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An Christian Gottlob Voigt

Ihro Königl. Hoheit sowohl als Ew. Excellenz haben meine Worte sehr gut ausgelegt und meine Wünsche wohl verstanden, für beydes bin ich freudig dankbar und sende die Blätter zurück mit der Bitte, sie copiren zu lassen und ein oder das andere Exemplar zu unseren Acten zu geben.

Einen Aufsatz lege ich bey, den ich schrieb in Sorge Ew. Excellenz Theilnahme zu verlieren; da sich jedoch an der Hauptsache nichts ändert, und ich überdem vergessen habe, daß die Führung einer allgemeinen Registrande tägliche Aufmerksamkeit erfordert, so lege ich die Blätter wie sie sind Ew. Excellenz zur Prüfung vor. Verziehen sey mir, daß ich soviel von mir selbst gesprochen, aber diese auswärtigen Dinge greifen so in Geschäft und Leben, daß sie nicht zu sondern find und ich wohl von dieser auf mich drückenden, ganz eigenen und nicht abzuwälzenden Last, von der sich niemand leicht eine Vorstellung macht, an dieser Stelle reden durfte.

Die Note für den Addreß-Calender werde sogleich besorgen und auch ohnzielsetzliche Vorschläge zu Verbesserung unserer Untergeordneten.

Da ich denn alsdann des näheren über meine Ansichten mich erklären werde.

[183] Nächstens hoffe ich meine Freude über die glückliche Wendung der Sache mündlich auszudrücken.

auf's Neue

wie für immer

W. d. 19. Dec.

treulichst verbunden

1815.

J. W. v. Goethe.


[Beilage.]

Wenn ich die unmittelbaren Anstalten für Kunst und Wissenschaft im Großherzogthum Weimar, welche einer Oberaufsicht übergeben werden sollen, im Einzelnen durchgehe, so findet sich freylich eine größere Menge von Gegenständen, als man bey dem ersten Anblick glauben sollte. Sie sind auf beyliegendem Blatt sub A. nebst dem Personal im Allgemeinen bezeichnet und es wäre hier nicht der Ort das Besondere durchzugehen, daher nur das Nothwendigste, was auf den gegenwärtigen Augenblick Einfluß haben kann.

Die Übersicht so mannigfaltiger Gegenstände wird dadurch erleichtert, daß die Kabinette sowohl als die practischen Anstalten meistens in guter Ordnung sind, auch daß die ihnen vorgesetzten Männer mit Liebe und Fleiß ihre Pflicht leisten. Doch darf man sich nicht verbergen, daß, um alles in Stand und Schritt zu erhalten, die nöthigen Veränderungen, Anordnungen, Einkörperungen nach und nach zu besorgen, Stockungen hinwegzuräumen, Gebrechen zu beseitigen, ja wohl [184] gar neuprojectirte Einrichtungen zu treffen, nicht wenig Aufmerksamkeit und Thätigkeit erfordern wird.

Dabey hat man zu bedenken daß hier von lauter realen, sinnlichen Geschäften die Rede ist, welche nicht anders als durch wiederholte persönliche Gegenwart des Beauftragten zu behandeln und so die vorkommenden Zweifel zu lösen sind, und ich darf hier wohl ohne Anmaßung behaupten, daß in früheren Jahren mein längerer Aufenthalt in Jena zum Wachsthum und der klaren Ordnung, worin sich die Gegenstände befinden, sehr vieles beygetragen.

Da nun in den letzten traurigen Kriegsjahren bey den überhäuften Geschäften meines verehrten bisherigen Mitcommissarius, bey meiner wankenden Gesundheit und daher wiederholten Sommerabwesenheiten ein persönliches Einwirken gehindert und gestört worden; so haben wir, besonders, da Obrist von Hendrich, welcher zehn Jahre in diesem Geschäft getreulich mitgewirkt, von Jena abgegangen, seit beynahe zwey Jahren meinen Sohn den Cammerjunker und Cammer-Assessor beauftragt in unserem Namen und an unserer Statt jenen Geschäften die nöthige Aufmerksamkeit zuzuwenden, welches er wie beyliegendes von ihm geführtes Actenfascikel und unsere Com missionsacten beweisen, treulich besorgt hat. Da ich nun in dem Falle seyn würde mich desselben wie bisher durch Auftrag zu bedienen, so gebe ich anheim, ob es nicht höchst gefällig sey ihn mir förmlich beyzugeben. Er [185] ist von Jugend auf mit diesen Gegenständen bekannt, hat mehrere dieser Anstalten entstehen und wachsen sehen, und hat, da er meine Umgebung selten verließ, an Einsicht in Wissenschaft und Kunst stetig zugenommen. Er steht mit den Vorgesetzten und Local-Aufsehern durchaus in gutem Vernehmen, deren einigen er als Lehrern, andern als Commilitonen verbunden ist. Ferner hat er das Glück ein Mitglied der Großherzoglichen Cammer zu seyn, eines Departements wohin die Museen bey allen Baulichkeiten und neuen Localeinrichtungen sich zu wenden angewiesen sind. Möge dieses alles, so wie die Zeugnisse seiner Vorgesetzten dem Wunsche, den ich hier zu äußern wagte, das Wort sprechen.

Auf ähnliche Weise hat man sich in dem bisherigen Zustand, welcher ohne eigentliche Form, auf einem reinen guten Willen beruhte, auf allerley Weise auszuhelfen gesucht, da wo eigentlich eine kleine Canzley nöthig gewesen wäre. Wir beyde bisherige Commissarien haben Registraturen und Verordnungen zu entwerfen nicht verschmäht, das Gleiche hat mein Sohn seit mehrerer Zeit gethan, auch habe ich mit demselben wie mit dem Bibliotheks-Accessisten Kräuter dictando die nöthigen Expeditionen angefertigt, Abschriften sind sodann manchmal auf den Canzleyen, gewöhnlich aber durch Schreiber in meinem Solde gefertigt worden; deshalb ich denn bey vermehrtem Geschäft Sicherheit, Schnelligkeit und Consequenz zu behaupten, mir in [186] der Person des genannten Kräuters einen Secretär, in der Person eines jetzt aus dem Felde zurückkehrenden John einen Copisten erbitte. Jener verdient eine solche Stelle wegen seiner seit zehn Jahren um einen kümmerlichen Lohn bey Großherzoglicher Bibliothek treulich geleisteten Dienste, wegen Fleißes, Genauigkeit und Zuverlässigkeit; der andere als ein brustkranker Mensch, der bey diesem Feldzuge noch ungesunder geworden, eine gute Hand schreibt und sich zu einem stillen Leben anhaltenden Geschäft gar wohl qualificirt.

Würde diese gebetene Einrichtung, welche eigentlich schon besteht und ohne gegenwärtige Veranlassung wohl noch eine Zeitlang im Stillen fortgeführt worden wäre, höchsten Orts sanctionirt, so wollte ich garantiren daß ein Ganzes gebildet würde, welches die Übersicht des Bestehenden jeden Augenblick möglich machte, das Nöthige mit fortgesetzter Thätigkeit behandelte und eine Repositur zu Sicherung der Einsicht für die Zukunft einrichtete. Zu welchem letzteren die Elemente sorgfältig aufbewahrt, bis jetzt aber noch nicht in Zusammenhang gebracht worden.

Möge es nun schließlich nicht als Anmaßung erscheinen, wenn ich zu Unterstützung des vorstehenden geziemenden Gesuchs bescheidentlich anführe, daß ich zu einer sehr lebhaften Wirkung nach außen seit vielen Jahren genöthigt bin. Weimar hat den Ruhm einer wissenschaftlichen und kunstreichen Bildung über [187] Deutschland, ja über Europa verbreitet; dadurch ward herkömmlich sich in zweifelhaften literarischen und artistischen Fällen hier guten Raths zu erholen. Wieland, Herder, Schiller und andere haben soviel Zutrauen erweckt, daß bey ihnen Art Anfragen öfters anlangten, welche die gedachten Männer oft mit Unstatten erwiderten, oder wenigstens freundlich ablehnten. Mir Überbliebenen, ob ich gleich an solchen Anforderungen und Aufträgen selbst schon hinreichend fortlitt, ist ein großer Theil jener nicht einträglichen Erbschaften zugefallen.

Ich darf kaum hinzusetzen, daß ich durch die Kunstaufgaben und Ausstellungen, durch die Beurtheilungen der eingesendeten Stücke, Vertheilung der Preise und sonstige Wirkungen, gemeinschaftlich mit den theilnehmenden Weimarischen Kunstfreunden, den meisten deutschen Künstlern und Kennern dergestalt bekannt und verwandt geworden bin, daß die Chiffer W. K. F. in der Jenaischen Literaturzeitung als ein Zeichen unserer fortdauernden Bemühungen überall sich einer freundlichen Aufnahme zu erfreuen hat.

Ferner habe ich durch meinen früheren Antheil an gedachter Literaturzeitung mit vielen Gelehrten, besonders auch durch naturwissenschaftliche Bemühung mit einer Anzahl Physikern, Chemikern, Mineralogen und sonstigen Freunden dieser Wissenschaften mich in Berührung gesetzt. Das Theater lockte eine Anzahl dramatischer Schriftsteller heran, durch ästhetische Arbeiten [188] kann ich mit Dichtern und leider auch mit Dichterlingen in Verhältniß, so daß ich nun von allen diesen Geistern keine posttägliche Ruhe habe und viele Zeit wo nicht auf unentgeltliche responsa, doch wenigstens auf ein freundliches Ablehnen verwenden muß.

Damit es aber nicht scheine als ob es in meiner Willkür stehe dergleichen Arbeiten zu übernehmen, so sey es mir erlaubt der zwey neusten Fälle zu gedenken.

Die unmittelbare Vorsprache der Erbgroßherzogin von Mecklenrurg-Schwerin Königl. Hoheit mußte mir ein Befehl seyn meine Theinahme einer jenen Gegenden bedeutenden Unternehmungen nicht zu entziehen. Die Großherzogl. Mecklenburgischen Landstände gedenken dem Fürsten Blücher zu Rostock, als seinem Geburtsort, ein Denkmal zu errichten; schon ist man so weit einig daß ein Standbild dieses Helden durch Director Schadow ausgeführt werden soll, mit welchem ich deshalb, besonders wegen Hin- und Hersendens der Modelle, wovon das letzte unterwegs zu Grunde gegangen, in einer bedenklichen Correspondenz stehe.

Herr Staatsminister von Schuckmann hatte vernommen, daß ich von Kunst und Alterthum in den Rhein-und Mayngegenden einen Aufsatz unter Handen habe und ich konnte ihm den die preußischen Staaten betreffenden Theil nicht versagen; weil aber diese Blätter nur dasjenige enthalten was allenfalls öffentlich[189] geäußert werden kann, so mußte ich darüber weitere Auskunft geben, und bin beschäftigt an mich erlassene Fragen aufrichtig und umständlich zu beantworten.

In diesen beyden, so wie in den unzählbaren vorhergehenden Fällen werde ich mich mit der Ehre zu begnügen haben gegen das liebe deutsche Vaterland als Facultät und Ordinarius um Gotteswillen mich einwirkend zu verhalten.

Da ich mich nun in solchen Verhältnissen wohl nicht mit Unrecht als öffentliche Person ansehen darf, so wird mir nicht verargt werden wenn ich einige Erleichterungen von Staatswegen in bescheiden gebetener Maaße mir schmeichln darf.

Verzeihung erbittend wegen dieser dem Gegenstande nicht ganz fremder Erörterung, gehe ich auf das mir künftig untergebene hoffende und zum Theil schmachtende Personal mit Zuversicht über.

d. 18. Dec. 1815

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-705F-1