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An Carl Friedrich Anton von Conta

Wenn ich in bedenklichen Augenblicken, die mich von dem Erdkreis abzurufen schienen, nochmals auf demselben meine Gedanken und Erinnerungen umher schweifen leiß, mußte ich nothwendig auf den Hauptpuncten länger verweilen, wo ich von edler Theilnahme verehrter Günner und geliebter Freunde mich gewiß fühlen konnte. Daß ich alsdann in dem Bezirk von München vorzüglich festgehalten ward, darf ich nicht erst versichern, indem ich jenen erheiternden Trost an [58] einem Orte fand, wo so große und würdige Unternehmungen und Einleitungen fortdauernd wirksames Leben bethätigen.

Ew. Hochwohlgeboren versichern mich nun eines solchen entschiedenen Antheils durch ein geneigtes Schreiben, und ich darf wohl dagegen den Wunsch äußern, Ihro Majestät dem Könige betheuert zu wissen, daß Allerhöchst Ihro Gunst und Gnade mir auch da vorleuchtete, wo die Sonne des Lebenstages für mich unterzugehen schien.

Die Dauer dieser höchsten Gesinnungen wird mich über die mir noch gegönnten Stunden hinausbegleiten und mich vor der Vergänglichkeit sichern, da mein Daseyn in der Erinnerung eines solchen Geistes fortgeführt zu werden das Glück hat.

Wenn meine neusten üffentlichen Bemühungen in der wissenschaftlichen Region den beyfall eines einsichtigen Mannes erhalten haben, so will ich gern gestehen, daß ich mir noch einiges Leben wünsche, weil ich gerade in diesem Augenblick, nach manchem Seiten hin, mich nützlich zu erweisen hoffen dürfte.

Auch die Versicherung, daß eine schöne Frauenseele meine Arbeiten mit ihren Gesinnungen und Überzeugungen harmonisch gefunden, dient mir zu inniger Beruhigung; indem dadurch mir die Sicherheit gegeben wird, miene Absicht sey erreicht, die ich von jeher gehegt: dasjenige darzustellen und zu fixiren, was die Frauen von edlen Anlagen, unter jeden Bedingungen, [59] in und an sich selbst auszubilden wünschen und trachten.

Haben Ew. Hochwohlgeboren ja die Güte, mich den verehrten und werthen Gönnern und Freunden in München dankbarlichst zu empfehlen. Alle und jede Sendungen sind mir lieb und werth, besonders wenn sie mir die erfreulichen Zustände gleichzeitiger Kunst vor Augen bringen; und wenn es mir ganz unmöglich fällt, einzeln meine Ansichten und Überzeugungen auszusprechen, sobleibt es mir doch das Wünschenswertheste, man möge selbst mein Schweigen als eine reine Anerkennung des Vorzüglichsten geneigtest auslegen.

Manches vorbehältlich

Danckbar vertrauend

Ew. Hochwohlgeb.

ganz gehorsamster Diener

J. W. v. Goethe.

Weimar den 27. December 1830.

[Beilage.]

Zum Beweis, daß mit dem Leben auch Luft und Neigung zu Natur und Wissen sogleich zurückkehren, möchte ich die bittende Frage hinzufügen: ob nicht Her Bergrath Kleinschrodt mir einen solchen Hippuriten, wie sie bey jener Versammlung der Naturforscher in München zur Sprache gekommen und vorgezeigt worden, verschaffen könnte? Ich würde denselben mit besonderm Vergnügen der vorzüglichen[60] Sammlung von Fossilien, welche bey mir verwahrt sind, dankbar einverleiben.

Verzeihung

J. W. v. Goethe.

Weimar den 24. December 1830.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An Carl Friedrich Anton von Conta. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8C3C-E