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An Carl Ludwig von Knebel

Erst jetzt, mein Theuerster, kann ich dich einladen mir einen Brief nach Rom anzuvertrauen; denn ich bereite die erste Sendung an meinen Sohn dahin. Sein letzter Brief ist aus Florenz, wo er sich, nach ausgestandenen einigen Unbilden, wohl und vergnügt befand, um jenes große Daseyn mit Sinn und Verstand in sich aufnehmen zu können.

Den Brief an Robinson bitte aus einem in sich selbst zusammengeschlagenen und mit Oblaten gesiegelten Briefblatt (single Sheet) bestehen zu lassen, da bey verstärkten Sendungen das Porto sich allzusehr steigert.

Ich lebe nach alter Art und Weise und habe mich über nichts zu beschweren, als daß ich verhindert bin mich vom Flecke zu bewegen und meine Freunde, die, von so vielfachem Interesse umgeben, sich so ganz nahe befinden, und besonders dich an deinem Stadtende zu besuchen.

[216] Beruhigt dich dein Bernhard wieder? der uns viel Sorge veranlaßte und dessen Herstellung, wenn wir davon Sicherheit erhalten, uns große Freude machen wird.

Zu Michael erscheint meine letzte Lieferung meiner Werke, die ich auf dem Bücherbrett zu schauen kaum hoffen durfte. Die Händel in der französischen Akademie zwischen Cuvier und Geoffroy de St. Hilaire haben mich aufgeregt und da ich, wegen der Soretischen Übersetzung meiner Metamorphose, mich ohnehin mit Ernst wieder in's Naturfach einlassen mußte, so fand ich mich auf halbem Weg und bereite einen Aufsatz, der seine Wirkung, den Gegenstand in's Klare zu setzen, nicht verfehlen möge. Geoffroy merkt und ahnet, daß er in den Deutschen Aliirte findet; ihn darüber aufzuklären und uns von der rechten Seite zu zeigen ist eigentlich meine Absicht. Was auch daraus entstehe, man muß immer da beyzutragen suchen, wo man im Augenblicke glaubt nützlich seyn zu können.

Jene im Februar entstandene Akadem. Streitigkeit ward freylich im Juli stark übertäubt, und auch wir kommen in eine Lage, wo es aussieht, als wenn wir auf den Kopf gestellt werden könnten, so daß die Kephalopoden, worüber jener Streit begann, uns zur schlimmen Vorbedeutung werden könnten. Es ist zwar bemerkenswerth, aber nicht wunderbar, daß wir die Reprise der Tragödie von 1790 wieder erleben[217] müssen; indessen ist es weder Wahl noch Schuld von unsrer Seite und wir wollen uns das alte Wort durate! gesagt seyn lassen.

Mit den besten Wünschen und Hoffnungen

treu angehörig

Weimar den 12. September 1830.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-89E8-8