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An Johann Ludwig Deinhardstein

Ew. Hochwohlgeboren

gefälliges Schreiben hätte mir beynahe eine schmerzliche Empfindung erregt: denn wie sollte ich, in meinen hohen Jahren und bey so manchen, durch Pflicht und unausweichliche Umstände gebotenen Arbeiten, wie sollte ich es wagen an dem so bedeutenden, durch höchste Gunst erneuerten, und einem frischmuthigen Redacteur übertragenen geistreichen Unternehmen meinen Antheil zu versprechen, in Hoffnung etwas dem Übrigen und dem edlen Zwecke Zusagendes beytragen zu können? Auch gedachte ich Anfangs mich bescheidentlich zu entschuldigen.

Allein Sie erklären sich ja, auch wohl einen Aufsatz, wie die Hefte von Kunst und Alterthum allenfalls wohlmeynend mittheilen, mit Neigung aufzunehmen und befördern zu wollen.

Nun liegt das vollständige Werk des Königlich Preußischen Herrn Professors Wilhelm Zahn mir vor Augen, unter dem Titel: »Die schönsten Ornamente und merkwürdigsten Gemälde aus Pompeji, Herkulanum und Stabiä, nach den an Ort und Stelle gemachten Original-Zeichnungen von W. Zahn, Berlin bey G. Reimer«, dessen erste Hefte gewiß schon Ihren Beyfall gewonnen haben. Es sind ihrer gegenwärtig zehn, und ich gedenke nun eine einfache Anzeige mit [283] einige Bemerkungen über Ziel und Zweck derselben aufzusetzen. Ist sie nach ihrer Art fertig, so werde ich sie zu gefälliger Durchsicht und allenfallsigen Benutzung zu übergeben nicht ermangeln.

Angenehm aber ist mir's daß ich schon jetzt im Falle bin des obgenannten werthen Mannes baldiges Eintreffen in Wien hiedurch ankündigen. Er wird ein paar Zeilen von mir mitbringen; sein Persönliches so wie seine Leistungen empfehlen ihn genugsam. Er denkt wieder nach Italien, auch von da vielleicht weiter zu gehen, um uns auf's neue, durch Kunstschätze, entdeckt in unsern Tagen, oder besser ausgelegt als bisher, von Zeit zu Zeit zu erfreuen.

Nun aber sprech ich den lebhaften Wunsch aus: es möge sich ein Anlaß finden Ihrem höchsten Gönner, den ich seit vielen Jahren auch als den meinigen verehre, mich in's Gedächtniß zu rufen und Höchstdenenselben meine unwandelbare dankvollste Aneignung zu betheuern welches ich für ein besonderes Glück schätzen würde.

Ew. Hochwohlgeboren weitere geneigte Mittheilungen sollen mir jederzeit zum größten Vergnügen gereichen; wie ich denn auch, insofern es meine Kräfte erlauben, zu ihrem edlen Zwecke mitzuwirken nicht ermangeln werde.

Da ich mich denn angeregt finde schließlich noch hinzuzufügen, wie sowohl mir als meinen Freunden, welche ernstlich einer humanen Literatur zugethan[284] sind, es zur besondern Freude war, zu vernehmen, daß einem so einsichtigen und gemäßigt denkenden Manne die wichtigen Stellen anvertraut sind, wo man, in wohlwollend beurtheilender Folge, gar manches Gute, was sich auf einmal nicht erreichen läßt, durch stetige reine Behandlung einzuleiten und zu fördern vermag.

Das Beste wünschend, hochachtungsvoll

ergebenst

Weimar den 27. März 1830.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An Johann Ludwig Deinhardstein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8916-F