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An Sulpiz Boisserée

Nicht zu viel sage ich, wenn ich Sie versichere, daß ich täglich und stündlich Ihrer gedenke, und nicht zu fromm drücke ich mich aus, wenn ich hinzusetze: in meiner Art von Gebet. Sie mit Ihren unschätzbaren Besitzungen wieder in der Kriegesklemme zu wissen ist mir peinlich. Sagen Sie mir, daß es besser steht, als man sich von weitem sorglich einbildet, und so werde ich einigermaßen getröstet seyn über die fehlgeschlagene Hoffnung Sie zu besuchen: Denn wir haben doch dieses Jahr von beyden Seiten mancherley guten Dingen etwas abgewonnen. Ihr letzter Brief hat mich sehr gefreut, jene Soutmannischen Kupfer besitze ich von Jugend auf, und wie ich Ihre Könige sah, sprach mich etwas Bekanntes an; nun habe ich die Blätter wieder betrachtet und es ist wohl keine Frage. Dadurch bezeichnet sich jene Epoche immer mehr als rückkehrend zur Porträtnatur. Lassen Sie mich bald von sich wissen; von hier gehe ich wieder grade nach Hause; meine Tage sind zugemessen, ich wäre sogar nicht hierher gekommen, wenn ich nicht von der vorjährigen Cur so entschiedene gute Wirkung empfunden hätte. Mögen Sie mich den sämmtlichen Gönnern und Freunden schönstens empfehlen und mir deren Gunst auf's neue versichern? Trifft Sie dieses in einem einigermaßen [3] ruhigen Moment, so schreiben Sie mir ausführlich.

Sie sehen aus vorstehendem, daß meine Canzley in die Kindheit zurückgekehrt ist. Wir müssen so oft wieder von vorne anfangen. Melden Sie mir doch etwas näheres über die Schicksale unsers Reinhardts, und wo er sich jetzt befindet.

Wiesb. d. 2. Juni 1815.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Sulpiz Boisserée. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6ECE-B