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An August von Goethe

Nachdem ich so lange nichts von dir gehört habe, wieder einmal zu schreiben habe verschiedne Anlässe.

[21] Herr Hänlein bringt mir, bey Tisch im Cursaal, viele Grüße von dir, Geh. R. Leonhard sendet das Diplom. Dieses behalte ich, den Brief sende. Dancke gleich, es ist eine besondere Aufmercksamkeit, da die Societät, unter der jetzigen Regierung, sich unthätig verhält.

Brentanos haben mich abermals besucht. Willemer auch, der dich herzlich liebt. Er hat mir ganz von freyen Stücken, in Geldsachen seine Dienste freundschaftlichst angeboten. Da nun in Frankf. das Abzugsgeld aufgehoben wird, und wir die Caution loskriegen; so würde er, wenn wir die Capitale retiriren wollten, uns wahrhaft erspriesliche Hülfe, ohne Risiko und Schaden, leisten können. Ich rede vorläufig mit ihm ab. Wahrscheinlich werden in der jetzigen Lage auch die Cessionen erleichtert; diese 4000 fl. hätten wir also auch erharrt! [Vid. Cammerjuncker.]

Dagegen hab ich zu klagen daß mir die Götter eine harte Systole zugedacht. Denn als ich eben eingerichtet und Cur und Thätigkeit recht im Zug war, wurde Carl sehr kranck, weshalb ich, mit großen Unstatten, von vorne anfangen mußte mich zu rücken und zu schicken. Das ist nun ziemlich vorbey, den Rest werden wir auch überstehen. Man muß nur dencken man wäre am achtzehnten leicht blessirt worden. Freude und Schmerz über diesen Tag waren auch hier sehr groß. Der letzte lindert sich, die erste [22] wächst, da man die Gefahr näher kennen lernt, in der man schwebte. Über Prinz Bernhard war man auch hier schnell beruhigt. Gefällig kam ein Abgeordneter von Biebrich mir es anzuzeigen.

Viele Versuchungen hab ich abweisen müssen, man lud mich nach vielen Seiten hin, wo es wohl ergötzlich gewesen wäre. Nun will ich mich noch etwas ruhig verhalten, und sodann die Cur von vorne anfangen. Bad und Weilbacher Schwefelwasser bekamen mir köstlich. Die Gegend nicht weniger. Man kann alle Tage ein paarmal die Augen stärcken.

Nachstehendes bitte sogleich abzuschreiben und an Döbereiner zu senden.

Mir haben aufmercksame Müller versichert: daß frische, kalte Wasser die Mühle stärcker treiben als laue oder warme. Eine Beobachtung die nur in der Nähe warmer Bäder gemacht werden konnte. Daraus würde denn doch nur folgen daß kältere Wasser schwerer, die wärmeren leichter wären. Sollte etwas ähnliches im physisch-chemischen vorkommen? Blumenbachs Beyspiel lehnt uns alte Fabeln als Fingerzeige des Wahren zu schätzen. Wie steht es mit dieser von einfachen Menschen mir erzählten Erscheinung? Hiemit hängt zusammen daß Nachts die Mühlen besser mahlen als bey Tage. Dies kann alles nur bey Oberschlächtigen bemerckt werden.

[23] Andre wundersam hübsche Dinge habe gesehen und erfahren. Es ist etwas lebendiges hier unter den Menschen, das man für die Wissenschaft gewiß nutzte, wenn man sich diesem Leben auch hingäbe. In jedem Sinne kenne ich nun die Landesart besser.

Und werde sie noch besser kennen lernen wenn ich noch einige Touren mit BergR. Cramer mache. Und zwar auf geschäftlichen Wegen, denn hier lernt man die Menschen kennen welche die Dinge unter sich haben und ihr Leben damit zubrachten, welche der Reisende nicht trifft.

Empfiel mich überall, grüße alles. Riemern sage: daß ein Freund der Neugriechen bey mir war, der (sogenannte) Volkslieder dieses Volks mit sich führt, das köstlichste, in dem Sinne der lyrisch, dramatisch, Epischen Poesie was wir kennen (und doch also Volkslieder). Ich dencke mit ihm in Bund zu treten und mitzubringen.

Im Augenblicke des Siegelns erhalte die ganze Sendung durch Lynckers. Ich will das Blat nicht aufhalten. Sage der Gräfinn Fritsch das freundlichste. Empfiel mich überall. An seidnen Strümpfen solls nicht fehlen. Bedancke dich zum allerschönsten für den Cammerjuncker. Und gedencke mein.

Wiesb. d. [5. Juli 1815.]

G. [24]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An August von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-87D6-D