welchen er von Stroh von allerhand Farben gar kunstreich geflochten gehabt, voller zierlicher Figuren und Kreuze, so nicht ohne Verwunderung anzusehen gewesen, zum Andern ist darin anzutreffen gewesen ein kleiner runder Tisch, welchen man ihm auf sein vielfältiges Anhalten verfertigen und dahin setzen müssen, drittens eine zubereitete Bettstelle, welche er gleichfalls hineinzusetzen verlangt hat. Man hat aber an dieser Lagerstätte niemals ein Merkmal finden können, daß ein Mensch darin gelegen hätte, nur hat man allemal ein kleines Grüftlein, gleich als ob eine Katze darin gelegen, gespürt, und in diesen drei Stücken hat sein ganzer Hausrath bestanden. Weil nun dieser Geist jedesmal das Ansehen haben wollte, daß er als ein natürlicher Mensch der Speise und des Tranks benöthigt sei, hat er das Gesinde und namentlich die Köchin angehalten, daß sie ihm täglich eine Schüssel voll süßer Milch, [650] worinnen Weißbrod gebrockt war, zubereiten und auf seinen Tisch stellen mußte, welches auch hernach dem Anscheine nach rein ausgegessen war und die Schüssel wurde allemal leer mit hinausgenommen, wiewohl er auch dann und wann sich an der Tafel des Hausherrn einfand und man ihm an einer Stelle, welche er eingenommen zu haben vorgab, einen Stuhl setzen und Teller vorlegen mußte, und wenn derjenige, welcher die Speisen tranchirte, ihm vorzulegen vergaß, dann ist er darüber zornig geworden und hat sich solches für einen Schimpf zu Gemüthe gezogen. Es sind aber die vorgelegten Speisen allemal von den Tellern hinweggekommen, dazu ist auch noch das Glas, wenn man ihm zugetrunken, eine Weile von dem Tische weggewesen, hernach aber wieder leer an seinen vorigen Ort gesetzt worden, die vorgelegten Speisen aber hat man entweder unter dem Tische den Hunden vorgeworfen, oder aber in einem Winkel unter den Bänken des Gemachs liegen gefunden, woraus denn augenscheinlich zu ersehen gewesen, daß sein Essen nicht natürlich zugegangen, sondern nur ein Gaukelspiel und Blendwerk dieses durchtriebenen Geistes gewesen ist. Nun hat sich einst zu Hudemühlen ein gewisser adeliger Herr befunden, welcher, wie man nach Gewohnheit dem Hintzelmann daselbst einen Stuhl und eine Schüssel vorgesetzt hatte, als wenn er mit zu den Hausgenossen gehöre, demselben nicht hat zutrinken wollen und als Hintzelmann sich darüber beschwerte und hinzufügte, »er sei ein ebenso guter und ehrlicher Gesell als jener, warum er denn nicht mit ihm trinken wolle?« antwortete dieser: »er möge sich fortpacken und mit seiner höllischen Gesellschaft saufen, hier habe er nichts zu suchen«. Darüber erzürnte sich aber der Hintzelmann auf's Heftigste, faßte ihn bei dem Schnallriemen, mit welchem er nach der damaligen Kleidertracht seinen Mantel unter dem Halse zugeschnallt hatte, zog ihn an demselben nieder zur Erde, würgte und drückte ihn dergestalt, daß alle Anwesenden in höchsten Sorgen standen, er werde ihn gar ums Leben bringen, und jener sich erst nach mehreren Stunden von dem Schrecken erholen konnte. Dieser Edelmann ist aber derjenige gewesen, welcher, wie wir oben gesehen haben, sich vermessen hatte, den Hintzelmann mit Spießen und Stangen zu vertreiben.

Es hat sich aber der Hintzelmann im Hause, in der Küche und im Stalle überall geschäftig angestellt und schien er mit großem Fleiße allerhand Arbeiten zu verrichten. Insonderheit hat er in der Küche des Nachts sehr handthiert, denn wenn die Köchin des Abends nach der Mahlzeit die zinnernen Schüsseln und Teller unabgewaschen durcheinander über einen Haufen hinsetzte, so hat sie dieselben des Morgens wohl gesäubert und hell wie ein Spiegel glänzend in guter Ordnung wider angetroffen, also daß sich die Köchin auf diesen Handlanger sicherlich verlassen und des Abends nach aufgehobener Tafel zu ihrer süßen Ruhe sich begeben können. Es hat demnach an aller nöthigen Anstalt in der Küche nicht gefehlt, man hat auch in der Zeit, als Hintzelmann allda sich aufgehalten, in der Küche niemals etwas verloren, sondern wenn ja etwas verlegt war, wußte es dieser aus seinem verborgenen Winkel sogleich wieder hervorzuziehen und es seinem rechten Herrn einzuhändigen. Wenn man zu Hudemühlen fremde Gäste zu erwarten haben sollte, so ließ sich Hintzelmann sonderlich hören: da scheuerte er die Kessel, da wusch er die Schüsseln, da säuberte er die Eimer und Zuber, daß man die ganze Nacht das Geräusch von seiner Arbeit hörte. Es hat die Köchin auch nicht unterlassen, ihm hinwiederum [651] mit möglichster Dankbarkeit zu begegnen, denn sie war nicht allein, so oft er etwas begehrte, damit sogleich fertig, sondern setzte ihm auch aus freien Stücken täglich süße Milch mit Weißbrod gekocht zum Frühstück in seine Kammer hin. Hierdurch gewann sie seine Neigung vollkommen und konnte sich manche faule Stunde machen, und da sie sonst das Küchengeräthe hätte waschen müssen, die Hände in den Schooß legen. Ja es übernahm Hintzelmann auch eine Art Hofmeisterschaft über die andern Knechte und Mägde und gab fleißig darauf Achtung, was ihre Verrichtung war, und wenn sie bei der Arbeit waren, erinnerte er sie mit guten Worten fleißig zu sein, wenn sich aber Jemand daran nicht kehrte, sondern die Zeit mit Faulheit verbringen wollte, hat er zuweilen den Prügel ergriffen und ihnen damit eine gute Benediction gegeben. Die Mägde warnte er gar oft vor ihrer Frauen Unwillen und erinnerte sie, diese oder jene Arbeit wäre noch nicht gethan, welche sie erst antreten sollten. Ebenso geschäftig erwies er sich auch in den Pferdeställen, er wartete die Pferde, striegelte dieselben fleißig, daß sie jederzeit so glatt wie ein Aal anzusehen waren, und es wird gesagt, daß die Zeit über, wo Hintzelmann sich an diesem Ort aufgehalten, die Pferde so wohl gedient, daß sich Viele darüber gewundert haben.

Es hat sich zu Hudemühlen vormals ein Vornehmer von Adel, aus dem Geschlecht von Falkenberg, welcher im Kriege als ein vornehmer Offizier Dienste gefunden, auf einige Zeit aufgehalten und daselbst seinen Besuch abgestattet. Weil nun derselbe frischen und fröhlichen Humors war, fängt er an den Hintzelmann zu vexiren und gegen denselben allerhand kurzweilige Reden zu gebrauchen. Allein es wollte dies dem Geiste in der Länge nicht anstehen, sondern er begann sich unwillig zu geberden und fuhr endlich in folgenden Worten heraus: »Falkenberg, Du machst Dich jetzund über mich trefflich lustig, aber komm nur hin vor Magdeburg, da wird man Dir die Kappe ausbürsten, daß Du Deine Spottreden vergessen wirst.« Dieser erschrack darüber nicht wenig, weil er glaubte, daß diese Worte etwas mehr hinter sich haben würden, ließ daher seine weitere Unterhaltung mit Hintzelmann und nahm kurz darauf seinen Abschied und zog davon. Bald darauf ging die berühmte Belagerung der Stadt Magdeburg unter dem Churfürsten Moritz von Sachsen vor sich, da man von Seiten des gesammten römischen Reiches den Beschluß gefaßt hatte, selbige Stadt zum Gehorsam zu bringen. Hierbei hat nun auch dieser Herr von Falkenberg unter einem vornehmen Fürsten in Deutschland seine Tapferkeit bewiesen. Allein wie die Belagerten ihrerseits nichts versäumten, was zur tapferen Gegenwehr dienen konnte, und Tag und Nacht mit Doppelhaken, Falkonetten und Musqueten Feuer gaben, also traf auch diesen das Unglück, daß ihm mit einer Falkonettkugel das Kinn ganz weggeschossen ward, also daß er überaus große Schmerzen ausgestanden, auch endlich als er nach der Blessur noch bis zum dritten Tage gelebt, seinen Geist elendiglich hat aufgeben müssen.

Es ist bereits erzählt worden, daß in Hudemühlen sich zwei Fräuleins aufgehalten, welche mit ihren Taufnamen sich Anna und Katharina nannten, bei welchen sich auch der Hintzelmann gern eingefunden, mit ihnen conversirt und Gespräche gehalten hat. Wie nun dieselben nicht allein von gutem und vornehmen Stande, sondern auch bemittelt und von angenehmer Gestalt und Sitten waren, so fanden sich auch Unterschiedliche ein, welche sich um sie bewerben [652] und um ihre Hand anhalten wollten. Ein oder das andere Mal kam es so weit, daß der gänzliche Abschluß nicht weit war und man bald einen glücklichen Ausgang hoffte. Allein Hintzelmann fand jederzeit Mittel, das Abgeredete zu hintertreiben und die Heirathsgedanken zu stören. Den einen hat er, wenn er etwa seine Worte bei den Fräuleins vorbringen wollte, confus und irre gemacht, daß er in seinem Concept ganz gestört worden ist, einem Andern hat er eine solche Angst verursacht, daß er vor Schrecken gezittert und gebebt, insgemein aber hat er ihnen an der gegenüberstehenden weißen Wand eine Schrift mit großen goldenen Buchstaben vor die Augen gemalt, also lautend: »Nimm Jungfer Annen und laß mir Katharinen!« Ist aber ein Anderer gekommen und hat sich bei Fräulein Annen insinuiren und selbige um die Ehe ansprechen wollen, so ist die goldene Schrift wieder umgekehrt in folgender Gestalt vor seinen Augen erschienen: »Nimm Jungfer Katharinen und laß mir Jungfer Annen!« Wenn sich aber Jemand hieran nicht kehren, sondern auf seinem Vorsatze fest bestehen wollte und zu dem Ende etwa des Nachts auf dem Hause übernachtete, hat er demselben also in der Finsterniß zugesetzt, ihn durch Poltern, Werfen und Herumturniren beunruhigt, daß sie alle ihre Heirathsgedanken darüber leicht vergessen haben und froh gewesen sind, daß sie nur mit ganzer Haut davon kamen. Etliche hat er auch, wenn sie ihren Rückweg genommen und nach Hause zurückkehren wollten, mit den Pferden um und um geworfen, daß sie vermeint Hals und Beine zu brechen und nicht gewußt, wie ihnen geschehen. Hieraus ist erfolgt, daß die beiden Fräuleins sich des Ehestandes gänzlich begeben und unverehelicht bis zu einem hohen Alter verharrt und auch endlich gestorben sind.

Einst kam ein vornehmer Mann aus dem Geschlechte derer von Mandelsloh nach Hudemühlen, der nicht allein in allen Fächern und Sprachen hoch erfahren, sondern auch dieser seiner Geschicklichkeit wegen zu vielen ansehnlichen hohen Chargen gezogen war, dergestalt, daß er bei dem Churfürsten zu Brandenburg geheimer Rath und Abgesandter auf unterschiedlichen Reichsversammlungen, überdem Canonicus bei dem Stift Verden und bei Ihrer Königl. Majestät in Dänemark ebenfalls das Amt eines Gesandten vertreten hatte. Als nun diesem erzählt ward, daß ein Geist auf dem Amte Hudemühlen sein Wesen treibe, der sich zwar unsichtbar halte, aber gleichwohl mit den Leuten rede, sich für einen Christenmenschen ausgebe und viel seltsame Händel begehe, auch sich daneben berühme, daß er sowohl selig zu werden gedächte als ein Anderer, hat er darauf geantwortet, er könne nicht glauben, daß es etwas Gutes sein müsse, sondern halte ihn für den bösen Feind und leibhaftigen Satan. Als nun dieser Herr noch in dem Discurs hierüber begriffen war, wie es nicht anders sein könne, als daß derselbe einer von der höllischen Gesellschaft sein müsse, mit welcher seine Manieren, Art und Eigenschaft vollkommen übereinstimmten, wollte ihn Hintzelmann unterbrechen, fiel ihm daher nach einigem gemachten Geräusch in die Rede und sagte: »Was sagst Du, Barthold (also hieß der Edelmann), bin ich der böse Feind? Ich rathe Dir, sage nicht zu viel oder ich werde Dir ein Anderes sehen lassen und Dir weisen, daß Du ein anderes Mal ein besseres Urtheil von mir fällen sollst!« Dieser Herr hatte ihn noch nicht reden gehört, entsetzte sich daher über diese Worte heftig, weil er Jemand sprechen hörte, aber Niemand sah, von dem die Stimme herkam, brach also seinen [653] Discurs ab und wollte auch hernach nicht mehr von ihm reden und hören, sondern sagte, daß er ihn in seinen Würden lasse.

Hintzelmann hat einmal auch eine Magd eingeschlossen und festgebannt, aber nicht durch unsichtbare Bande, wie andere ähnliche Geister es gethan, sondern durch sichtbare Thüren, Schlösser und Riegel. Als nämlich eines Tages Jemand auf dem Hause Hudemühlen gegen Abend von der Kolik heftig geplagt wurde, ist eine Magd hinunter in den Keller geschickt worden, um einen Trunk Wein zu holen, womit der Patient etwas Medizin hat einnehmen wollen. Als nun die Magd vor dem Fasse saß und gleich jetzt den Wein zapfen wollte, findet sich Hintzelmann bei ihr ein und spricht: »Du wirst Dich doch wohl zu erinnern wissen, daß Du mich vor einigen Tagen gescholten und geschmäht hast, und dafür sollst Du diese Nacht zur Strafe im Keller sitzen; mit dem Patienten hat es ohnedem keine Noth, in einer halben Stunde wird es mit ihm besser und alle seine Krankheit vorüber sein. Ueberdem, wenn Du ihm den Wein zubrächtest, würde er ihm mehr Schaden als Vortheil schaffen; bleib' nur im Keller sitzen, bis Dir wieder aufgemacht wird.« Hiermit schließt er die Thür zu und geht seines Weges. Inzwischen wartet der Patient lange und breit auf den Wein, wie aber die Magd nicht wiederkommt, wird ein Anderer hingeschickt, um zu sehen, wo sie bleibt. Dieser aber findet den Keller mit einem Hängschlosse fest verwahrt, die Magd aber darin im Keller sitzen, welche diesem erzählt, wie sie der Hintzelmann hierselbst in Arrest gelegt hat. Ob man nun wohl die Magd wieder heraushaben und den Keller eröffnen wollen, zu dem Ende auch den Schlüssel mit allem Fleiße gesucht, so war doch Niemand, der denselben finden konnte, am folgenden Morgen aber wurde der Keller offen, das Schloß und Schlüssel vor der Thür liegend gefunden und also ward die Magd ihrer Gefangenschaft wieder los. Mit des Kranken Befinden hat sich's aber nach Hintzelmann's Worten zugetragen und nach Verlauf einer halben Stunde haben sich alle Schmerzen und Ungelegenheiten verloren. Es ist diese Einsperrung noch ziemlich gnädig abgelaufen und scheint es, daß Hintzelmann nur dadurch einen possirlichen Aufzug machen, nicht aber eine regelmäßige Rache versuchen wollte.

Ein anderes Mal reisete einer von Adel, von vornehmem Stand und bekannter Familie, einst vor Hudemühlen vorbei, und ob er wohl ein guter Freund und Bekannter des Hauswirths war, so trug er dennoch Bedenken, auf dem Hause daselbst einzusprechen, weil ihm von der Schalkheit des Hintzelmanns Vieles erzählt worden war; er schickt daher seinen Diener auf's Schloß mit dem Vermelden, man solle es ihm nicht für ungut nehmen, daß er jetzo vorüberfahre. Allein wie nun daselbst dieser Herr in großer Achtung stand, so ward zu ihm geschickt und er inständig gebeten, auf eine geringe Mahlzeit einzusprechen und mit der möglichen Bewirthung vorlieb zu nehmen. Allein Jener entschuldigte sich mit höflichen Worten und wandte vor, daß es jetzo seine Reise nicht leiden wolle sich aufzuhalten, da ihm jetzo an der Eile sehr viel gelegen sei. Zudem, setzte er hinzu, hätte er einen Abscheu und Ekel, daß er ein Teufelsgespenst am Tische leiden und mit demselben essen und trinken solle, welches eine Gesellschaft wäre, die den Meisten großes Schrecken machen würde. Als ihm nun zu Gemüthe geführt ward, man könne nicht dafür, daß durch Gottes verborgenen Rath sich hier ein Geist aufhalte, derselbe aber thue Niemandem etwas zu Leide, so man ihn nur [654] ungeschimpft lasse und so lange Gott dem Geiste Macht gegeben, allhier zu bleiben, könne man sich dessen Schickung nicht widersetzen, sondern müsse in Geduld den Ausgang erwarten, bevorab des Geistes Gewalt nicht weiter gehe, als ihm Gott den Zügel schießen lasse. Allein dieser Herr blieb dessen ohngeachtet dabei, daß er nicht in der Laune sei, mit dem Satan Compagnie zu machen, und nahm auch seinen Abschied, ohne auf das Haus zu kommen. Wie sie also noch in ihrer Unterredung begriffen waren, findet sich Hintzelmann auch dabei und sagt: »Warte, mein guter Cumpan, es soll Dir diese freche Rede schon bezahlt werden!« Als nun dieser Fremde auf seinem Wagen gesessen, seine Reise fortgesetzt hat und über die Brücke, so über die Meisse geht, fahren wollen, da heben sich die Pferde mit den Vorderfüßen in die Höhe und verwickeln sich in dem Geschirr, daß es wenig gefehlt hat, daß nicht Pferde und Wagen zusammen von der Brücke gestürzt sind. Wie nun aber Alles wieder zurecht gemacht ist und sie einen Büchsenschuß Weges weiter fortgefahren, wird der Wagen zwischen Eckeloh und Hudemühlen in dem Sande auf ebener Erde um und um gekehrt, jedoch also, daß die darin sitzenden Personen keinen Schaden nehmen.

Weil nun aber die Hausköchin vermeinte, daß sie des Hintzelmann's beste Freundin wäre, die wohl Ursache hätte, dasjenige von ihm zu bitten, was ein Anderer unterlassen müßte, so hat sie sich einst lassen die Lust ankommen, den Hintzelmann, den sie täglich reden hörte, ihn mit Essen und Trinken versorgte und mit ihm ganz vertraulich war, körperlich zu sehen und ihn in seiner rechten Gestalt zu erkennen. Sie ließ daher diese Bitte an Hintzelmann gelangen, welcher aber nicht daran wollte, sondern vorgab, es wäre anjetzo seine Gelegenheit noch nicht, daß sie ihn zu sehen bekommen könne, allein nach Ablauf einer gewissen Zeit wolle er sich von Jedermann sehen lassen. Allein durch diese abschlägige Antwort wurde die Begierde bei der Köchin noch viel heftiger entzündet, also daß ihr des Hintzelmanns Gestalt im Kopfe herumlief wie Quecksilber. Sie lag dem Geiste je mehr und mehr an, er möge ihr doch ihre Bitte nicht versagen und da sie sich so sehr seinetwegen bemüht hätte, solle er ihr doch dieses Geringe nicht abschlagen. Dagegen stellt ihr aber Jener allezeit vor, es werde ihr Vorwitz sie gewiß gereuen, wenn er gleich ihrer Bitte Statt geben wolle. Als sie nun endlich von ihrem Begehren gar nicht abstehen wollte, sagte Hintzelmann, sie möchte am folgenden Morgen vor Aufgang der Sonne in den Keller kommen und in jeder Hand einen Eimer voll Wasser tragen, alsdann könne ihre Bitte gewährt werden. Als die Magd fragte, was denn das Wasser zu bedeuten haben solle, sagte er: solches würde sie hernach schon sehen und werde ihr sein Anblick sonst schädlich sein. Wie nun der folgende Morgen anbrach, war die Köchin in aller Frühe parat, nahm befohlener Maßen die Eimer mit Wasser und marschirte damit zum Keller hinein. Sie sah sich anfangs in demselben um, endlich wurde sie eine Mulde vor sich gewahr, worin ein nackendes Kind, welches der Größe nach wie von drei Jahren anzusehen war, lag, in seinem Herzen aber steckten zwei Messer kreuzweise über einander und es war über den ganzen Leib mit Blut überflossen. Die Magd erschrickt über diesen unvermutheten Anblick und erbärmliche Gestalt dermaßen, daß ihr alle Sinne entgehen und sie ohnmächtig zur Erde niederfällt, sobald der schalkhafte Geist das Wasser, so sie mit in den Keller gebracht, genommen [655] und ihr solches über den Kopf geschüttet. Es wurden hierdurch ihre Lebensgeister wieder zurückgerufen, daß sie sich von ihrem tiefen Schrecken und ihrer Ohnmacht wieder erholte und zu sich selbst kam; sie sah sich hierauf um, erblickte aber so wenig die Mulde noch das Kind mehr, sondern hörte an dessen Statt des Hintzelmanns Stimme, der da sagte: »Siehst Du nun, wie nützlich Dir das Wasser gewesen ist, denn wenn solches nicht bei der Hand gewesen wäre, würdest Du hier im Keller gestorben sein; ich hoffe aber, es werde Deine hitzige Begierde, mich zu sehen, hierdurch zugleich abgekühlt sein!« Er soll aber hernachmals gar oft die Magd mit dieser Begebenheit ausgespottet und wenn Fremde durchgereiset, ihnen dies mit großem Gelächter erzählt haben.

Auf dem fürstlichen Schlosse zu Ahlden hat zu der Zeit Otto Aschen von Mandelslohe, Drost und Fürstl. Braunschweigisch-Lüneburgischer Rath residirt, dieser hat dann und wann einen Schabernack und Possen von dem Hintzelmann erfahren müssen. Denn als derselbe einst fremde Gäste bei sich gehabt und mit den selben sich ergötzet hat, hat dieser unter ihnen Zank angestiftet, also daß es in der Gesellschaft zu einem Handgemenge gekommen ist und leichtlich ein Unglück hätte geschehen können, wenn nicht alles Gewehr auf die Seite geschafft gewesen wäre, also daß Niemand, wie er nach seinem Degen greifen wollen, denselben finden können und es demnach bei einigen Querhieben mit der dicken Faust hat bewenden lassen müssen. Dieses Streichs hat sich aber Hintzelmann heftig gefreuet, und denselben mit vielem Gelächter erzählt, mit dem Zusatz, daß er der Anfänger des Zankes und der Meuterei gewesen wäre, daß auch sein Anschlag ihm so wohl gelungen wäre, daß sie sich weidlich herumgeschlagen hätten. Als man ihm aber weiter vorgehalten, aus was für Ursachen er die Leute also zusammenhetze, ob nicht daraus zu besorgen gewesen, daß ein Unglück daraus entstehe und Jemand ums Leben oder in Gefahr gekommen wäre, hat er darauf gesagt: »Dafür wäre nicht zu sorgen, denn er hätte ihnen vor dem Streite alles tödtliche Gewehr so lange versteckt und auf die Seite gebracht, daß es nur bei etlichen guten Kopfstößen geblieben wäre.« Dabei wäre er als ein Zuschauer geblieben und hätte an solcher Comödie sich recht aus Lust ergötzt.

Auf gleiche Weise hat er auch gern die Knechte und Arbeitsleute in ein Handgemenge zu verwickeln gesucht, wozu er die schönste Gelegenheit fand, wenn den Leuten durch das Bier die Sinne gehemmt und die martialischen Geister etwas zu sehr erhitzt waren. Alsdann nahm Hintzelmann seinen Platz unter ihnen und wollte als ein angeblicher Domestik seinen Theil mit daran haben, um dabei seine Gelegenheit abzusehen. Wenn nun der Trunk das Gehirn eingenommen und einer etwa etwas unter den Tisch hatte fallen lassen und dasselbe aufzuheben sich bückte, hat er demselben von rückwärts eine gute Ohrfeige versetzt, seinen Nachbar aber in's Bein gezwickt. Beide Theile meinten alsdann, es käme dies von dem Nachbar her, worauf man denn bald zu Scheltworten und von diesen auf Schläge kam und endlich hat man solche ohne Unterschied ausgetheilt, daß am folgenden Morgen die blauen Augen und geschwollenen Gesichter als Merkzeichen der vorgefallenen Bataille betrachtet werden konnten. Hierüber hat nun Hintzelmann sich allezeit sonderlich ergötzt, es Andern hinwiederum, sammt der Manier, wie er es angefangen, erzählt, jedoch dabei stets es so angestellt, daß Niemand an seinem Leben oder Gesundheit gefährdet wurde.

[656] Nun befand sich zu Hudemühlen zur Zeit des Hintzelmann ein Schreiber, Namens Henning Steinhoff, welchen gedachter Hintzelmann einer gar zu großen Hoffart beschuldigte und ihm deswegen gehässig ward, that ihm auch aus solcher Ursache oftmals großen Drang an, incommodirte und beunruhigte ihn bald bei Tage bald bei Nacht heftig. Denn wie ein Hoffärtiger einen andern Hoffärtigen am Wenigsten leiden kann, also war diesem hoffärtigen Geiste die stolze Einbildung des Schreibers verdrießlich. Als er nun denselben einstmals sehr gequält hatte, rühmte er sich dessen gegen Jemand aus dem Hause, stellte sich ganz fröhlich und erzählte mit Gelächter, er habe dem hoffärtigen Schreiber (also klangen seine Worte) eine rechtschaffene gute Ohrfeige gegeben. Als man ihn weiter fragte, warum er denn die Leute also traktire, was er dazu für Ursache habe, hat er sich ferner vernehmen lassen: er wäre ja allzu hoffärtig, er könne das nicht leiden. Am folgenden Morgen wurde der Schreiber hierüber vernommen und gefragt, ob der Hintzelmann die vorige Nacht bei ihm gewesen wäre, worauf derselbe geantwortet hat: »Ja, wohl mehr als zuviel ist er bei mir gewesen, er hat mir die Nacht einen solchen Drang angethan, daß ich vor demselben nicht zu bleiben wußte.« Von diesem Schreiber aber hat sonst Herr Feldmann, ehemaliger Prediger zu Hudemühlen, welcher der erste Verfasser dieser Geschichte gewesen, angemerkt, daß er sich sonst wohl in seinen Verrichtungen zurecht zu finden gewußt hat und seinem Amte wohl vorgestanden, daher er nicht allein bei seinem Herrn gute Gewogenheit gefunden, sondern nach der Hand Amtsschreiber zu Winsen an der Lue und zuletzt in demselben Städtchen Bürgermeister geworden ist. Nun hatte sich dieser Schreiber aber in einen Liebeshandel mit einem Kammermädchen auf dem Schlosse eingelassen und war mit derselben ziemlich vertraut geworden. Wie er nun den Hintzelmann sich einmal zum Feinde gemacht hatte, so wollte derselbe ihn seiner Absicht stören und sein Vergnügen mit dem Mädchen hindern. Nun hatte sich einst der Schreiber bei dem gedachten Kammermädchen in stiller Nacht eingefunden, um ein vertrauliches Gespräch mit ihr abzuhalten. Wie sie nun beisammen die Zeit mit Scherz und Kurzweil hinbrachten und vermeinten, daß sie Niemand bei solchem Zustande sehen könne, als die vier Wände, siehe, da kömmt der arglistige Hintzelmann, stört ihr Zusammensein und stöbert den guten Schreiber ganz unsauber zur Thüre hinaus, faßt überdem einen Besenstiel und setzt mit demselben ihm nach, also daß Jener mit größter Geschwindigkeit nach seiner Kammer gelaufen ist, sich in sein Bett verfügt hat und noch dazu froh gewesen ist, daß er mit etlichen guten Streichen, so er auf dem Rückzug bekommen, diesmal losgekommen ist, dabei hat er aber freilich seine Liebe und die erlangte Begünstigung auf einmal vergessen. Nach der Hand soll der Hintzelmann auf diesen unglücklichen Liebhaber ein Lied gedichtet und solches zur Kurzweil oft gesungen, auch den Durchreisenden nicht ohne Gelächter vorgesagt haben. Ob aber der Hintzelmann die Laster so sehr gehaßt, daß er deswegen diesem Menschen so sehr zugesetzt, um ihn dadurch auf einen bessern Weg zu führen, solches läßt sich billig bezweifeln.

Eines Tages ist der Hintzelmann zu einem Mann aus Hudemühlen, der sammt andern Arbeitsleuten und Knechten im Felde war und Korn mähete, auf den Acker gekommen, als dieser an nichts weniger als an etwas Unglückliches dachte, und sagte: »Lauf, lauf in aller Eile nach Deinem Hause und [657] hilf Deinem jüngsten Sohne, denn er ist jetzt eben mit dem Gesicht in's Feuer gefallen und hat sich sehr verbrannt.« Der Mann, darüber erschrocken, legt seine Sense nieder und eilt nach Hause, um zu sehen, ob der Hintzelmann die Wahrheit geredet, und ist noch nicht über die Thürschwelle geschritten, als man ihm entgegenläuft und das geschehene Unglück erzählt, worin er denn ferner durch den Augenschein bestätigt wird, da er sein Kind elendiglich über dem ganzen Gesicht verbrannt findet. Denn es hatte sich auf einen kleinen Stuhl beim Feuer gesetzt, allwo ein Kessel hing. Als nun das Kind mit einem kleinen Löffel in denselben langen wollte und sich deswegen mit dem Stuhl vorwärts bog, ist es mit dem Gesichte mitten in's Feuer gefallen, jedoch aber, weil die Mutter in der Nähe war, ist sie alsofort herzugelaufen und hat es aus den Flammen wieder herausgerissen, also daß es zwar etwas verbrannt, aber doch dem Tode entzogen worden ist. Es ist übrigens zu bemerken, daß fast in demselben Augenblick, als der Geist dem Vater das Unglück verkündete, dieser Fall sich zugetragen hat.

Nun hat aber ein gewisser junger Edelmann, der von sehr vornehmem Geschlecht, aber auch von allzugroßer Einbildung war, den Hintzelmann fangen wollen. Derselbe hatte von den Historien dieses Geistes viel erzählen hören und war deswegen begierig, etwas davon zu sehen oder ihn reden zu hören. Als nun sein Wunsch einst erfüllt wurde und der Hintzelmann sich hören ließ und zwar aus einem Winkel bei einem in der Stube stehenden großen Schranke, allwo unterschiedliche leere Weinkrüge mit engen Hälsen hingesetzt waren, so deuchte es diesem Edelmann, daß, weil seine Stimme zwar zart und subtil, jedoch etwas heiser und gleich als ob sie aus einem hohlen Geschirr geredet werde, anzuhören war, er müsse etwa in dem einen dieser Krüge sitzen und da heraus reden. Er lief also zu den Krügen hin, faßte sie an und vermeinte sie zuzumachen, daß er den Geist gewiß erhaschen wolle. Als er nun damit umging, so fing der Geist an überlaut zu lachen und sagte: »Wenn ich nicht vorlängst von andern Leuten gehört hätte, daß Du ein Narr wärest, so sehe ich's nun in der That, weil Du meinst, ich sitze in den leeren Krügen und weil Du dieselben mit der Hand zudeckst, so hättest Du mich gefangen. Ich achte Dich nicht der Mühe werth, sonst wollte ich Dich schon so witzigen, daß Du eine Zeit lang meiner gedenken solltest. Aber doch möchtest Du bald ein wenig gebadet werden.« Hiermit schwieg der Geist still und ließ sich nicht weiter hören, so lange der Edelmann da war. Ob er aber nachher in's Wasser gefallen sei, wird nicht gemeldet, doch ist vermuthlich, daß er ihm wohl eins mag versetzt haben, weil er selten etwas ungerochen hat passiren lassen.

Es hat aber der Geist Hintzelmann die Larve der Scheinheiligkeit fleißig gebraucht, denn wie oben bereits gedacht worden ist, gab er vor, er sei nicht allein ein wahrhaftiger Mensch, sondern auch ein guter Christ und hoffe nicht weniger als andere selig zu werden. Als man nun einstmals von diesen Sachen mit ihm redete und von ihm begehrete, daß wenn er ein guter Christ seinem Vorgeben nach sein wolle, er auch Gott anrufen und die Gebete, deren sich die Christen bedienen, sprechen müsse. Hierauf hat er sofort angefangen das Vaterunser herzusagen, auch solches bis an die sechste Bitte ausgesprochen, als er aber an die letzte Bitte (»erlöse uns von dem Uebel«) gekommen, hat er solche nicht recht deutlich und rein ausgesprochen, sondern [658] nur leise gemurmelt. Er hat überdem auch den christlichen Glauben recitirt, aber auch verstümmelt und zerrissen, denn wenn er an die Worte des Artikels kam: »ich glaube an eine Vergebung der Sünden, Auferstehung des Fleisches und ein ewiges Leben«, brachte er dieselben mit ganz undeutlicher und heiserer Stimme hervor, daß man's nicht recht hören und verstehen konnte. Der Prediger zu Eckelohe, Herr Marquart Feldmann berichtet, es sei sein Vater um die Zeit der Pfingsten auf dem Hause Hudemühlen zu Gaste gebeten worden, da habe der Hintzelmann den schönen Gesang: »Nun bitten wir den heil. Geist« wie eine Jungfrau oder junger Knabe mit sehr hoher und nicht unangenehmer Stimme gesungen und denselben Gesang bis ganz zu Ende gebracht. Ja nicht allein diesen, sondern viele andere geistliche Gesänge hat er auf Begehren intonirt, sonderlich wenn ihn diejenigen darum begrüßten, welche er für seine guten Freunde hielt und die ihn zu ihrem Vertrauten hatten. Er hat jedoch nicht allein geistliche Lieder gesungen, sondern er hat sich auch zuweilen damit unterhalten, daß wenn eine Gesellschaft von jungen Leuten zusammen war, er ihnen allerlei verliebte Lieder vorsang, wobei er sich denn sonderlich fröhlich und wohlgemuth bezeigte, daß man denken mußte, er wäre selbst von dem zärtlichen Affect der Liebe gerührt. Sonderlich aber pflegte er im Namen unverheiratheter Manns- und Weibspersonen dergleichen Lieder herzusagen, daraus es das Ansehen bekam, daß diese oder jene im heimlichen Verständniß mit einander sein möchten. Hierüber hat man ihm einst zugeredet, er thue Unrecht daran, daß er auf solche Weise die Leute in verdächtige Nachrede bringe. Er hat sich aber damit entschuldigt, »daß es nur sein Scherz sei: wenn es sich aber in der That also verhalte, wolle er schweigen.« Seine Stimme war ein gar heller Discant, welche er so hoch hinaufschwingen konnte, als jemals ein Instrument reichen konnte. Sie war dabei nicht unangenehm, sondern wie einer Jungfrauen Stimme anzuhören, dabei aber schien sie gleichwohl etwas heiser zu sein und nicht so rein, wie sie wohl sein sollte.

Wie sich nun der Geist einstmals oben im Hause in einem Gemache sehr unruhig und stürmisch bezeigte und mit Rumoren und Werfen ein großes Getümmel machte, so kommt ein gewisser Schreiber zu Hause, und wie er sich vorhin bei der Gesellschaft arg bezecht, so war seiner Courage fast die ganze Welt zu enge und vermeinte er, es werde der Hintzelmann auf seinen Befehl sofort ruhig werden. Er geht demnach hinauf in das Gemach, wo er das Getümmel hörte und rief: »Du magst nun der Teufel oder seine Großmutter sein, so sollst Du doch innehalten, und packe Dich nur von hinnen in aller Teufel Namen, Du hast allhier nichts verloren, oder ich will Dir Füße machen!« Allein Hintzelmann war vor diesen großmächtigen Drohungen gar nicht erschrocken, sondern gab dem eingebildeten Maulhelden eine tapfere Maulschelle, daß er über und über stürzte, ihm das eine Auge blau und schwarz ward und die Courage geschwinder als eine Wasserblase verschwand. Er lief, was er nur konnte, die Treppe hinunter und verlangte dergleichen Erinnerungen keine mehr. Wie er aber in der Finsterniß die Stufen nicht erkennen konnte, so polterte er die Treppen hinunter und machte dadurch ein solches Gerassel, daß er dadurch das ganze Haus aus dem Schlafe erweckte und Jedermann vermeinte, daß das Haus über den Haufen fallen würde.

[659] Wie sich nun der Hintzelmann, wie oben gemeldet, in vielerlei Gestalten hat verwandeln können, so hat er sich kleinen Kindern gegenüber namentlich in einer andern Gestalt dargestellt. Denn wenn dieselben um das Haus Hudemühlen zuweilen zusammenkamen und spielten, so hat er sich bei ihrer Gesellschaft mit eingefunden und in der Gestalt eines kleinen wohlgebildeten Kindes mitgespielt, also daß alle Kinder ihn deutlich sehen konnten und es hernach ihren Eltern zum Oeftern erzählten, daß nämlich, wenn sie mit einander im Spiel begriffen wären, ein kleines Kind zu ihnen käme, so sie nicht kannten, welches mit ihnen Kurzweil triebe. Dieses bekräftigte auch eine Magd, welche einst von ohngefähr in ein Gemach ging, worin fünf oder sechs Kinder waren, welche mit einander spielten. Unter diesen hat sie ein fremdes unbekanntes Knäblein gar schönen Angesichts, mit gelben über die Schulter herabhängenden krausen Haaren und gekleidet in einen rothen sammtnen Rock, gesehen, welches aber, als sie es recht betrachten wollte, aus dem Haufen verschwunden ist. Und nicht allein den kleinen Kindern wollte Hintzelmann seine Gestalt sehen lassen, sondern es fand sich auch ein Narr daselbst, genannt Clauß, mit welchem der Geist oftmals, wenn er allein gewesen, soll zu thun gehabt haben, sich vor ihm sehen lassen und allerhand Kurzweil getrieben hat. Wenn man demnach den Narren vermisset und nirgends finden können, hat er auf Befragen, wo er so lange gestecket, geantwortet: er wäre bei dem kleinen Männlein gewesen und habe mit ihm gespielt. Hat man dann weiter gefragt: »wie groß das Männlein wäre«, hat er mit der Hand eine solche Größe gewiesen, als etwa ein Kind von vier Jahren sein möchte. Es war dieser Clauß ein Mensch von blödem Verstande, welcher doch dabei zuweilen possirliche Einfälle hatte und die Wahrheit mit sonderlichen Aufzügen vorstellen konnte, daher er wohl gelitten und der Kurzweil halber unterhalten ward. Zuletzt fand man ihn einst in einem Mühlwasser ertrunken, ob er nun etwa unversehens hineingefallen oder durch seinen Mitspieler, den Hintzelmann, da hinein befördert worden, ist nicht bekannt geworden.

Nicht allein aber hat sich der Geist obgedachter Maßen sehen, sondern sich auch dazu bereden lassen, daß man ihn fühlen und betasten möchte. Solches geschah einst in der Nacht; als der Herr des Hauses schlaflos im Bette lag und er ein Geräusch an der Seite der Kammer vermerkte, so vermuthete er daraus, es müsse der Geist Hintzelmann gegenwärtig sein. Er redete ihn also an und sagte: »Hintzelmann, bist Du da, so antworte mir!« Dieser antwortete auch und sagte: Ja, er sei es, was er wolle? Indem es nun eben Mondschein war, davon es in der Kammer ziemlich hell war, so deuchte es ihm, als wenn an dem Orte, wo der Schall herkam, der Schatten einer Kindesgestalt zu sehen wäre. Als nun der Herr ferner merkte, daß der Geist sich ganz freundlich und vertraulich anstellte, ließ er sich mit ihm in ein Gespräch ein und fragte endlich: Weil er bisher beständig vorgegeben, daß er ein natürlicher Mensch sei, so möge er sich doch einmal von ihm sehen und fühlen lassen, damit er seinen Worten um desto mehr Glauben schenken könne. Worauf ihm der Geist zur Antwort gegeben hat: Es wäre anjetzo noch nicht seine Gelegenheit sich sehen zu lassen, er möge die Zeit abwarten, wenn ihm solches anständig sein werde. Jener hielt ferner an: »so solle er ihm doch nur die Hand reichen, damit er erkennen könne, ob er denn auch wie ein Mensch Fleisch und Bein habe, wie sein Vorgeben [660] wäre.« Dieses verweigerte zwar anfangs der Geist und sagte: »Ich traue Dir nicht, Du bist ein Schalk, Du möchtest mich wieder ergreifen und hernach nicht wieder gehen lassen!« Nach langem Anhalten aber und als ihm bei Treu und Glauben versprochen wurde, er werde ihn nicht halten, sondern allsofort wieder gehen lassen, hat er gesagt: »Siehe, da ist meine Hand!« Wie nun der Herr darnach gegriffen, hat ihm gedeucht, als wenn er die Finger einer kleinen Kinderhand fühle; es hat aber der Geist die Hand gar geschwind wieder hinweggerückt. Ferner hat Jener von ihm begehrt: er solle ihm nun noch sein Angesicht fühlen lassen, worin er auch endlich gewilligt, und wie der Herr darnach getastet, ist es ihm vorgekommen, als ob er gleichsam an Zähne oder an ein fleischloses Todtengerippe anrühre. Es hat sich aber dieses Gesicht ebenfalls im Augenblick wieder zurückgezogen, also daß die rechte eigentliche Gestalt nicht wahrzunehmen gewesen, nur daß man so viel hat observiren können, daß alle die genannten Glieder des Hintzelmanns ganz kalt und keineswegs mit solcher Wärme versehen gewesen, als die natürlichen Leiber zu haben pflegen und welche auch zu deren Erhaltung und Wachsthum nothwendig erfordert wird.

Die Lieder aber, so der Hintzelmann zuweilen gedichtet und gesungen, waren der damaligen Reimart nach in niederländischen Versen begriffen, welche keine gewisse Mensur und abgemessene Reimtritte hatten, sondern bald lang, bald kurz, bald von jambischem, bald von trochäischem Maß waren, nur daß sie sich am Ende so gut oder so schlecht als möglich reimten und dadurch einem Gedichte ähnlich waren. Man hat zwar alle die Compositionen, so er dergestalt an's Licht gebracht, nicht aufgezeichnet, gleichwohl ist durch den Fleiß des obgedachten Predigers davon doch eins oder das andere angemerkt worden. Unter solchen Versen, welche der Hintzelmann täglich hören ließ, war nun folgender der gemeinste:


Ortgieß läst Du mick hier gahn,

Glücke schast Du hahn.

Wultu mick awer verdrieven,

Unglück warst Du kriegen.


Hiermit hat der Geist ohne Zweifel die Leute in den irrigen Wahn versetzen wollen, daß seine Gegenwart lauter Glück und Aufnehmen bringe und man es ihm zu danken habe, daß an selbigem Orte damals Alles in erwünschtem Flor und Aufnehmen stehe.

Als eines Tages der genannte Prediger zu Eckelohe, Herr Marquart Feldmann, wie sein Sohn, der ihm sowohl im Namen als im Amte nachgefolgt ist, erzählt, auf das Haus Hudemühlen zu Gaste geladen worden ist und er nun vor die Thür kommt, hört er oben im Saal Jemanden singen, jauchzen und viel Wesens treiben, weswegen er auf die Gedanken geräth, als wenn den vorigen Abend Fremde angekommen wären, welche oben im Hause logirten und sich also lustig bezeigten. Er fragt deshalb den auf dem Platze stehenden Hofmeier, so Holz gehackt hat: »Johann, was habt Ihr droben für Gäste, welche sich so lustig machen?« Dieser antwortet: »Wir haben Niemand Fremdes, es ist unser Hintzelmann, der sich so lustig anstellt, es wird sonst kein lebendiger Mensch im Saale sein!« Wie nun obgedachter Pastor in abgemeldeten Saal hinaufsteigt, singt ihm der Hintzelmann entgegen:


Mien Duhme, mien Duhme, mien Ellboeg sind twey.


[661] Der Pastor verwunderte sich über diesen ungewöhnlichen Gesang und sagte zu Hintzelmann: »Was soll dieses für eine Musik sein, damit Du nun aufgezogen kommst?« Allein Hintzelmann versetzte: »Das Lied habe ich von Euch gelernt, denn Ihr habt solches oft gesungen und ich habe solches noch vor etlichen Tagen, als Ihr an einem gewissen Orte zum Kindtaufen waret, von Euch gehört!« Wie sie nun hierauf vom Saal hinunter in die Stube gingen, um die Mahlzeit einzunehmen, hat sich der Hintzelmann auch am Tische finden lassen und allerhand Gespräche geführt, bis man endlich von dem Christenthum zu reden anfängt und dem Hintzelmann zugemuthet hat, seine gerühmte Gottesfurcht durch die That sehen zu lassen. Darauf hat er denn angefangen unterschiedliche geistliche Lieder zu singen und Gebete herzusagen. Derselbe jüngere Feldmann erzählt nun weiter, daß er zu der Zeit ein Knabe von 14-15 Jahren gewesen und sich um diese Sachen nicht sonderlich bekümmert habe, daher ihm auch alle Verrichtungen des Hintzelmann nicht mehr so recht erinnerlich wären, sonst wenn man das Merkwürdigste zusammen aufzeichnen wolle, könne damit ein ziemlicher Foliant angefüllt werden. Das aber könne er sich wohl besinnen, wenn er dann und wann auf's Schloß mit andern Kindern gegangen, habe er den Hintzelmann in Gestalt eines kleinen Kindes die Treppe gar geschwind hinaufsteigen sehen und habe er zwar die Gestalt und Kleidung und deren Farben eigentlich unterscheiden können, doch habe es geschienen, als wenn man mehr einen durchsichtigen Schatten, als einen rechten wirklichen Körper ansichtig würde.

Als die Zeit endlich herbeikam, daß der Hintzelmann bald wiederum seinen Abschied nehmen und davon scheiden wollte, weil vielleicht seine Zeit und Ziel, so ihm gesetzt, verflossen war, so kommt er zu dem Herrn des Hauses und spricht zu ihm: »Siehe, da will ich Dir etwas verehren, das nimm wohl in Acht und gedenke meiner dabei.« Und damit überreichte er ihm erstlich ein kleines Kreuz, so er selbst verfertigt und von allerlei Seiten (es ist ungewiß, ob der Autor Seide oder Instrumentssaiten verstanden habe) gar artig geflochten. Es war dasselbe eines kleinen Fingers lang, inwendig hohl und wenn man schüttelte, gab es einen Klang von sich. Das andere Geschenk war ein Strohhut, ebenfalls von dem Hintzelmann selbst verfertigt mit allerhand Figuren und Bildern, so durch buntes Stroh präsentirt wurden, sehr künstlich gearbeitet, welcher, weil die Kunst, das Stroh also zu bereiten und zu färben, zu der Zeit noch unbekannt war, sehr bewundert und für was Sonderliches gehalten wurde. Das dritte bestand in einem ledernen Handschuh, welcher mit Perlen besetzt und davon wundersame Figuren gemacht waren. Bei diesen Geschenken hat der Geist die Prophezeiung beigefügt: »So lange solche Stücke bei der Familie ungetheilt in guter Verwahrung bleiben würden, solle das ganze Geschlecht im beständigen Flor bleiben und mit immer aufsteigendem Glücke begleitet sein, dafern diese Geschenke aber verloren oder sonst abhanden kommen würden, so werde das Geschlecht bei solchem Aufnehmen nicht beharren, sondern in Verfall kommen.« Weil nun aber der Geist wahrnahm, daß obgedachtem Herrn an solchen Geschenken wenig gelegen war und sie nicht so, wie er hoffte, ästimirte, so hat er ferner hinzugesetzt: »er besorge, daß er die von ihm geschenkten Sachen nicht viel achten und abhanden kommen lassen werde, deswegen wolle er ihm gerathen haben, daß er dieselben seinen beiden Schwestern, Fräulein Annen [662] und Katharinen zu verwahren übergeben möge, welche sonder Zweifel diese Sachen sich würden besser angelegen sein lassen.« Auf diese Worte nahm der Herr die Geschenke an, stellte sie auch seinen Schwestern zu, welche denn aus Curiosität sie anzunehmen nicht unterließen und sie nach der Hand in guter Verwahrung gehalten und Niemandem, als dem sie es aus sonderlicher Freundschaft etwa gethan, gezeigt haben. Nachdem aber diese Schwestern mit Tode abgegangen (welches in ihrem hohen Alter geschehen, da sie innerhalb acht Tagen beide verstorben und zusammen in ein Grab gelegt worden), sind diese Geschenke wiederum auf den Bruder derselben zurückgefallen. Denn nachdem derselbe sie unter obgedachter Fräulein Verlassenschaft gefunden, hat er sie hinwiederum zu sich genommen und sind sie auch, so lange er lebte, bei ihm geblieben, da er sie denn einstmals dem Pastor Feldmann, da derselbe bei ihm gewesen und allein mit ihm vertraulich geredet hat, auf dessen Bitten gezeigt hat. Als nun aber auch der besagte Herr des Todes verblichen, sind diese Sachen an seine einzige verlassene Tochter Adelheid, so L.v.H. geheirathet, unter andere Erbschaftssachen mitgerathen und dabei eine Zeitlang verblieben. Wo diese Geschenke aber hernachmals hingekommen sind, darnach hat sich der Pastor Feldmann oft und viel erkundigt und endlich soviel in Erfahrung gebracht, daß der stroherne Hut an den Kaiser Ferdinand II. sei verschenkt worden, welcher denselben als etwas Rares und Curioses ästimirt und mit Gnaden erkannt hat, der lederne Handschuh aber ist bis dato (?) noch in der Verwahrung eines Vornehmen von Adel. Die Gestalt desselben ist ziemlich kurz, er reicht genau nur über die Hand, oben auf der Hand ist derselbe mit Perlen gleich einer runden Schneckenfigur gestickt. Wo aber das Kreuzchen hingekommen ist, davon hat der Verfasser des Buches nichts erfahren können.

Es war nun aber die Zeit gekommen, daß die göttliche Allmacht den Geist gezwungen, seinen bisherigen Ort zu verlassen und davon zu weichen, nachdem weder Schwert noch Waffen vorher an ihm gehaftet und die stärksten Teufelsbanner und Zauberer nichts gegen ihn ausgerichtet hatten. Aber nun begab er sich freiwillig und ungenöthigt hinweg, er räumte seinen bisherigen Ort, als die Zeit seines Daseins, so ihm zweifelsohne bestimmt, verlaufen war, nachdem er sich bald vier Jahre von Anno 1584 bis 1588 auf dem Schlosse zu Hudemühlen aufgehalten, und er sich vielleicht wieder zu seiner Gesellschaft im Böhmer Walde, daher er gebürtig zu sein vorgab, begeben und seine alten Kameraden wiederum besuchen wollte. Ehe er aber von dannen gezogen ist, hat er sich vernehmen lassen: »er wolle dermaleinst wiederkommen und zwar zu einer solchen Zeit, wenn das daselbst wohnende Geschlecht einigermaßen herunter und in Abgang gekommen sei; wenn er aber wieder ankäme, werde Alles wiederum in den größten Flor und Aufnehmen gesetzt werden.« Zu dem Ende hat er ein Paar große Personen aus selbigem Hause genannt, nach deren Absterben man seiner wieder wahrnehmen könne, allein gleich wie viele von seinen Weissagungen falsch befunden worden sind, also hat auch hierin der Ausgang gefehlt, maßen beide Personen bereits vor mehr als dreißig Jahren verstorben sind und hat sich dennoch kein Geist wiederum eingefunden.

Als nun der Geist Hintzelmann von Hudemühlen hinweggezogen, hat er sich dagegen zu Estrup, einem adeligen Sitze in der Grafschaft Hoya, wieder [663] eingefunden und daselbst gleichwie zu Hudemühlen seine Abenteuer fortgesetzt. Die Gelegenheit aber, daß er sich hierher begeben, ist seinem Vorgeben nach die gewesen, daß, als die obgemeldeten Fräuleins Anna und Katharina eine Reise nach besagtem Estrup gethan und daselbst eine Visite ablegen wollten, er in ihrem Wagen in Gestalt einer weißen Feder mit hinübergefahren ist. Als man nun den Hintzelmann gefragt, was ihn denn bewogen habe, seinen alten Platz zu Hudemühlen zu verlassen, so hat er zur Antwort gegeben: »es seien die Inhaber dieses Schlosses zum guten Theil weggezogen und nur wenige Andere zurückgeblieben, da ihm denn allein da zu verbleiben auch nicht anständig sein wollen.« Es war aber der Inhaber des Schlosses Estrup zur selbigen Zeit eben nicht zu Hause, sondern weil er in dem damaligen schwedischen Kriege eine vornehme Funktion bekleidete, so mußte er deswegen von Hause abwesend sein, und es wohnte damals dessen Ehefrau mit ihren Kindern auf besagtem Hofe, welche denn auch vorher, als er noch zu Hudemühlen handthieret, viel von seinen Geschichten gehört, und weil sie dabei sich überzeugt hielten, daß er jenen dort einen oder den andern Nutzen geschafft hätte, so war ihnen seine Ankunft gar nicht sehr zuwider, indem sie nicht wußten, was sie aus ihm machen oder wofür sie ihn halten sollten, dabei sie denn glaubten, daß dieses Geistes Vorgeben, da er sich so fromm und heilig stellte, nicht ganz und gar ohne Grund sein möchte.

Es machte sich auch der Hintzelmann dieses gar wohl zu Nutze und suchte sich bei den Frauenzimmern mit Fleiß einzuschmeicheln. Wie er's vorher zu Hudemühlen gehalten, also wollte er's auch hier fortsetzen, und weil sich auch zu Estrup ein adeliges Fräulein befand, so suchte er auch bei derselben besonderes Vertrauen zu gewinnen. Er nahm seine Schlafstelle auf ihrem Deckbett zu Füßen, allwo man hernach eine kleine Grube wie von einem kleinen Schooßhündchen verspürt hat. Wenn sie ihm nun solches nicht verstatten wollte, so bezeigte er sich ganz ungestüm und machte dem Fräulein viele Unruhe. Falls sie sich aber ihm nicht widersetzte, sondern ihn nach seinem Gefallen handthieren ließ, stellte er sich ganz freundlich und beschenkte sie mit allerhand Sachen, als Ringen, Perlen und was er sonst bekommen konnte. Allein dazu war er nicht zu bewegen, daß er sich vor diesem Fräulein hätte sehen lassen sollen, denn diese Gunst erhielt daselbst Niemand als eine gewisse Magd, welche in eben solcher Gestalt, als er sich auch vorher schon vorgestellt, nämlich in Gestalt eines kleinen wohlgebildeten Kindes mit gelben krausen Haaren und einem rothen Sammtrock angethan, ihn zum Oefteren gesehen hat. Andere sagen, daß er vornehmlich und am Meisten einem Studenten der Theologie, welcher zu Estrup sich aufgehalten habe und Hofmeister der Kinder gewesen sei, sich in solcher Gestalt gezeigt habe, welches endlich wohl Beides wahr sein kann.

Der Geist Hintzelmann hat nun am genannten Orte weitläufig versprochen, daß er dem Hause viel Gutes zu Statten kommen lassen wolle, indem er alles dasjenige, woran etwa Mangel eintreten möchte, über sich nehmen wolle, ja wenn sich's zutragen sollte, daß sie auf einmal mehr denn hundert Pferde auf dem Hofe zu versorgen hätten, möchten sie nur unbekümmert sein, er wolle ihnen allen genug verschaffen. Ob aber der Effekt mit solchen großen Versprechungen übereingestimmt, davon findet sich keine Nachricht. Das aber wird vermeldet, daß wie einst die Frau auf dem [664] Hause Estrup in langer Zeit keine Nachricht von dem Zustande ihres Herrn, welcher, wie bereits bemerkt, in Schweden abwesend war, gehabt und deswegen in traurigem Nachsinnen begriffen war, wie es ihm doch gehen möge und ob er bei guter Gesundheit sei, so ist der Hintzelmann darauf zu ihr gekommen und hat ihr versprochen, in Kurzem gewisse Nachricht zu bringen, wie es mit ihm stehe und wo er sich aufhalte. Darauf ist er ein paar Tage nirgends verspürt worden, gleich als wenn er nunmehr nicht zu Hause wäre. Nach Ablauf derselben hat er sich wieder eingefunden und den Frauen erzählt, wie er bei ihrem Herrn in Schweden gewesen, allwo er sich jetzt befinde, was er mache und wie es mit ihm stehe. Daß auch seine Erzählung der Wahrheit gemäß gewesen, haben die hernach erfolgten Briefe in Mehrerem bestärkt, als welche dessen Zustand eben auf die Art kund gemacht, wie es von dem Hintzelmann erzählt worden. Es war aber dieser Herr zu dieser Zeit in dem Feldzuge unter schwedischem Commando beschäftigt, als die Schweden wider die Russen und Polen sich wegen des Fürstenthums Lievland schlugen, in welchen Krieg der König von Dänemark mit verwickelt war, und endlich der Friede mit ziemlichem Vortheil für Schweden geschlossen ward.

Es hat aber besagter Hintzelmann in verschiedenen Fällen seine Spitzfindigkeit bewiesen, sintemal er, wo man einmal nicht sofort Rath finden können, alsobald ein Auskunftsmittel an die Hand gegeben, wie aus der Sache zu kommen war; unter andern bewies er solches bei einer gewissen adeligen Wittwe, so nahe bei Estrup wohnhaft war. Diese war mit dem regierenden Grafen zu Hoya wegen einiger Pertinenzien und Gerechtigkeiten in Streit gerathen, und weil man von dem Hintzelmann täglich viele Wundersachen erzählte und sie ohnedem zu Estrup etwas zu verrichten hatte, nahm sie die Gelegenheit wahr und erzählte demselben die Beschaffenheit ihrer Sache mit dem Begehren, seine Meinung darüber zu entdecken. Da hat nun der Geist ihr nicht allein gesagt, wie sie sich verhalten solle, sondern auch dem Bericht nach selbst eine Schrift verfaßt und darin die Sache dermaßen sichtbar vorgestellt, daß bald darauf auf Seiten der Wittwe der Prozeß gewonnen worden ist und man ihr alle entzogenen Stücke wieder hat einräumen müssen. Dies machte nun, mochte es auch sein, daß die Sache ohnedem rechtmäßig befunden worden wäre, dem Hintzelmann einen ziemlichen Namen, so daß man ihm von der Zeit an viel zutraute.

Auf dem Hause Estrup wurde er auch wohl gehalten und was er begehrte, ihm willig gereicht. Man setzte ihm täglich Milch und weißes Brod gleich wie zu Hudemühlen in sein Gemach, man bereitete ihm Bäder von allerhand Kräutern und unterließ nichts, was zu seiner Bewirthung dienen konnte, in Betracht, daß er sonst viel Rumor und Tumult anfing und ihnen sämmtlich keine Ruhe ließ, da sie denn nach dem Sprüchwort: »weil sie vor der Hölle wohnten, müßten sie den Teufel zum Freunde haben«, handelten. Es hat auch deswegen der Ort dem Geiste nicht allein ungemein besser gefallen, als zu Hudemühlen, weil man ihn dort so oft zu vertreiben gesucht und dazu sowohl Waffen als Schwerter, als auch Beschwörer und Zauberer gebraucht, sondern man sagt auch, daß er sich in vielen Stücken arbeitsam und geschäftig erwiesen, zu vielen Sachen mit geholfen und sich angestellt habe, als wenn ihm Alles selbst mit angehe. Bei dem Viehe hatte er dem Ansehen nach seine stete Bemühung, wollte dasselbe füttern und in [665] Acht nehmen und gab vor, er wolle es dahin bringen, daß es noch einmal so wohl als sonst gedeihen solle. Die Weinkeller, Korn- und Vorrathsböden versprach er jederzeit in solchem Wesen zu erhalten, daß es niemals an dem nöthigen Vorrath mangeln solle. Allein wer wollte glauben, daß dies in der That sich also verhalten und nicht größtentheils auf Verblendung und Gaukelwerk hinausgelaufen sei?

Sobald nun aber der Inhaber selbigen adeligen Hauses wieder von obgemeldeter Reise nach Hause kam, so war er sehr mißvergnügt und übel zufrieden, wie er vernahm, was in der Zeit seiner Abwesenheit sich für ein Geist in seinem Hause einlogirt hatte. Deswegen suchte er alle Mittel hervor, diesen ungeladenen Hausgenossen zu vertreiben und wo er ihn nur vermerkt, hat er ihn mit Schelten und Fluchen sehr hart angefahren, da hingegen der Geist sich gestellt, als wenn er hierdurch sehr eingetrieben werde, und sich demnach auf's Bitten gelegt und gesagt: »man möge doch etwas gemach auftreten und bedenken, welch großer Nutzen von seiner Anwesenheit zu erwarten sei, indem er diesem Hause alles Glück zuwenden wollte, welches er auch bisher geleistet und Alles in gutem Wohlstande erhalten hätte.« Allein alle diese Vorstellungen wollten nicht helfen, es wollte dieser Herr den Hintzelmann nicht bei sich wissen, sondern gebot ihn hinwegzuweisen und von seinem Hofe zu entfernen, ja was ihm zur Hand kam, es mochten nun Prügel, Steine, Krüge sein, solches warf er nach dem Orte, wo er den Geist zu treffen vermeinte. Der gute Hintzelmann vermeinte aber durch die Vermittelung des Frauenzimmers die Sache wieder gut zu machen, kam deswegen zu dem Fräulein und bat sie, bei dem Herrn des Hauses seinetwegen eine Fürbitte einzulegen, damit ihm nur ein kleiner Raum möge verstattet sein. Allein der Herr wollte davon nichts hören, sondern seiner unbedingt los sein und setzte ihm immer heftiger zu.

Wie nun der Geist sich davon gezwungen fühlen mochte, von hier zu weichen, so kam er nochmals zu letztgedachtem Fräulein, klagte demselben mit trauriger Stimme, daß man ihn hierselbst so heftig verfolge, da er ihnen doch bisher mehr Gutes als Böses erwiesen und er auch noch ferner dieses Haus glücklich zu machen entschlossen sei, allein weil man seiner los sein wolle, so sei er bedacht, von dannen zu ziehen; er könne sich zwar wegen seiner Verstoßung wohl rächen und es dahin bringen, daß diejenigen, so ihn jetzt vertrieben, in die äußerste Armuth gerathen sollten, allein um ihrer, des Fräuleins willen wolle er es unterlassen und sich seiner Rache, die er sonst wohl anwenden könne, begeben. Hierauf hat er dem Fräulein mit betrübter Stimme gute Nacht gesagt und ist von dannen geschieden, also daß man von ihm seitdem nichts mehr hat hören noch erfahren können. Es haben nach der Hand Einige vorgeben wollen, daß dieser Hintzelmann kein rechter Geist, sondern ein Schwarzkünstler gewesen sei; doch daß dies der Wahrheit zuwider, wird ein Jeder, der die bisher erzählten Umstände überlegen wird, leichtlich gestehen. Uebrigens ist gegenwärtige Geschichte buchstäblich wahr, und hat die hohe Obrigkeit zu jener Zeit selbst wegen des Verlaufs gründlich verständigt sein wollen und deshalb an den Ort, wo sie sich zugetragen, rescribirt, daß man ihr die Beschreibung der rechten eigentlichen Bewandtniß pflichtmäßig einschicken solle, da denn die Erzählung in den Hauptsachen, wie sie hier wiedergegeben, genau bestätigt worden ist.

Fußnoten

1 S. Der vielförmige Hintzelmann oder umständliche und merkwürdige Erzählung von einem Geist, so sich auf dem Hause Hudemühlen und hernach zu Estrup im Lande Lüneburg unter vielfältigen Gestalten und verwunderlicher Veränderung hat sehen lassen. o.O.u.J. in 18. 379 SS. ohne die Vorr. Mit 13 Kupfern. – Verfasser der ersten Ausgabe dieser Geschichte war nach S. 226 der Pfarrer Marg. Feldmann zu Eckelohe-Hudemühlen.


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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. 684. Der Geist Hintzelmann. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-40D6-D