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An Carl Friedrich Moritz PaulGraf von Brühl

Das hätte Paläophron wohl nicht zu denken sollen, daß er nach so langen Jahren abermals ein Festspiel[290] seines Dichters durch persönlichen Einfluß begünstigen, und ihm einen entschiedenen Beyfall erringen werde.

Schon ward ich, durch die Berliner Zeitung, aufmerksam, wie man das Publicum auf dieses problematische Stück sehr wohlbedacht, vorbereitet habe. So kam mir auch das Vorwort bald zu Händen. Einzelne gute Nachrichten gingen ein, bis denn zuletzt, durch Ihre Vorsorge, Herr Professor Levezow, von allem Vorgegangenen und Geleisteten umständlichst unterrichtete, und mich dadurch möglichst an Ort und Stelle versetzte. Und so will ich denn gern gestehn, daß, ob ich gleich niemals großes Verlangen trug, einer Vorstellung meiner Stücke beyzuwohnen, ich mir doch, um dieses nicht zu versäumen, Fausts Mantel recht sehnlich gewünscht habe.

Überzeugen Sie Sich, mein trefflicher Freund! daß ich den gefühltesten Dank deshalb in meinem Herzen verwahre, und solchen, insofern es in meinen Kräften steht, auch in der Folge theilnehmend zu bethätigen wünsche, wie ich denn überhaupt allem, was Sie im Einzelnen des Stücks, bey allenfalls wiederholter Aufführung anordnen werden, zum voraus meinen unbedingten Beyfall zusichere.

Wie glücklich die höhere Stelle, welche Sie bekleiden, auf Theater und Publicum wirken muß, ist gar nicht berechnen, dieß zeigt der einzelne Fall, wo Sie höchsten Orts einige Bedenklichkeiten sogleich mit wenigen Worten auflösen und zurechtlegen konnten.

[291] Und gerade ist dieses der Punct, auf welchen ich Sie im Stillen Ihre Aufmerksamkeit zu richten bitte. Ma hat die höheren Forderungen der Poesie, die sich eigentlich auf dem Theater nur symbolisch oder allegorisch aussprechen können, der Tragödie und Comödie durchaus verkümmert, und alles was nur einigermaßen die Einbildungskraft in Anspruch nimmt, in die Oper verwiesen, und auch hier hat sich die Prosa des Trauer- und Lustspiels, ja des Dramas nach und nach eingeschlichen, daß die Geister selbst oft die prosaische Figuren von der Welt sind.

Diese Richtung, in welcher sich Autoren, Schauspieler Publicum wechselsweise bestärken, ist nicht zu ändern, ja ihr nicht gerade entgegenzuarbeiten; aber sie zu lenken und zu leiten geht doch an, und wenn man es nur im Einzelnen thut; hierzu habe ich früher die Masken, später die spanischen Stücke gebraucht. Es ist aber immer eine Gefahr dabey.

Mit Ihrer Anordnung, welche den Besitz der Rollen aufhebt, haben Sie nicht einen großen, sondern den ersten Schritt gethan. Ein Stück ist halb gespielt, dessen Rollen zur Individualität der Schauspieler passen, wodurch denn freylich die Kunstbemühungen sich in mehrere Gestalten zu verwandeln, nicht ausgeschlossen werden. Auch habe ich Ihre Anordnung sogleich hier pro notitia publicirt. Bey uns kommt aus vielen zusammentreffenden Umständen jenes [292] Übel nicht so sehr zur Kraft, im Einzelnen suche ich's durch Negotiationen abzuthun.

In's Morgenblatt habe ich einige Betrachtungen gegeben, denen ich Ihre Aufmerksamkeit erbitte.

Auf einer Sommerreise hoffe ich soviel Freyheit des Geistes zu gewinnen, um die vorseyende Oper zu fördern. Ich habe ein Sujet, dem ich einiges Glück verspreche, man muß nur sehen, ob es unter der Arbeit die Probe hält.

Ich höre daß Proserpina nach Berlin verlangt worden, und bitte einem Aufsatz im neusten Stück des Bertuchischen Mode-Journals einige Aufmerksamkeit zu schenken. Wird jedoch mit Ernst an die Aufführung gedacht, so erbiete mich zu einer nähern Erklärung, wie es eigentlich mit der neuen Verkörperung dieses abgeschiedenen Theatergeistes gemeint sey. Das Gelingen der Vorstellung hängt von gar manchen Bedingungen ab.

Zur Aquisition des Herrn Devrient wünsche Glück, ich habe sehr viel Gutes von ihm gehört.

An Faust wird schon seit einigen Jahren probirt, es hat aber noch nicht gelingen wollen. Er steht gar zu weit von theatralischer Vorstellung ab. Man müßte vieles aufopfern, das aber auf andere Weise zu ersetzen, dazu hat Geist und Humor nicht hinreichen wollen. Jedoch darf ich nicht verhehlen, daß wir im Begriff stehn eine Probe zu machen, und zwar folgendermaßen:

[293] Ich habe die beyden ersten großen Monologe von Faust in's Engere gezogen, und überdieß die Scene zwischen ihm und Wagner herausgeworfen, so, daß vom Anfang:

Habe nun, ach! Philosophie pp.

bis zu den Schlußworten des Chors:
Euch ist der Meister nah,
Euch ist er da!

das Monodram in einem fortgeht, und durch die Erscheinung des Geistes unterbrochen wird.

Die Absicht ist, Fausten mit seltner musicalischer Begleitung recitiren zu lassen, die Annährung und Erscheinung des Geistes wird melodramatisch behandelt, das Schlußchor melodisch, woraus denn ein kleines Stück entsteht, welches etwas über eine halbe Stunde dauern mag. Unserm Oels ist die Rolle des Faust zugedacht; wie es gelingt, werde anzuzeigen nicht verfehlen. Vielleicht daß sich hieran noch einige andre Scenen schließen, und wer weiß, wohin es führen kann!

Herr Geh. H. R. Kirms giebt mir Nachricht daß Sie, verehrter Freund, den Beyfall den Sie meiner Arbeit gaben auch noch, zum Überfluß, durch goldene Zeugniße bekräftigen wollen, wofür ich den verbindlichsten Danck erstatte.

Gedenken Sie mein gelegentlich in Gegenwart Ihrer liebenswürdigen Gemahlinn; so weiß ich daß es zur guten Stunde geschieht.

[294] Haben Sie die Güte mir die Folge Ihrer Anordnungen mitzutheilen und bleiben meiner aufrichtigen Theilnahme versichert.

W. d. 1. May 1815.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Carl Friedrich Moritz PaulGraf von Brühl. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7C8F-8