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An Amalie von Levetzow

Also wieder ein Ausrufungs Zeichen – ¡ – und zwar ein umgekehrtes. Denn fürwahr so wie jenes gemeinsame Blättchen mich entzückte so betrübt mich die letzte Nachricht, und wie dort so kann ich jetzt auch keine Worte finden.

Es trifft zu, ich bin jenes Tages an der Post vorbeygefahren, habe Personen am Thor stehende begrüst, aber nicht gedacht daß ich ganz andre dort hätte begrüßen sollen. Ich will nun auch nicht mehr an Vorahnungen und sonstiges geheimes Andeuten im mindesten glauben da so viel Schönes und Liebes unempfunden bey mir vorüber gehen können.

Indessen ich mir einen Augenblick wünschte recht herzlich auszusprechen wie schön mich die vierfache Zuschrift entzückt hatte, wie ich so ganz mich unter Sie versetzt fühlte als Sie den zierlichsten Gedancken ausführten und mit niedlicher Schrift ein wahres Familienwohlwollen so lieblich ausdrückten. Zweifelten Sie aber in der Folge, vielleicht nicht unbillig an meinen unwandelbaren Gesinnungen, so möcht ich doch zu meinem Troste dencken: dieser Zwiespalt sey nicht ganz einstimmig gewesen, ein und das andere holde Gemüth habe zu meinem Gunsten gesprochen. Und so möcht' ich wohl Ulriken, das sanfte ruhige Kind, auf ihr Gewissen fragen: ob Ihr nicht irgend etwas zu[274] meinem Vortheil aufgegangen sey? Ganz gewiß war hie und da in dem einzelnen Herzen etwas das mich lossprach wenn der ganze Kreis mich verdammte.

Und wie sollt ich nun von den Hindernissen sprechen, die mir eine ruhig besonnene

(Die Fortsetzung folgt.)

treulichst

Weimar d. 18 Octbr 1824.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1824. An Amalie von Levetzow. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7327-5