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An Charlotte von Stein

[Kochberg, Weißenburg und Weimar,

12. – 17. Juli 1777.]

Kochberg Sonnabend d. 12. Jul. früh 8 Uhr. Mir ists diese Woche in der Stadt wieder sehr wunderlich gangen ich habe mich gestern herausgeflüchtet, bin um halb sechs zu fuß von Weimar abmarschirt und war halb 10 hier, da alles schon verschlossen war und sich zum Bett gehn bereitete. Da ich rief ward ich von der alten Dorthee zu erst erkannt und mit grosem Geschrey von ihr und der Köchinn bewillkommt. Kästner kam auch mit seinem Pfeifgen herab und Carl der den ganzen Tag behauptet hatte ich würde kommen, Ernst der schon im Hemde stand zog sich wieder an, Friz lag schon im Schlafe. Ich tranck noch viel Selzer Wasser wir erzählten einander unsre Wochen Fata, die [163] Zeichnungen wurden produzirt, und iezzo solls weiter dran adieu beste.

Abends 9. Weissenburg wir sind wieder herüber marschirt und werden beym Pachter schlafen! nun ich habe heut den Göttern sey danck von 8 Uhr früh bis Abends 8 gezeichnet, in Kochberg und hier immer mit gleicher Freude, und gleicher Hoffnung dass es Ihnen auch Freude machen soll, so wenig Hoffnung dazu ist! denn wenn die Natur Sie nicht mehr freut wie soll Sie mein stammeln dran vergnügen. Gnug auf dem Papier sind allerley treue gute Augenblicke befestigt, Augenblicke in denen immer der Gedancke an Sie über der schönen gegend schwebte. die Nacht ist ganz herrlich durch das weite Thal. die Jungens sehr lustig und vergnügt ihrer Wandrung, sie wickeln sich auf und bereiten sich zu Bette. Gute Nacht Beste.

Sonntag früh 10. In der Höhle von Weissenburg. Wir haben uns herausgesezt und gezeichnet, es fängt ein Regen an und ich sezze mich unter einen Busch Ihnen guten Morgen zu sagen. Der Tag ist grau aber schön! wie schön die Nacht war und der Mond auf der Saale im Thal lässt sich nicht sagen.

Weimar. Donnerstag d. 17. Jul. Der erste schöne Tag seit ich von Kochberg zurück bin. Hier sind ein Paar Briefe von den Affen. Ich höre dass es mit Steinen besser geht, das ist mir sehr lieb. Von mir [164] ist nichts zu sagen, das Wetter hält uns alle gefangen in Catharren, Zahnweh und Unbehaglichkeit. dieses schreib ich unter den Bäumen in meinem Garten, es ist schön, doch feuchtlich warm. Der Herzog ist wohl sonst seh ich niemanden. Hier kan ich auch nicht zeichnen. Neulich dacht ich so auf der Weissenburg da ich mir's so angelegen seyn lies und so viel Freude dran hatte: Wenn sie nun wieder kommt und sie nichts freut wozu solls alles! – Adieu.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1777. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7913-5