1770

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An Anna Katharina Schönkopf

Frankf. d. 23. Jan. 1770.

Meine liebe Freundinn,

Wahrhafftig es war mein ganzer Ernst da ich meinen letzten Brief schriebe, keine Feder wieder anzusetzen, Ihnen zu schreiben; Aber, war sonst auch offt mein ganzer Ernst, etwas nicht zu thun, und Räthgen konnte mich es thun machen wie es ihr beliebte, und wenn die Frau Docktorinn eben die Gabe behält, nach ihrem Köpfgen die Leute zu gouverniren, so werd ich auch wohl an Mad. Canne schreiben müssen, und wenn ich es auch tausendmal mehr verschworen hätte, als ich es gethan habe. Wenn ich mich recht erinnere so war mein letzter Brief einigermassen in einer traurigen Gestalt, dieser geht schon wieder aus einem noch munterern Tone, weil Sie mir biss auf Ostern Aufschub gegeben haben. Ich wollte Sie wären kopulirt und Gott weiss was noch mehr. Aber im Grunde schiert mich's doch, das können Sie sich vorstellen.

Ich weiss nicht ob Sie die Bücher von mir bekommen haben. Es war nicht zeit sie einbinden zu lassen. Und das kleine französche lassen Sie sich rekommandirt seyn. Sie haben eine Uebersetzung davon, und ich weiss doch dass sie ein bissgen Französch lernen.

[223] Dass ich ruhig lebe, das ist alles was ich Ihnen von mir sagen kann, und frisch und gesund, und fleisig, denn ich habe kein Mädgen im Kopfe. Horn und ich sind noch immer gute Freude, aber wie es in der Welt geht, er hat seine Gedancken, und seine Gänge, und ich habe meine Gedancken und meine Gänge, und da vergeht eine Woche und wir sehen uns kaum einmal.

Aber alles wohl betrachtet, Franckfurt binn ich nun endlich satt, und zu Ende des Merzens geh ich von hier weg. Zu Ihnen darf ich nun noch nicht kommen das merck ich; denn wenn ich Ostern käme so wären Sie vielleicht noch nicht verheurahtet. Und Käthgen Schönkopf mag ich nicht mehr sehen; wenn ich sie nicht anders sehen soll, als so. Zu Ende Merzens geh ich also nach Strasburg, wenn Ihnen daran was gelegen ist, wie ich glaube. Wollen Sie mir auch nach Strasburg schreiben? Sie werden mir eben keinen Possen thun. Denn Käthgen Schönkopf – nun ich weiss ia am besten, dass ein Brief von Ihnen mir so lieb ist als sonst eine Hand.

Sie sind ewig das liebenswürdige Mädgen, und, werden auch die Liebenswürdige Frau seyn. Und ich, ich werde Goethe bleiben. Sie wissen was das heisst. Wenn ich meinen Nahmen nenne, nenne ich mich ganz, und Sie wissen, dass ich, so lang als ich Sie kenne, nur als ein Theil von Ihnen gelebt habe.

Ehe ich von hier weg gehe, sollen Sie das restirende [224] Buch bekommen; und einen Fächer und ein Halstuch bleibe ich Ihnen schuldig biss ich aus Franckreich zurückkomme.

In Strasburg werde ich bleiben, und da wird sich meine Adresse verändern wie die Ihrige, es wird auf beyde etwas vom Doctor kommen.

Von Strasburg Ziehe ich nach Paris, und hoffte mich da sehr wohl zu befinden, und vielleicht eine gute Zeit da zu bleiben. Und hernach – das weiss Gott, ob daraus was wird. Nun auf Ostern wird dann hoffentlich Ihre Verbindung vorsich gehen. Eh nun wenn es Ostern nicht ist so ist's Michäl, und wenn es ja Michael nicht geschähe, so häng ich mich gewiss nicht.

Wenn ich Ihnen den Fächer und das Halstuch selbst brächte, und noch sagen könnte Mdlle Schönkopf ober Käthgen Schönkopf wie sich's nun weissen würde. Eh nun da wär ich auch Docktor und zwar ein französcher Docktor. Und am Ende wäre doch Fr. Docktor C. und Fr. Docktor G. ein herzlich kleiner Unterschied.

Inzwischen leben Sie schöne wohl und grüssen Sie mir Vater Schönckopf und die liebe Mutter und Freund Petern.

Mit Breitkopfs binn ich fast aus aller Connexion, wie mit aller Welt. Ich habe zwar, erst kurz Briefe, aber es ist mir nicht um's Herz zu antworten.

Stenzel liebt noch den Riepel den Pegauer zum[225] Sterben, mir kömmt es einfältig vor, und ärgerlich, Sie können Sich dencken warum.

Die Trauben sind sauer sagte der Fuchs. Es könnte wohl noch gar am Ende eine Ehe geben, und das wär ein Specktackel, aber ich wüsste doch noch eine Ehe, die ein noch ein grösserer Specktackel wäre. Und doch ist sie nicht unmöglich, nur unwahrscheinlich.

Wir haben uns hier schön eingericht. Wir haben ein ganzes Haus, und wenn meine Schwester heurahtet, so muss sie fort, ich leide keinen Schwager, und wenn ich heurahte so theilen wir das Haus, ich und meine Eltern, und ich kriege 10 Zimmer alle schön und wohl meublirt im Franckfurter Gusto.

Nun Käthgen, es sieht doch aus als wenn Sie mich nicht mögten, freyen Sie mir eine von Ihren Freundinnen, die Ihren am ähnlichsten ist. denn was soll das herumfahren. In zwei Jahren binn ich wieder da. Und hernach. Ich habe ein Haus, ich habe Geld. Herz was begehrst du? Eine Frau!

Adieu liebe Freundinn. Heut war ich einmal lustig, und habe schlecht geschrieben. Adieu meine beste.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1770. An Anna Katharina Schönkopf. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7EE6-E