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An Charlotte von Stein

[Eisenach, 6. September 1777.]

Dancke bestes Gold für den Boten, wir waren den vierten von Ilmenau früh weg also krieg ich das Packet ganz unerwartet erst Eisenach am 6ten. Alles ist wohl nur ich habe mir ein Monster von dickem Backen ganz wider allen Sinn meiner dürren Constitution geholt. In Stüzzerbach tanzt ich mit allen Bauermädels im Nebel und trieb eine liederliche Wirthschafft bis eins. und da kriegt ich den [171] Ansaz und wurde vermehrt durch fatales Gestöber auf der Reise, und muss nun inne sizzen und warme Kräutermilch im Mund haben, und kan nicht auf Misels ausgehn, es wird ein verfluchter Streich seyn, wenn ich mit verzognem Gesicht soll die Maidels belügen.

Ja lieb Gold, ich Glaub wohl dass Ihre Lieb zu mir mit dem Abseyn wächst. denn wo ich weg bin können Sie auch die Idee lieben die Sie von mir haben, wenn ich da bin wird Sie offt gestört, durch meine Thor und Tollheit. Adieu. Ich schick Ihnen nun Zeichnungen oder meine Haare. denn die Gegend ist herrlich hier, wild und (Gott versteht mich) und wenn ich muss zu Hause bleiben und kan nicht zeichnen und schiesen, so schneid ich von meinen Haaren ab und schick sie Ihnen. Grüsen Sie Petern und bitten Sie Kästnern nureinige Pfeifen ihm des Tags auf gute Weise abzubrechen, denn ich halte den Toback denn doch bey so einem Jungen für ein Spezificum, sagen Sie Kästnern er wüsst es schon. und also mag er immer rauchen.

Das Haus hier hab ich auch nicht lieb, ich wohne hinten hinaus, vielleicht auf der Reihe, ich will mir einbilden in dem Zimmer wo Sie wohnten. Liebste! Ich habe Sie doch ganz allein lieb, das spür ich an der Wirthschafft mit den übrigen Frauen.

Eifersüchtig auf mich sind Sie nicht, sonst wollt ich Ihnen ein Mittel sagen. das Futteral zum [172] Souvenir hab ich nicht, aber Ihr Haltstuch hab ich um, aus dem die blaue Farbe auch ausgewaschen ist. Ihr gestümpert Bild hab ich, und Ihre Liebe mehr als ich weis und soll. Adieu. Grüsen Sie die Kinder. Es ist ein Weiter Weeg zwischen uns, der Grade beschweerlicher als der Krumme. Ich seh Sie bald nicht wieder adieu – Engel. Ich hab Sie gegenwärtig Lieber als abwesend, drum könnt ich mir anmasen dass meine Liebe wahrer sey. Adieu.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1777. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-873B-D