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An Johann Jacob und Marianne von Willemer

Das schönste gearbeitete, einem Kunstfreund höchst willkommene Kästchen hätte freylich in schneller Erwiderung gefordert; doch ich bin wirklich, mitten im Continent, einem Schiffenden ähnlich, der bald von günstigen Winden befördert, von Windstille gefesselt, von widerwärtigen retardirt, wo nicht gar verschlagen wird.

Mein zweyter Enkel, als er bey Eröffnung des Kästchen das Vögelein sah, erkannt es zwar gleich, aus der frühzeitig ihm eingeprägten Naturgeschichte, daß es ein Wiedehopf sey, dabey blieb er jedoch nicht stehen, sondern sagte: »aber ich weiß es ist ein Liebesbote!« [143] Was sagen Sie zu der Cultur unsrer zehnjährigen Knaben? es ist eine hoffnungsvolle Nachkommenschaft.

Eine schöne Mondennacht am Rhein gönn ich Ihnen von herzen und theile die Empfindung als gegenwärtig, wie ich bey den Unbilden der Witterung gar öfters fürchte der Sommeraufenthalt auf der Mühle möchte Ihnen oft verkümmert werden.

Mein Sohn ist nach Italien gegangen und hat einige Tage im weißen Schwane verlebt; nicht ganz wohl und behaglich und ist daher zu entschuldigen, den werthen Freund frühere gute Aufnahme nicht verdankt zu haben. Der Vater hätte sich in solchem Falle gewiß eine liebevolle Wartung erbeten.

Mögen sie mir denn gelegentlich über die Sängerin Heinefetter einige aufklärende Worte sagen. Ich sprach diese Tage mit einem Cassler Musikus, welcher viel Gutes von ihr zu rühmen wußte, auch zugestand: sie sey aus einer guten Schule hervorgegangen. Was hat sie gewonnen seitdem sie daraus entlassen worden?

Nun aber möchte ich hoffen, denn eine solche Hoffnung verläßt den Autor niemals, daß Sie in der sechsten und siebenten Lieferung meiner Werke etwas Anmuthendes gefunden haben. Meine Freunde sind mir bey jedem Unternehmen der Art immer gegenwärtig, und es gibt mir neuen Lebensmuth, wenn ich erfahre daß es mir gelungen sey sie zu erreichen.

[144] Gar oftmals wird ein handschriftlich Blättchen von mir verlangt, dagegen wird es mir immer unmöglicher irgend ein Sprüchlein zu schreiben, das sich jedermann und niemand zu Herzen nehmen könnte. Deshalb hab ich mich an die Allhelferin die Lithographie gewendet. Da ist denn doch ein für allemal gethan und nach Umständen läßt sich wohl eins und das Andere an den rechten Mann bringen. Einige leg ich bey; verlangen Sie deren mehre, so werden sie gern folgen.

Und nun, damit das Blat nicht verweilen, die herzlichsten Grüße und Wünsche.

Weimar d. 10. Juli 1830.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An Johann Jacob und Marianne von Willemer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8D3F-2