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An Charlotte von Stein

Schon fühl ich liebste Frau dass Sie weit, fatal weit von mir weg sind denn ich weis nicht einmal wie die Briefe vielleicht lauffen und mir stockts gleich in allen Gliedern wie Sie wissen, drum hab ich so lang nicht geschrieben. Auch hab ich ein Knötgen gewonnen an einem Zahn, schon in Stüzzerbach, habs [173] parforce dressirt und hab viel dran gelitten. besonders da schon fast alles gut war tanzt ich wie toll eine ganze Nacht und habe 24 Stunden Geschwullst und grose Schmerzen gehabt. Jezt ists wieder still doch noch ein wenig dick und muss zu Hause sizzen in Eisenach, in dem weitschichtigen Schlössgen und alles ist in Wilhelmsthal und auf Jagden. Da wir nun in der Stube gehezzt wo denn offt aus Mangel andres Wildprets mein armes Ich herhalten muss. Auf den Montag soll Vogelschiesen seyn und weis noch nicht einmal ob ich dazu kann. Die Gegend ist überherrlich und ich kan nicht Zeichnen. Es ist viel Übel in einem kleinen.

Die Wizleben hat glücklich einen Sohn. Vielleicht wissen Sies schon.

Eine Tollheit hab ich erfunden, eine komische Oper die Empfindsamen, so toll und grob als möglich. Wenn Seckendorf sie komponiren will kan sie den Winter gespielt werden ich hab angefangen Philippen zu dicktiren.

Nun gute Nacht bester Engel, was für wunderbaare Operationen muss mein Kopf machen! und doch sind nur wenig Dinge die drinn auf und abgehen wies Firmament über unsern Häupten. Den ganzen Nachmittag hab ich mit tollen Imaginationen gewirthschafftet, diesen Abend mit einem sehr braven Manne von unsrer Landschaft unzähliges geschwäzzt. Stündlich seh ich mehr dass man sich aus diesem Strome des Lebens ans Ufer retten, drinne mit allen [174] Kräfften arbeiten, oder ersaufen muss. Freytag d. 12. S. [1777.] Eisenach.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1777. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-853F-4