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An Christian Gottlob Voigt

Die gnädigsten Gesinnungen Serenissimi, die sich mir durch Mittheilung einer projectirten Constitution einer Hofthester – Directions – Commission beweisen, kann ich nicht besser und dankbarer erkennen, als indem ich von der einen Seite Höchst Ihro Sinn zu penetriren suchen und von der andern meine Persönlichkeit ganz vergesse, um nur daran zu denken, wie eine Hof – Theater – Intendanz und Commission für künftige Zeiten einzurichten seyn möchten. Wenn ich jenes [240] Project auf das genauste und schärfste betrachte, so finden sich darinne eigentlich zwey Hauptpunkte welche unter den Buchstaben E und G angegeben sind und die ich auf meine Weise folgendermaßen aussprechen möchte:

1) Ohne Vorwissen Serenissimi kann kein Mitglied des Theaters angenommen noch entlassen werden.

2) Durchl. befehlen daß die Rechnungen Ihnen vorgelegt werden.

Indem ich nun gegen diese beyden einzigen Hauptpunkte, wie ich sie ausgedrückt habe, nichts zu erinnern finde, so könnte die Sache hierdurch sogleich abgethan scheinen, allein es läßt sich bey der Art und Weise, wie der Aufsatz sich ausspricht, noch manches erinnern. Ich setze voraus, daß jener Text zur Hand ist, zu dem ich die wohlgemeinten Noten liefere.

ad 1) E) Es ist ein Geschäft das sich zur Berichterstattung keinesweges qualificirt, das Vorzügliche worauf Alles hierbey ankommt, läßt sich nicht zu Papier bringen, wie das Theater – Geschäft überhaupt eines derjenigen ist, wobey sich nicht viel mit Worten, am wenigsten mit geschriebenen thun läßt. Nach dem Buchstaben des Textes hätte die Comission nicht einmal die Initiative, nicht einmal das Recht auszusprechen, wen sie beybehalten, verbessert, angenommen und abgedankt wünschte. Wer sollte einen Fürsten, der sich die Entscheidung vorbehält, über den jedesmaligen Zustand aufklären und wie soll die Commission [241] sich von den höheren, selbst erleuchteten Willen Subjecte zutheilen lassen, mit denen sie im dornigsten aller Geschäfte dreymal die Woche zu vorgeschriebener Stunde einen entschiedenen Effect machen soll. So lange die Theater – Commission und ihrer Überzeugung nicht ein entschiedenes Übergewicht selbst über den höchsten Willen zugestanden wird, so bleibt sie ein armseliges verstimmtes Werkzeug, das nicht leisten kann, was von ihr gefordert wird. Mir bleibt also nichts übrig als das obengesagte zu wiederholen: die Theater – Commission macht zur rechten Zeit Serenissimo einen mündlichen, cor daten Vortrag über die Sache, welchen Höchstdieselben nach einiger Einsicht schon genugsam balanciren werden. Allein es kann derselben durch bloßen Befehl weder ein Mitglied entrissen noch hinzugegeben werden.

ad 2) G) wüßte ich nichts zu erinnern als daß die Rechnungen, die etwaigen Auszüge, die Raisonnements bey den verschiedenen Capiteln Serenissimo und Ihrem Geheimen Conseil etwa durch den Rath Kruse, als Mitglied der Theater-Commission, vorgelegt würden, übrigens aber secretirt blieben, weil nicht leicht ein Geschäft durch Publicität so sehr leidet, als das theatralische.

Auch würde ich rathen, daß Serenissimus dem Intendanten und der Commission eine gewisse Summe zugestünden worüber sie nicht Rechenschaft zu geben brauchten, weil man in diesem Geschäft mit wenigem[242] Außerordentlichen und Willkürlichen sehr vieles leisten, und so wie mit einem guten Wort also auch mit einer kleinen Gabe über manches hinaus kommen kann. Noch vieles andere würde zur Sprache kommen, wenn man das Geschäft in seiner Art und Weise schildern wollte.

Außer diesen beyden Punkten welche entscheidend sind und für sich bestehen, ist das übrige mehr oder weniger gleichgültig und läßt sich auf mancherley Weise einrichten. Doch mache ich über den Text einige aufrichtige Bemerkungen:


Personale der Comission.


Es ist ein Intendant und Chef gesetzt, dessen Thätigkeit und Befugnisse, vorausgesetzt daß er die Sache versteht, durch das folgende äußerst beschränkt sind, vorausgesetzt daß er sie nicht versteht, finde ich nicht genug dafür gesorgt, daß seine Unfähigkeit supplirt sey. Es bedürfte mehreren Bogen Schrift, diese wenige Worte zu commentiren und auseinander zu setzen; ich gehe sogleich weiter.

Ein bisheriges Mitglied der Commission bleibt in seiner Stelle, ein drittes wird hinzugefügt, das zugleich Sitz und Stimme im Hof- und Stallamte hat. Eine sehr wünschenswerthe Einrichtung, weil ein Hoftheater niemals vom Hofamte abgesondert werden kann, und der Hofmarschall oder Ober-Cammerherr von Rechtswegen immer Theater-Intendant seyn sollte.

[243] Bey den Untergebungen ist leider, nach unserm Herkommen, von zwey Wöchnern die Rede. Die Regie durch Wöchner abwechselnd versehen zu lassen war eigentlich nur eine provisorische Einrichtung, die bey uns, wie es so oft geschieht, perennirend und eben deshalb höchst schädlich geworden; so lange sie nicht abgeschafft und der Regie mehr Einheit gegeben wird, so lange ist keine Hoffnung, daß die Mängel, an denen unser Theater leidet, verbessert werden können. Da einmal eine Veränderung Statt finden soll und muß, so wird es Pflicht dahin zu deuten, wo eigentlich die Haupthindernisse einer höheren und erfreulicheren Wirksamkeit liegen.

Wie die Commission sich wegen Führung der Geschäfte arrangiren wollte, könnten Serenissimus derselben überlassen; indessen sey bey den verschiedenen Rubriken Folgendes bemerkt:

ad A) Eine Zusammenkunft in der Woche möchte hinreichend seyn. Eine Registrande und Resolutions-Tabelle wäre einzuführen nützlich. Das Protocoll fürcht ich würd bald stocken.

ad B) Dem Intendanten wäre, wie obgesagt, überlassen, sich wegen der Form mit seinen Mitarbeitern zu verständigen.

ad C) So würde er sich auch der Signatur der Concepte und der Unterschrift nicht entziehen.

(Diese drey Puncte beziehen sich auf die Form [244] der Commission nach innen, die zwey folgenden auf ihr Verhältniß im currenten Geschäft zu Serenissimo)

ad D) Um hier unüberwindlichen Unannehmlichkeiten zu entgehen, so würde ich rathen, daß man Serenissimo sogleich ein Repertorium überreichte, worin die Stücke verzeichnet wären, die man im Laufe des Winters allenfalls zu geben bereit ist, und Höchstdieselben zeichneten an, welche darunter Ihnen vorzüglich zu sehen gefiele, da man denn die übrigen nur gelegentlich und im Nothfall mit einschieben würde; dadurch wird eine monatliche Austheilung sehr erleichtert, auf welcher, wenn sie approbirt ist, der Intendant aufs strengste zu halten hätte, obgleich immer vorauszusehen ist, daß auch alsdann noch manche Ausnahmen und Abweichungen vorkommen werden.

Übrigens scheint bey diesem Puncte im Context etwas ausgefallen zu seyn, denn es wird auch verlangt: die Beysetzung des Personals, unter welches die Rollen zu vertheilen sind, wobey man voraussetzen muß, daß von neuen noch nie gespielten Stücken die Rede sey. Hierbey muß ich aber die Bemerkung machen, daß dieses eine Bedingung ist, welche sich kein Intendant, und wenn er auch das Handwerk nicht verstünde, dürfte gefallen lassen; er würde so klug seyn sich einen Regisseur, Theaterdichter, oder welcher einigermaßen Sachverständiger es wäre, beyzusetzen [245] um diesem Geschäftstheile mit Einsicht vorstehen zu können. Die entscheidungen hierinnen aber einem äußern Ermessen, und wenn es das höchste wäre, zu unterwerfen liegt ganz außer der Natur des Geschäfts, wie ich denn die Stelle, weil sie nicht ganz klar ist, vielleicht falsch gedeutet habe.

ad F) Da Serenissimus mit den Ihrigen so vieles persönlich, mündlich und sträcklich abthun, so werden Höchstdieselben ja wohl die Theater-Commission dieses Vortheils nicht berauben, um so weniger als das Theater-Geschäft vielleicht weniger als irgend eines schwarz auf weiß verträgt und durch vota Protokolle und Berichte in kurzem gar bald vernichtet werden könnte.

ad H) Was die Wöchner betrifft, so habe ich mich schon oben erklärt, daß diese Einrichtung erst aufgehoben werden müßte wenn das Weimarische Theater gedeihen soll. Sollten sie aber bestehen, so würden sie eine erneuerte und revidirte Instruction von der Commission zu erhalten haben.

Die verschiedenen im Texte angegebenen Punkte, die theils schon in Übung sind, theils recht wohl eingeführt werden können, übergehe ich und erlaube mir nur zu zweyen einige Bemerkungen.

ad 4) wird ihnen viel zu viel zugestanden. Sie sollen die Austheilung für jeden Monat fertigen und sollen bey neuen Stücken Vorschläge zu Besetzung der Rollen thun. Dies kann ihnen weder von der Commission [246] im Ganzen noch besonders von der Intendanz als Recht zugestanden werden, ob sie gleich ihren Rath, wenn man sie darum fragt, nicht zu versagen haben.

ad 9) Dieser Punct setzt den Wöchner oder Regisseur, indem er ihn so hoch erhebt, in die größte Verlegenheit. Man verzeihe mir! aber daß ein Subaltern für jeden einzelnen Fall vor der höchsten Behörde persönlich einstehen soll, ist weder ihm zuzumuthen, noch verträgt es sich mit der Würde der Vorgesetzten, die Lob und Tadel von oben durch die dritte Hand erfahren und, um Weitläufigkeiten aus dem Weg zu gehen, mittelbar empfangenen, vielleicht mißverstandene Befehle mit Beschämung ausführen sollen. Der Intention Serenissimi auch von dieser Seite entgegen zu kommen, wäre Pflicht der Commission.

Betracht' ich nun Vorstehendes, wegen dessen Weitläufigkeit ich mich zu entschuldigen habe, obgleich nicht der tausendste Theil von dem was zu sagen wäre, gesagt ist, so bin ich doch eigentlich dem Zwecke nicht näher gelangt; denn wollte man auf meine, blos das detail betreffende Erinnerungen achtend, eine Constitution entwerfen, so würde sie doch nur scheinbar, aber keineswegs dauerhaft seyn, und ich bin, eingedenk so vieler Erfahrungen, auf das innigste überzeugt, daß in 14 Tagen bis vier Wochen dennoch die größten verderblichsten Händel und Extreme abermals [247] hervorbrechen würde und die Sache noch schlimmer als gegenwärtig stehen würde. Soll ich deswegen aufrichtig seyn, so weiß ich kein Heilmittel für den gegenwärtig sehr verletzten Zustand des Weimarischen Theaterwesens als die Separation des Schauspiels von der Oper, gleich so viel wie möglich, und zunächst völlig.

Sollte dieser Vorschlag nicht ganz verwerflich gefunden werden, so erbiete ich mich einen Aufsatz über die Nothwendigkeit, Thunlichkeit und Schicklichkeit einer solchen Trennung ungesäumt einzureichen, indem ich mich erbiete bey einer neuen Einrichtung die Stelle eines Intendanten und Chefs der Theater-Commission im allgemeinen zu übernehmen, mich dem Schauspiel insbesondre zu widmen und, nach Serenissimi mir bekannten Intentionen, nicht allein das bisher übliche fortzusetzen sondern auch bey hinwegzuräumenden Hindernissen mit neuer Luft und Energie der Zeit und ihren Forderungen gemäß fortzuschreiten.

Wobey ich nur noch bemerken will, daß baldige Resolutionen nöthig sind, weil ein ohnehin schwankendes Geschäft höchlich periclirt, wenn eine Anzahl dabey nothwendiger Menschen auch nur für einige Zeit wegen ihres künftigen Schicksals in Furcht und Sorge gesetzt werden.

Mein guter Wille und meine redliche Absichten, so wie der Drang des Augenblicks, mögen vorstehendes entschuldigen und suppliren. Weit besser würden solche [248] Dinge mündlich verhandelt, wenn mündliche Verhandlungen nicht andere Nachtheile hätten.

Weimar den 7. Decbr. 1808.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1808. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-82BD-D