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An Cornelie Goethe

d. 12 Octbr 1765.

Liebes Schwestergen

Es wäre unbillig wenn ich nicht auch an dich dencken wollte. id est es wäre die größte Ungerechtigkeit die jemahls ein Student, seit der Zeit da Adams Kinder auf Universität gehen, begangen hätte; wenn ich an dich zu schreiben unterließe.

Was würde der König von Holland sagen, wenn er mich in dieser Positur sehen sollte? Rief Hr. von Bramarbas aus. Und ich hätte fast Luft auszurufen: Was würdest du sagen Schwestergen; wenn du mich in meiner jetzigen Stube sehen solltest? Du würdest astonishd ausrufen: So ordentlich! so ordentlich Bruder! – da! – thue die Augen auf, und sieh! – Hier steht mein Bett! da meine Bücher! dort ein Tisch aufgeputzt wie deine Toilette nimmermehr seyn kann. Und dann – Aber – ja das ist was anders. Eben besinne ich mich. Ihr andern kleinen Mädgen könnt nicht so weit sehen, wie wir Poeten. Du must mir also glauben daß bey mir alles recht ordentl. aussiehet, und zwar auf Dichter Parole. Genug! Hier schick ich dir eine Messe. – Ich bedancke mich schön. – Gehorsamer Diener, sie sprechen davon nicht. – Küsse Schmitelgen und Runckelgen von meinetwegen. die lieben Kinder! denen 3 Madles von Stocküm mache [8] das schönste Compliment von mir. Ifr. Ricklef magst du gleichfalls grüßen. Sollte Mademoisel Brevillier dich wieder kennen? So weit von Mädgen. Aber noch eins. Hier habe ich die Ehre keines zu kennen dem Himmel sey Danck! Cane pejus et angue turpius.

Mit jungen schönen W – doch was geht dich das an! Fort! fort fort! Gnug von Mädgen.

Denck eine Geschichte vom Hencker! – Ha! Ha! Ha! – lache! – Hr. Claus hat mir einen Brief an einen hiesigen Kaufmann mitgegeben! – Ich ging hin es zu bestellen. Ich fand den Mann und sein ganzes Haus ganz sittsam! – schwarz und weiß. die Weibsleute mit Stirnläppgen! so seitwärts schielerlich. Ach Schwestergen ich hätte bersten mögen. Einige Worte in sanfter und demühtiger Stille gesprochen, fertichten mich ab. Ich ging zum Tempel hinaus. Leb wohl

Goethe.


d. 13. October.

Ha! Ha! Ha! – Schwestergen du bist erz närrisch. ich habe gelacht. Reinecke der Fuchs Ha! Ha! Ich habe über das ganze Heldengedicht nicht so gelacht wie über deinen Rost der Fuchs und der Stallmeister sein Bruder. Warrlich ich schreibe kein Trauerspiel. Wenn Voltaire gewust hätte daß er so sollte aufgeführet werden, wer weiß! – la! la! la! wenn Rostens Haar Feuer gefangen hätte! Ha! da wäre es gegangen wie[9] dort da mann einst in der Provinz Zairen fürstellte. Es fiel ein Licht herab und Oroßmanns Turban fing an zubrennen. Die Comödiantin welcher das seidene Sacktuch gehörte wovon die Kopfbinde verfertiget war sprang herfür rupfte dem Sultan die Haube vom Kopfe und löschte! – Aber – Ha! Ha! ich kan für lachen nicht mehr Ha! Ha! –


Nach Schrift an den Vater.

Hrn. Raht Lange habe ich nur ein einzigmahl gesehen. Er scheint ein störriger wunderlicher Mann zu seyn aber nicht grob. Sie ist die höflichste artigste Frau der Welt. Dr Francken hab ich gesprochen seine Mienen Sein Gesicht seine Handlungen seine Seele stimmen alle darin überein daß sie insgesammt aufrichtig sind. Der beste Mann von der Welt. Multarum rerum hic notitiam aquisivi. Multas narravit, quas ex ore tam sincero audire noluissem. Multas de quarum veritate libentissime si possem dubitare vellem – Die Universität! – Der Hof! – Nescire expedit. Den Brief à Küstner empfing und bestellte. Ich ward höflich empfangen Wenn sie Schöff Olenschl. sehen dancken sie ihm ja, daß er mich zu Pr Böhmen wieß. Par ipsi rependere nequeo. Mich dünckt daß ich in meinem Brief den Orckan bemerkt habe, er war unerhört. Hier deckte er die Buden ab. Fr Profeßor Böhme sorgt mit für meine Haußhaltung. Schleifer [10] daß ist erschröckl. Ich muß mit dem guten Papier spaarsam seyn. ich habe wenig drum nehm ich schlechtes.

Ich werde an den alten Recktor schreiben. Es wird mir nicht schweer fallen. Ich thue jetzt nichts als mich des Lateins befleisen! – Noch eins! sie können nicht glauben was es eine schöne sache um einen Professor ist. Ich binn ganz enzückt geweßen da ich einige von diesen leuten in ihrer Herrlichkeit sah. nil istis splendidius, gravius, ac honoratius. Oculorum animique aciem ita mihi perstrinxit, autoritas, gloriaque eorum, ut nullos praeter honores Professurae alios sitiam. Vale. Vale.


Schwestergen.

Sage Ifr Tanten dass ich ehestens an sie schreiben werde. An die liebe Ifr Meixnern, mache das schönste Compliment das du in deinem Köpfgen gedencken kanst. »Mein Bruder läßt sie grüßen« das ist nichts. Ube deine Erfindungskraft du hast ja sonst gute Einfälle. Schreibe mir bald Engelgen. Aber nichts mehr von Füchschen und stallmeistern sonst verplatz ich. Und was wäre das Schade wenn der am lachen stürbe der sich noch jezo ganz ernsthaft nennen kann

Deinen Lieben Bruder Goethe [11]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1765. An Cornelie Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7745-5