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An Christiane von Goethe

Wiesbaden.

Nun bin ich so ziemlich eingerichtet, ich wohne allerliebst, aber theuer, esse gut und wohlfeil, Wein habe ich von Frankfurt verschrieben und werde mich also in diesen Hauptpuncten bald wohl versorgt finden. Morgens, nach köstlichem Schwalbacher Wasser, habe ich in dem heilsamen Wiesbade, das alles bekommt mir recht gut und ich kann dabey thätig seyn. Neapel rückt vor, so wie Sicilien; diese lustigen Erinnerungen unterhalten mich, ohne die mindeste Anstrengung. Ich habe sie so oft erzählt daß es Zeit ist sie auf dem Papier zu befestigen. OberbergrathCramer und Bibliothekar Hundeshagen sind freundlich, theilnehmend, hülfreich, wie voriges Jahr. Major von Luck aus Maynz hat mich schon besucht, von niemand weiter habe ich gehört und lebe also in [4] der erwünschtesten Einsamkeit. Des Tages gehe ich zweymal spazieren, die Gegend erscheint herrlicher, je mehr man sie sieht und schätzt.

Es ist das heiterste Wetter, freylich zum Schaden des Land- und Gartenbaues, sie haben in zehn Wochen keinen anhaltenden Regen gehabt. Indessen genießt man schon hier Schotenerbsen, auch ausgelieferte; was aber besonders erfreulich ist wird doch immer der Salmen bleiben, dessen Portion mit trefflicher Gelée man, zu jeder Stunde, für 30 Kreuzer im Cursaal haben kann. Es ist jetzt grade seine rechte Zeit, ich muß mich nur in Acht nehmen daß ich mich nicht daran überesse. Herzkirschen stehen schon, in großen Körben, an allen Ecken.

Unter den Pflanzen ist mit eine gefüllte Lychnis vorgekommen, als Gartenschmuck das schönste was man sehen kann, auf den Herbst hoffe ich soll man uns Pflanzen schicken. Die Rosen blühen vollkommen, die Nachtigallen singen wie man nur wünscht und so ist es keine Kunst sich nach Schiras zu versetzen. Auch sind die neuen Glieder des Divans reichlich eingeschaltet und ein frischer Addreßcalender der ganzen Versammlung geschrieben, die sich nunmehr auf hundert beläuft, die Beygänger und kleine Dienerschaft nicht gerechnet.

Und so sind denn die Tage der Reise und des hiesigen Aufenthalts froh und nützlich zugebracht. Die Fortsetzung nächstens.


[5] Sonntag den 4. Juni.

Nun bin ich volle acht Tage hier und alles läßt sich sehr gut an. Ich trinke das Weilbacher Schwefelwasser mit Milch, bade täglich und dictire dabey immer fort. Nach der Badeliste sind schon vierhundert Gäste hier, die ich nicht bemerke: der Ort ist groß, sie sind alle wahrhaft krank und dann komme ich auch weder an öffentliche Tische noch Orte. Bergrath Cramers bedeutendes Kabinett unterhält mich wie voriges Jahr, schon weiß ich mir die metallreichen Gegenden, bis nach der Grafschaft Mark hin, besser zu vergegenwärtigen und der Umgang mit diesem biedern, verständigen, unterrichteten Mann ist mir belehrend und erheiternd.

Die hiesige Bibliothek, alle Zeitungen, Staatsblätter und Journale anschaffend, sie in der schönsten Ordnung mittheilend, bewirkt gleichfalls eine für den Fremden sehr günstige Unterhaltung.


Mittwoch d. 7ten Jun. 1815.

Und nun zum Schlusse einiges! Deinen lieben Brief habe erhalten. Du wirst nun in Carlsbad seyn. An Genast schreibe ich. August lassen wir gewähren. Brentanos haben mich freundlichst besucht, Wein zurückgelassen und mich liebevoll eingeladen. Auch hier wird mir das Beste erwiesen. Beuters Dekorationen läßt mich Geh. R. Pfeifer nach und nach sehen, wenn das Schauspiel vorbey ist. Von denen [6] Sachen die du kennst sehr schöne. Eingerichtet bin ich zum Besten. Das hoffe ich nun von dir auch zu hören. Heut über 14. Tage schreib ich wieder. Melde mir wenn dieser Brief ankommt. Grüße die Geleitende.

G.

Carl macht seine Sachen sehr gut. Heute war Gewitter und Plazregen.

Die Liebe das beste!

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Christiane von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8070-5