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An den Herzog Carl August

Carlsbad, den 27. Juny 1811.

Ew. Durchlaucht

gnädiges Schreiben hat mein Bedauern über den unserer geliebten und verehrten Herzogin begegneten Unfall erneuert und vermehrt; ich hatte von den hier angelangten Weimaranern das allgemeine vernommen. Möge die Hoffnung, die man uns giebt, in ihrem ganzen Umfange bald realisirt werden! – Dergleichen[121] Unfälle führen Einen immer auf die Betrachtung, daß es so viel zufälliges Unglück, so wenig zufälliges Glück gebe, und daß wir deshalb wohl Ursache haben, an den unvergänglichen Gütern der Liebe, Neigung und Freundschaft festzuhalten.

Ew. Durchlaucht sind nun ohne Zweifel von guter und unterhaltender Gesellschaft umgeben. Carlsbad hat sich sehr angefüllt; indeß die erste Generation sich schon wieder zum Schreiben vorbereitet, werden immer neue Gäste angemeldet und antrompetet. In den Sälen giebt es allerley Picknicks; gestern hab' ich einem sächsischen beygewohnt.

Eine Partie nach Schlackenwalde hat mir viel Vergnügen gemacht. Es war mir interessant, einen so wichtigen und seltnen Naturpunkt auch nur oberflächlich zu betrachten. Das Vorkommen des Zinns wird wohl immer den Geologen wo nicht ein Räthsel doch gewiß ein Zankapfel bleiben.

Wenn Friedrich Schlegel's Vorlesungen über die neuere Geschichte Ew. Durchlaucht noch nicht zu Händen gekommen sind, so will ich sie empfohlen haben. Man könnte das Buch für eine Parteyschrift halten; aber es ist trefflich gedacht und geschrieben, mit so schöner Kenntniß als Umsicht. Es treffen bey ihm so manche Eigenschaften und Umstände zusammen, die ein solches Werk möglich machten.

Einige merkwürdige Bekanntschaften habe ich gemacht, zwar nur vorübergehende, aber genugsam belehrende. [122] Wichtig genug ist es, was man von solchen Männern erfährt, wenn es nur einigermaßen erfreulicher wäre.

Morgen früh denke ich, hier abzugehen und den July in Jena zu verweilen. Hoffentlich finden Ew. Durchlaucht bey Ihrer Rückkehr die bisher zerstreuten und leider nur zu oft umgestellten Sachen an einem bequemen und geräumigen Ort beysammen. Auch wird ja wohl die Wohnung fertig und bereit seyn, Sie aufzunehmen.

Mögen Sie gestärkt und von so manchen Übeln befreyt zu uns zurückkehren. Freylich muß man sich immer nach einer solchen Brunnen- und Bade-Kur gestehen, daß man nicht von der fontaine de jouvence zurückkommt.

Mit den aufrichtigsten und lebhaftesten Wünschen für Ihr Wohl empfehle ich mich zu fortdauernden Hulden und Gnaden.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-79F4-9