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An Carl Friedrich Zelter

Unsre Angelegenheit, mein Theuerster, ist nun der juristischen Werkstatt übergeben, wo sie hoffentlich bald fix und fertig für künftige Zeiten dauerhaft und hinreichend hervorgehen soll.

Indessen kann ich zu deiner Beruhigung und Zufriedenheit vermelden, daß ich mich für das Verhältniß verwundersam wohl befinde, unter der Bedingung einer ganz eigenen diätetischen Selbstverläugnung, wozu ich mich jedoch verpflichtet fühle, um die vielfachen Obliegenheiten, die sich mir aufdringen, geziemend zu bestehen.

Die mitgetheilten Gedichte sind recht hübsch und den Zuständen angemessen. Der Berliner Musenalmanach nimmt sich dießmal ganz wunderlich aus, wenn man Anfang und Ende zusammenhält. Er beginnt mit ernstem funfzigjährigen Rückblick und endigt mit der Gelbschnabeley der Sancta juventus; nach funfzig Jahren werden sie anders pfeifen. Mit Neujahr [62] packe, mein Guter, ja sogleich meine Briefe zusammen, damit der durchlebte und durchgeschriebene Jahrgang alsobald ajustirt und mundirt werde.

Ich beinde mich, wie gesagt, verhältnißmäßig sehr wohl und würde meine Tage sogar behaglich zubringen können, wenn nicht mein ohnehn opreoses Autor-und Geschäftsleben durch das Außenbleiben meines Sohnes noch mehr belastet wäre; doch wollen wir uns durchhelfen und allenfalls durchwürgen. Schreibe nur noch von deinen lebhaften Zuständen und dortigen Begebenheiten, damit ich, in meinen beschneiten Klostergarten schauend, ein buntes Tagewesen in der Einbildungskraft vor mir sehe.

Euer Devrient ist hier; von ihm vielleicht nächstens. Gestern kam Wölfchen von Schewa gerührt und entzückt nach Hause, kindlich erfreut, daß seine Stimme die zweyte gewesen, die den trefflichen Künstler herausgerufen habe. Soll dieses Blättchen heute fort, so muß ich schließe, obgleich ich noch Gränzenloses mitzutheilen hätte.

Doch will ich nicht verhehlen, daß ich deine Correspondenz und die Schillerische in Gedanken verglichen habe; wenn ich dir das mittheile, so wirst du dich dabey ganz wohl befinden. ich wollte nur, meine Gedanken hätten eine Geschwinschreiber, ohne daß ich sie ausspräche. Möge dir alles nach deiner Art, Weise und Bedürfniß wo nicht gut, doch leidlich gelingen.

[63] Seit acht Wochen les ich keine Zeitungen mehr, wie ich vor Jahren auch that und mich wohl dabey befand. Wir andern Philister sind doch immer nur wie die Fleige auf dem fortrollenden Reisewagen, welche sich einbildete, solche Wolken Staubs zu erregen. Die Freunde finden nun ein wahrhaftes Interesse mich von allem Bedeutenden geschwind zu benachrichtigen. Und so findet sich denn gerade noch ein freyes Viertelstündchen nach dem andern, um diese Seiten nicht ganz blank zu dir wandern lassen. Doch wollen wir endigen; es möchte in der Stimmung, in der ich bin, vielleicht zu weit führen.

also treulich fernerhin

J. W. v. Goethe.

Weimar den 28. December 1830.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8039-5