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An Eugen Napoleon Neureuther

Auf dem folgenden Blatte Stehendes wird, mein theuerster Herr Neureuther, in den Wiener Jahrbüchern [246] bey Gelegenheit einer Rezension der neusten Kunstblätter und zwar zunächst erscheinen, deswegen ich bitte das Blatt nicht aus Händen zu geben, damit es nicht etwa vorläufig in einem andern Journale abgedruckt werde, welches der dortigen Redaction nicht gefallen würde.

Hier nun ist von den zwey ersten Heften die Rede, indessen sind die beiden letzten angekommen, wo sich der Künstler völlig gleich gehalten, ja wenn man sagen wollte, sein Talent noch als gesteigert erwiesen hat.

In einer guten Stunde hoff ich Ihnen das Zeugniß zu geben: daß Ihre Randzeichnung mit unter diejenigen Ereignisse gehören, die mir eigentlich das Schicksal erfreulich machen, so hohe Jahre erreicht zu haben.

Mit einem Schreiben vom 7. September hab ich Herrn Dr. Boisserée eine Parabel gesendet mit Bitte: Sie möchten solche mit einer Randzeichnung illustriren, wenn sie Ihnen anmuthen. Ihr Schreiben meldet nichts davon, haben Sie die Güte darnach zu fragen.

Soviel für heute mit der Versicherung daß ich Ihrem Lebens- und Kunstgange so lange mir's gegeben ist mit dem aufrichtigsten Antheil folgen werde.

Weimar den 26. September 1830.

J. W. v. Goethe.


[Beilage.]

Unter den vor kurzem erschienenen Steindrücken von vorzüglichem Verdienst welche die gegründetsten Ansprüche haben, [247] Kunstfreunde zur Beachtung empfohlen zu werden, nennen wir die zwey Hefte: Randzeichnung zu Goethes Balladen und Romanzen. Vom Erfinder und Zeichner Herrn Eugen Neureuther dem Herrn von Goethe zugeeignet. Jeder Heft besteht aus acht Tafeln Umrißzeichnungen, außerdem reich verziertem Titelblatt welches gleichfalls für eine Tafel gelten kann. Zum ersten Heft kommt noch das eben so reich mit Ornamenten versehene Dedicationsblatt hinzu.

Daß jenes hochgeschätzte, mit Randzeichnung von Albrecht Dürer herrlich geschmückte Gebetbuch, welches auf der königlichen bayerischen Bibliothek zu München bewahrt wird, den Herrn Neureuther zu diesen seinen Umrißblättern fruchtbringend erregt geht aus der ganzen Anordnung der Ornamente hervor, aus den rankenden Pflanzen und Schreibemeister-Zügen, mit denen er die Schriftkolumnen begleitet, den leeren Raum, welchen Figuren und Landschaften übrig lassen, geschickt ausfüllt; inzwischen ist Herr Neureuther keineswegs ein unbeholfener flacher Nachahmer der vortrefflichen Dürerischen Vorbilder, sondern hat den Geist derselben erfaßt, schöpft aus eigner vollströmenden Quelle und schließt sich mit seinen Bildern Goethes Dichtungen auf eine erfreuliche Weise an. Wahrlich es möchten nur wenige Kunsterzeugnisse unsrer Zeit hinsichtlich auf Zweckmäßigkeit und Anmuth des mannichfaltigen Bilderreichthums einen glücklichen Wettstreit mit diesen Randzeichnungen bestehen. Auch die Ausführung derselben befriedigt, die Figuren sind meistens gut, einige vorzüglich gut mit Geist und passendem Ausdruck gezeichnet; die Landschaften reich und gefällig, Pflanzen und Blumen meisterhaft.

Wolle man ja nicht glauben daß der Verfasser hiermit den erwähnten Arbeiten des Herrn Neureuther zu reichliches [248] Lob spendete; was Günstiges gesagt worden, ist nichts weiter als Anerkennung des tüchtigen Kunstvermögens und in Bildern sich aussprechenden Dichtertalents.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An Eugen Napoleon Neureuther. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8CAC-3