269. Das blutrothe Gemach zu Militsch.

(S. Gödsche S. 108 etc.)


In dem Breslauer Kreise liegt eine kleine Stadt mit einem alten festen und einem neuen Schlosse, Militsch genannt, an der Bartsch. Diese gehörte in der Mitte des 13. Jhdts. vertragsmäßig zu gleichen Theilen den herzoglichen Brüdern, Heinrich III. und Boleslaus Calvus von Schlesien und dem Bischof von Breslau. Sie hatte deshalb auch zwei Burgvögte, Hans von Cordebog für die fürstlichen Brüder und den Ritter von Rychberg für den Bischof. Letzterer hielt sich aber auf der kleinern Burg, die auf dem jenseitigen Ufer der Bartsch stand, jetzt aber verschwunden ist, auf. Beide Burgen waren durch einen unterirdischen Gang unter dem Flußbette verbunden. Nun hatte aber der Ritter Hans von Cordebog eine Nichte von sich, ein polnisches Fräulein von großer Schönheit, Namens Jadwiga Zaremba, nach dem Tode ihrer Eltern zu sich genommen. Selbige war schon als Kind einem polnischen Edelmann von ihrem Vater verlobt worden, allein ihr Vater hatte sein Wort zurückgenommen, weil derselbe ein roher und böser Mensch geworden war. Darauf war dieser nach Palästina gezogen, nachdem er sich selbst einen theuern Eid geschworen, mit seinem Willen solle seine verlorene Braut nie das Eigenthum eines Andern werden. Mittlerweile hatte aber das Mädchen einen Verwandten des Burggrafen von Rychberg, einen böhmischen Ritter Namens Prorźeck Borziwoi kennen und lieben gelernt und obwohl der neue Burgkaplan ihres Onkels ihr stets davon abredete [290] und ihr mit der Strafe des Himmels drohte, wenn sie ihrem frühern Verlöbniß untreu werden sollte, gab sie jenem doch ihr Jawort, als er um ihre Hand anhielt. Der Mönch ließ ihr endlich auch durch einen von ihm bestochenen welschen Krämer die Nachricht bringen, ihr einstiger Verlobter sei im gelobten Lande gestorben und habe noch in seiner letzten Stunde an sie die Mahnung ergehen lassen, kein anderes Ehebündniß einzugehen, allein dies alles half nichts, sie blieb dabei, den böhmischen Ritter zum Gemahl zu nehmen.

So kam der Abend des Hochzeitstages heran, ein schreckliches Unwetter tobte in den Lüften und Borziwoi nahm deshalb das Anerbieten des Burgkaplans, ihn durch den unterirdischen Gang hinüber nach der kleinen Burg bringen zu wollen, an. Allein als sie mitten darin waren, ward er auf einmal von dem welschen Krämer, der ihnen heimlich gefolgt war, zu Boden gerissen und fest geknebelt, dann aber begab sich der vermeintliche Burgkaplan hinauf in das Gemach der Jungfrau. Dieselbe hatte von Niemand Hilfe zu erwarten, denn der schändliche Mönch, der Niemand anders war, als ihr todtgesagter Bräutigam aus Polen, hatte allen Bewohnern der Burg einen schweren Schlaftrunk gemischt. Er hielt es nun auch nicht für nothwendig, sich länger zu verbergen, sondern nahm seinen falschen Bart ab und trat vor das geängstigte Mädchen hin und sagte ihr, sie müsse ihm entweder sofort in die Burgkapelle folgen und sich dort mit ihm trauen lassen, zu welchem Zwecke er den welschen Krämer als Priester verkleidet dorthin bestellt hatte, oder er werde vor ihren Augen ihren Geliebten in einen Sarg legen und lebendig begraben lassen. Die Jungfrau konnte sich nicht widersetzen, die falsche Trauung ward vollzogen und Jadwiga mußte ihren aufgedrungenen Gemahl jetzt in ihr Gemach führen.

Mittlerweile hatte aber dem Ritter Rychberg die Zeit, bis zu welcher sein Verwandter zurückkehren sollte, zu lang geschienen, er hatte also mehrere Knappen ausgesendet um ihn zu suchen, da er vermuthete, er könne während des Unwetters möglicher Weise verunglückt sein. Dieselben kehrten bald mit der Nachricht zurück, die Thore der großen Burg ständen weit offen, allein in der Burg selbst liege Alles in todtenähnlichem Schlafe. Da vermuthete der Burggraf nichts Gutes, sondern eilte mit mehreren Begleitern ebenfalls durch den unterirdischen Gang in die Nachbarburg, war aber nicht wenig erschrocken, als er in der Kapelle, wohin jener Gang mündete, angelangt, den Welschen gerade beschäftigt fand, Borziwoi in einen Sarg einzuschließen. Er befreite ihn und eilte dann mit ihm in das Gemach Jadwiga's, allein dort fanden sie dieselbe ermordet am Boden liegen und der sogenannte Burgkaplan trat ihnen unerschrocken mit dem blutigen Dolch, aber auch mit einer Schrift auf Pergament geschrieben entgegen, aus der sie sahen, daß der Papst Innocenz IV. ihm, der die höhere Priesterweihe bereits empfangen hatte, vollständigen Ablaß für seine That im Voraus ertheilt hatte. Sie mußten ihn also ziehen lassen. Nicht so gut erging es seinem Helfershelfer, dieser ward in den für Borziwoi bestimmt gewesenen Sarg gelegt und in einem Grabe aus schwarzem Gestein lebendig eingemauert, eine Tafel zeigte noch lange nachher die Stelle an, wo er seine Strafe erlitten hatte. Das Gemach aber, wo die Jungfrau ermordet worden war und wo die Blutflecken durch nichts wegzubringen waren, ward auf Rychbergs Befehl ganz [291] blutroth angestrichen, um so gewissermaßen die Erinnerung an die geschehene Missethat zu vertilgen. Borziwoi reichte keiner andern Frau seine Hand zum Ehebunde, sondern ließ sich zum Priester weihen und trat als Burgkaplan in den Dienst des Ritters von Cordebog und hat dann selbst an der Wandseite des Saales, worin die Mordthat geschehen war, dieselbe für die Nachwelt aufgezeichnet.


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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. 269. Das blutrothe Gemach zu Militsch. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-5940-1