423. Die schwarze Frau auf dem Golm.

Auf dem Golm bei Swinemünde läßt sich alle Johannistage eine schwarze Frau mit einem großen Schlüsselbunde sehen, die will erlöst sein. An diesem Tage kam auch einmal eine arme Frau auf den Berg, die sammelte trockene Buchnüsse, und als sie nach Hause kam, hatte sie die ganze Kippe voll von Goldstücken.

Ein ander Mal kamen ein Paar Mädchen am Johannistage auf den Berg, und es war gerade der Geburtstag der einen. Als sie nun aber oben waren, kam ihnen Alles ganz verändert vor, und sie sahen sogar ein Haus stehen, durch dessen Fenster sie einen alten Mann mit langem Barte erblickten, der eifrig mit Geldzählen beschäftigt schien. Als sie ein Paar Schritte weiter gingen, sahen sie in der Ferne eine schwarze Frauengestalt auf sich zu kommen, die ihnen freundlich winkte und auf ein Loch im Berg zeigte; erst glaubten sie fast, es sei eine Nachbarin und gingen näher, aber alsbald erkannten sie ihren Irrthum und wollten umkehren. Da verwandelten sich die Züge der Frau und waren schrecklich anzusehen, sie wich gewaltig von der Erde empor, ihr langes schwarzes Haar flatterte im Winde und nun flog sie gar durch die Luft daher auf sie zu. Da flohen sie eilig von dannen, den steilen Berg hinunter; aber die schwarze Frau brauste[460] hinter ihnen her und ließ erst vom Verfolgen ab, als sie unten auf der Wiese ankamen.

Auch einem Manne begegnete die schwarze Frau einst auf dem Golm und winkte ihm, in eine offene Höhle mit hinabzukommen. Da ging er denn einen langen Gang hinunter und kam in ein großes Gewölbe, wo große mit Gold und Silber gefüllte Kisten standen, aus denen er seine Taschen füllte. Darauf winkte sie ihm weiter zu kommen und er folgte, aber plötzlich erfaßte ihn ein gewaltiges Grausen und er floh, da schlug der Berg krachend hinter ihm zusammen; drinnen hörte man noch lange ein klägliches Jammergeheul.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Zweiter Band. Pommern. 423. Die schwarze Frau auf dem Golm. 423. Die schwarze Frau auf dem Golm. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-5537-A