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An Christian Gottlob Voigt

Ew. Excellenz

haben mich durch ein freundliches Wort, welches mir der Bibliothekar überbracht hat, gar sehr erfreut. Daß Sie sich wieder nach so manchen körperlichen Unbequemlichkeiten erholen und wohlbefinden, ist mir um so tröstlicher, da es mit mir selbst in der letzten Zeit nicht recht fort will. Lassen Sie mich ja bald wissen, daß Sie völlig hergestellt sind.

Der Antheil, den Sie den Köstritzer Alterthümern geschenkt, war mir sehr werth. Dergleichen Dinge haben kein sonderlich Ansehen; indessen sind sie immer ein Glied in der Kette der Alterthumsforschung, die unsre Enkel so gut als uns und unsre Großväter interessiren wir.

Ich habe mich bey der Gelegenheit an unserm Pflug erfreut, der mir mit Enthusiasmus versicherte, daß der Guß dieser Dinge meisterhaft sey. Er versprach mir, sobald er Zeit habe, ein ähnliches zu gießen; aber ob er es so dünn liefern könne, daran zweifle er sehr. Ja um sich nicht gar so sehr herunterzusetzen, so warf er das Problem auf, ob nicht vielleicht die äußere Rinde nachgefeilt worden sey? Ich zweifelte zwar daran, bin aber doch neugierig, wie er sich beym Gusse eines ähnlichen Instruments benimmt, wozu ich ihn um so mehr aufmuntern kann, [78] als ich, von alten Zeiten her, noch eine Partie vortrefflichen gemischten Erzes besitze. Wodurch er aber geneigt wird, dieser Sache so ernsthaft nachzugehn, ist wohl nicht sogleich offenbar, doch glaube ichs gefunden zu haben: es scheint ihm durch solche Körper ein neuer Beytrag zur Janitscharen Musik denkbar zu seyn.

Verzeihen Sie mir diesen antiquarischen Scherz. Der prägnante Augenblick giebt uns andern solche otia, und warum sollen wir sie nicht zu heitern Späßen anwenden, da eine ernsthafte Betrachtung auch weiter nichts fruchten würde.

Wegen des Carlsbader Unfalls mache ich mir selbst Vorwürfe, nicht unmittelbar nachgefragt zu haben und nachzufragen. Man ist aber so gewohnt Carlsbad anzusehen, als wenn es aus der Welt läge, daß man keinen Brief dahin ablassen mag.

So sehr unser Wolzogen zu bedauern ist, so glücklich kann man es finden, daß der Wahn für unheilbare Übel noch augenblickliche Hoffnungen bereitet hat. Wir sind nicht darauf eingerichtet, das Leben zu verlassen, wenn es nichts werth ist, und da muß derjenige immer noch gepriesen werden, der es als erträglich haltbar verspricht.

Einen Brief vom Professor Voigt aus Paris lege ich bey. An Ew. Excellenz hat er gewiß Ähnliches gesendet. Sein huronisches Anstaunen geht nach und nach in wahre Betrachtung über. Seinen Fach ist er gewachsen und ich kann wohl voraussagen, daß man [79] ihn in kurzem in Paris kennen und an manchen Dingen zur Mitarbeit aufrufen wird. Das wäre für ihn und uns das wünschenswertheste, weil er ein Fundament zu längerer Subsistenz daselbst finden würde.

Was in Jena durch die Veränderung beym Stadtrath und Polizey bewirkt werden möchte, bin ich in einem halben Jahre neugierig zu beobachten. Es mag wohl verzeihlich seyn, wenn ich an einer radicalen Kur dieses Körpers, den ich so lange siechgesund kenne, auch in dieser Epoche, zweifelhaft bleibe.

Die obere Etage des Schlosses, wo das Kabinet gestanden, ist auf eine jammervolle Weise zerrüttet, da man auch sogar die Tapeten Leinwand, zum Ausschlagen des Napoleons Tempels, in der Eile herausgenommen. Von neuer und brillanter Einrichtung derselben ist nicht die Rede. Wenn man nur aufs Frühjahr die Decken zu weißen, die Wände zu vergleichen und die Fensterrahmen nachzubessern anfinge, so würden es doch wieder reinliche Räume. Es ist eine Sache von ein paar hundert Thalern und unsre gnädigsten Damen, besonders die regierende Herzogin wäre gewiß manchmal auf einen Tag hüben, wenn Sie nur nicht ganz unter freyem Himmel leben müßte. Indessen sehe ich wohl, auf dem gewöhnlichen Wege unserer Bauanschläge und Anstalten ist hier nichts zu thun. Soviel für heute. Mit den besten Wünschen für Ihr Wohlbefinden

Jena den 25. Sept. 1809.

G. [80]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1809. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8CA6-F