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An Thomas Carlyle

Und so geht denn auch, mein Theuerster, abermals ein Kästchen an Sie ab, indessen mein Brief vom 7. Juni und das Kästchen, abgegangen den 13., wohl schon bey Ihnen angekommen sind und ich nun bald die Meldung des Empfangs brieflich von Ihnen hoffen darf.

Das Gegenwärtige, gleichfalls der Sorgfalt Herrn Parish's Überlassene, enthält denn endlich das so lange [276] vorbereitete und immer verspätete Leben Schillers, in deutscher Übersetzung. Mögen Sie zufrieden seyn mit der Art wie ich wünschte Sie und meine Berliner Freunde in lebhaftem und fruchtbarem Verhältniß zu sehen. In meinen Jahren muß es mir angelegen seyn, die vielen Bezüge, die sich bey mir zusammenknüpften, sich anderwärts wieder anknüpfen zu sehen und zu beschleunigen was der Gute wünscht und wünschen muß: eine gewisse sittliche freysinnige Übereinstimmung durch die Welt, und wär es auch nur im Stillen, ja oft gehindert, zu verbreiten; dergestalt damit sich manches friedlich zurechtlege, um nicht erst zerstreut umhergetrieben und kaum in's Gleiche, nach großem Verlust, gesetzt zu werden. Möge Ihnen gelingen, Ihrer Nation die Vortheile der Deutschen bekannt zu machen, wie wir uns immerfort thätig erweisen den unsrigen die Vorzüge der Fremden zu verdeutlichen.

Da Sie Ihre Geschichte der deutschen Literatur nicht zu beeilen brauchen, so wird Ihnen, zu weiterer Einsicht in dieselbe, das Werk von Wachler höchst wichtig seyn. Was in diesem Fach vorhanden ist sehen Sie deutlich verzeichnet; Ihr Geist, Ihr Gemüth wird Ihnen andeuten um was zunächst von diesem allen Sie sich umzuthun haben. Alsdann werden Sie finden was Ihre Nation interessiren könnte, ausführlicher oder kurzgefaßter, wobey es denn immer doch zu jeder Zeit und an jedem Orte darauf ankommt, daß etwas [277] menschlich wohlgesinntes durchgeführt, überliefert und wo möglich bestätigt werde. Die wilde Unterbrechung der deutschen Bildung, besonders vom Anfang des 17. Jahrhunderts bis in's 18. hinein. wird Sie betrüben. Wie sich ein Volk nach und nach wieder hilft ist aber desto merkwürdiger. Hiemit nun allen guten Geistern und Einflüssen empfohlen.

Die Berliner Freunde haben meine Widmung Ihres Schillerischen Lebens gar geneigt aufgenommen und sind zu allen wechselseitigen Mittheilungen erbötig. Sie haben mir ein Diplom zugeschickt, worin sie Herrn Thomas Carlyle zu Craigenputtoch zum auswärtigen Ehrenmitglied ernennen. Dieses werthe Blatt sende mit dem nächsten Kästchen das wohl vor Winters noch zu Ihnen kommt, es wird die letzte Lieferung meiner Werke enthalten, der ich noch einiges Ineressante hinzuzufügen hoffe.

Da die Briefpost nicht so wie der andere Transport im Winter unterbrochen wird, so lassen Sie mich von Zeit zu Zeit etwas von sich wissen, ehe wir wieder völlig einschneien, wozu für diesen Winter, ob ich gleich nicht gerne Witterung voraussage, abermals bedenkliche Aussichten sind.


Abschrift.

In der heutigen Sitzung der Gesellschaft für Vaterländische Literatur wurde Herr Thomas Carlyle von Craigenputtoch in Schottland durch einmüthigen Beschluß sämmtlicher anwesenden Mitglieder zum auswärtigen Mitgliede dieser [278] Gesellschaft ernannt. Dieselbe hofft mit Zuversicht, daß dieser ausgezeichnete Gelehrte, der von Goethe an ihn ergehenden Einladung entsprechend, zur Beförderung Ihrer Zwecke, so weit sie auf die Kenntniß und Verbreitung der englischen Literatur in Deutschland, und der deutschen in Großbritannien gerichtet sind, gern die Hand bieten, und so zur Erreichung des gemeinsamen Zieles allgemeiner Bildung thätig mitwirken werde.

Herr Carlyle wird hiervon durch Abschrift dieser Verhandlung in Kenntniß gesetzt.

So geschehen Berlin in der Versammlung vom 24. September 1830.

Die Gesellschaft für ausländische Literatur.

Hitzig.


Nach Abschluß dieses Blattes, das ich gleich senden will, damit es dem Kästchen, welches am 29. August an die Herren Parish abgegangen ist, nach- oder voreile, grüße ich beide liebe Gatten zum schönsten.

Herr Carlyle wird, meinem Wunsch gemäß, den werthen Berlinern ein freundlich Wörtchen sagen. Dem Gegenwärtigen lasse bald ein anderes folgen. Ein talentvoller junger man und glücklicher Übersetzer beschäftigt sich mit Burns; ich bin darauf sehr verlangend. Leben Sie recht wohl, schreiben Sie bald, denn für mich werden Tage und Wochen immer kostbarer.

Und so denn, fort an!

Weimar den 5. October 1830.

Goethe. [279]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An Thomas Carlyle. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6FE6-7