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An Carl Cäsar von Leonhard

Ew. Hochwohlgeboren

erhalten hierbey das angekündigte Packet, wegen dessen Verspätung ich um Verzeihung bitten muß. Der Catalog ist zu lange bey mir liegen geblieben, die Glocke schon längst bereit und nun gar die [146] Weimarischen Feyerlichkeiten völlig veraltet, welches letztere ich vorzüglich bey Gönnern und Freunden zu entschuldigen bitte; mögen die Dinge wenigstens als ein schwaches Zeichen eines dankbaren Andenkens gelten. Mein glücklicher und fröhlicher Aufenthalt am Rhein, Mayn und Neckar ließ mich vergessen, was alles auf mich zu Haus warte, und meine kleine Canzeley, durch Landesbewaffnung verwaist, mußte auch erst wieder hergestellt werden; auch überall Nachahmer finden. Unter den besten Empfehlungen an Ihre Frau Gemahlin sey ich auch zum allerschönsten empfohlen.

gehorsamst

Weimar den 14. Jan. 1815.

Goethe.


[Beilage.]

[Concept.]

Anleitung

Schillers Glocke

dramatisch darzustellen.

Als das Schillersche didacktisch, lyrische Gedicht,die Glocke durch eine dramatische Bearbeitung belebt, und zur Theatervorstellung geeignet werden sollte; so mußte man solches in Rollen vertheilen, bey welchen die verschiedenen Alter und Charaktere der Schauspieler der Weimarischen Bühne mit den zu sprechenden Versen in Einklang gebracht, und dadurch die verschiedenen [147] nur im Allgemeinen ausgesprochenen Gegenstände und Gesinnungen schicklichen Personen zugeeignet und gleichsam individualisirt würden. Wenn also ein anderes Theater eine Darstellung dieser Art versuchen will, so bedarf es nur einer Anleitung, wie sie hierbey nebst der Abschrift des Gedichts erfolgt. Über den verschiedenen Stellen stehen die Namen unserer Schauspieler, von denen ich nur wenig zu sagen brauche, um zu einer einsichtigen Vertheilung der Rollen auf einer andern Bühne Anlaß zu geben.

Herr Graff. Ein wohlgebildeter Mann, von mittlern Jahren, erhielt die Rolle des Meisters. Er spricht sehr gut, deutlich und bedeutsam, und spielt die Rollen des Nathan und Abbé L'Epée mit vielem Beyfall.

Herr Malcolmi, in hohem Alter, welcher die gutmüthigen Väter bis jetzo noch immer zur Zu friedenheit des Publicums spielt; ihm ward die Rolle des ersten Altgesellen übertragen.

Herr Frey, der gute, weichmüthige Alte, z.B. denJacob, im Joseph in Egypten, recht gut vorträgt, stand als 2ter Geselle dem Meister zur Seite.

Herr Haide. Ein kräftiger Mann, in mittlern Jahren, der den Tell, den Cunz Curuth [148] und dergleichen mit großem Beyfall spielt, stand als 3ter Gesell in der Reihe.

Herr Unzelmann. Ein schlankgebildeter heiterer junger talentvoller Mann als der 4te.

Diese 5 Figuren nahmen sich, durch die Contraste und Abstufungen ihrer Charaktere und ihres Alters, sehr gut neben einander aus. Während der Strophe des Meisters: »Weiße Blasen seh ich springen« traten 2 junge Frauenzimmer, auf altdeutsche Weise bürgerlich gekleidet, herein und betrugen sich zu den Männern wie Tochter und Gattin.

Dlle. Häßler. Jung und wohlgebildet, als Sängerin eine schöne Altstimme, die sich auch bey der Recitation ernst und angenehm beweist.

Madame Lortzing. Zierliche Gestalt, deutliche und angenehme Sprache.

Bey der Strophe des Meisters: »Wie sich schon die Pfeifen bräunen« traten abermals 4 Frauenzimmer herein und gruppirten mit den Übrigen.

Dlle. Engels. Altdeutsch bürgerlich, und mütterlich gekleidet. Jeder ernste Vortrag gelingt ihr sehr gut in der Tragödie, so wie im Schauspiele.

Dlle. Genast. Jung, munter, dießmal ländlich gekleidet.

[149] Louise Beck und

Sophie Teller, Frauenzimmer unter 13 Jahren, ländlich gekleidet.

Die genannten 6 Frauenzimmer standen neben einander vorn auf dem Theater, indessen die Meister und die Gesellen sich hinten am Ofen beschäftigten.

Nach den Worten: »Und das Unglück schreitet schnell« traten mehrere Personen herein. Alle diejenigen, die nun für Zuschauer galten, ordneten sich auf beyden Seiten. Nach den Worten: »Betet einen frommen Spruch« ward ein schicklicher Choral gesungen, welcher nach den Worten: »Schießt's mit feuerbraunen Wogen« abermals einfiel, indessen das Metall sich in die Form verlor. Nun folgt die Declamation der Feuersbrunst; diese Stelle muß sehr gut eingelernt werden, daß die verschiedenen Stimmen alle in einem Geiste und gleichsam aus einem Munde sprechen. Die hier zum erstenmal zur Sprache gelangenden Schauspieler sind folgende:

Caroline Wolff, ein Kind.
Herr Wolff, ein Schauspieler voll Gefühl, angenehmer Stimme, der den Tasso spielt.
Herr Deny, ein kräftiger wohlgebildeter junger Mann, in der Oper den Baß singend.
Herr Lortzing gesetzt und deutlich sprechend.
" Strobe gleichfalls, in der Oper Tenorist.
" Molke gleichfalls, auch Tenorist.

[150] Dieses wären nun alle Personen, welche mitgewirkt. Liest man, gegenwärtiges Blatt zur Hand, das mitkommende Manuscript durch, so wird man die Ursachen einsehen, aus welchen Gründen die verschiedenen Stellen den charakterisirten Personen zugetheilt werden, und es fällt noch mehr auf, wenn die Rollen ausgeschrieben sind. Es kann, wenn man auch nicht gerade das Gedicht auf das Theater bringen will, doch auch in dieser Vertheilung eine sehr angenehme, gesellige Unterhaltung gewähren. Auf Verlangen werde gern auch wegen dem Arrangement des Theaters und wegen des Epilogs das Nähere mittheilen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Carl Cäsar von Leonhard. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-70DD-3