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An Ludwig Wilhelm Cramer

[Concept.]

Ew. Wohlgeb.

glauben ja nicht, daß eine undankbare Vergessenheit Schuld sey, daß Sie so lange nichts von mir vernommen; vielmehr geben die schönen Naturproducte, welche ich Ihnen schuldig bin, mir bey eigener Belehrung und bey'm Vorzeigen an Freunde genugsame Gelegenheit mich Ihrer Güte zu erinnern, wodurch Sie mir Wiesbaden zum wahren Cur- und Lustort geschaffen haben.

Es klingt zwar sonderbar, aber es hat doch seine Richtigkeit, aß die längere Dauer des Wiener Congresses [136] auch auf Privatgeschäfte, die mit den öffentlichen in gar keiner Verbindung zu stehen scheinen, einen ungünstigen Einfluß hat. Die bedeutendsten Männer, mit denen man in einigem Verhältnisse steht, werden dort in so wichtigem Interesse festgehalten, daß man nicht wagt sie auf wissenschaftliche Dinge, welche sie sonst so gerne fördern, in diesem Augenblicke aufmerksam zu machen. Wie sehr hätt ich gewünscht wegen Ihres Kabinetts, das Sie zu veräußern gedenken, etwas Günstiges melden zu können, allein es ist in dem Augenblicke, weder bey Fürsten noch Ministern, die rechte Stunde. Was die Akademie Jena betrifft, so besitzen wir daselbst eine vollständige systematische Sammlung, auch fehlt es nicht an lehrreichen Suiten, und sodann ist der Landtransport bey solchen Gegenständen kostbar und gefährlich.

In diesen Betrachtungen, um nicht ganz unthätig zu seyn, habe ich mich mit diesem Anliegen nach Heidelberg gewendet; auf dieser sonst so schön dotirten Akademie fehlt gerade eine mineralogische Sammlung und wenn man mit Ew. Wohlgeboren einig würde, so könnte das Kabinett zu Wasser bis an das Gebäude gebracht werden, wo es aufzustellen wäre. Ich habe daher die Abschrift Ihres Catalogs an Prof. Schelver gesendet und ihn ersucht, die Sache zu überdenken, und sie dem Herrn Minister von Reizenstein Excellenz zu empfehlen; und dieses habe ich Ew. Wohlgeboren [137] fördersamst melden und überlassen wollen, ob Sie sich mit gedachtem Herrn Professor Schelver in Verhältniß setzen möchten, welchem selbst viel daran gelegen seyn muß, sich in seinem Lehrfach dergestalt unterstützt zu sehen.

Ferner ist mir ein Gedanke beygegangen, ob Sie nicht, durch den Weg des mineralogischen Taschenbuches des Herrn Geh. Rath Leonhard, das Publicum mit dem Kabinett und Ihrer Absicht bekannt machen wollten. Es hat nämlich genannter thätige Naturfreund gewünscht, daß die Besitzer von bedeutenden Kabinetten einen gedrängten Catalog ihm einsenden und die Bekanntmachung dem benannten Journale vergönnen möchten. Auch hat derselbe einen Anfang gemacht, Notiz von seiner eigenen Sammlung zu geben. Das Manuscript, welches mir Ew. Wohlgeboren eingehändigt, könnte gleich dazu dienen, und man könnte alsdann Personen von Einfluß auf die gegebene Nachricht aufmerksam machen, und daß das Kabinett vortrefflich sey bezeugen.

Herr Geheime Legationsrath Struve z.B. würde sich gewiß für die Sache interessieren.

Soviel für dießmal, damit Ew. Wolgeb. nur sehen, daß Ihre Wünsche und Absichten, so wie Ihre Güte und Gefälligkeit bey mir unvergessen sind. Darf ich bitten mich den werthen Ihrigen, hohen Gönnern und theuern Freunden zu empfehlen, und mir bald von Ihrem Befinden einige Nachricht zu [138] geben. Versäumen Sie dabey ja nicht mir zu erzählen wie Sie Ihren Winter zubringen, und welche Societät sich dießmal in Wiesbaden versammelt hat. Ich theile kein bedeutendes Stück aus, ohne an die schöne und talentreiche Tischnachbarin zu denken, die ich damals mit meiner Contractszudringlichkeit in einige Apprehension versetzte; auch ihr empfehlen Sie mich schönstens.

Mich geneigtem Andenken wiederholt empfehlend.

Weimar den 8. Jänner 1815.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Ludwig Wilhelm Cramer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-738C-1