[109] 6/1659.

An Charlotte von Stein

Leipzig Christabend 82.

Liebste Lotte ich bin wieder hier der Herzog geht die Nacht und ich bleibe. Kaum bleibt mir noch ein Augenblick dir zu schreiben und dir zu sagen wie ich dich vermisse. Wenn mir diese Reise nichts nützt so lässt sie mich den Werth einer Stunde mit dir doppelt und dreyfach fühlen. Den ersten Reise Tag hatte ich Zahnweh, in Dessau wenig guts und viel Langweile, der Fürst begleitete uns heute noch eine Stunde, das war der interessanteste Augenblick. Es ist ein [109] trefflicher Mensch, es hat eine wunderliche Scene gegeben die ich dir erzählen will. Du gute, du einziger Ancker meines Wesens, wie freue ich mich dich wieder zu sehen. Einen Brief von dir habe ich nicht gefunden er wird erst Morgen ankommen die Weege sind gar erschröcklich.

Der Herzog geht ab, es regnet und ich sage dir Adieu. Es wird mir hier nicht wohl werden, ich fühl es schon. Mein Herz ist zusammengezogen mein Geist ist enge. O liebe Lotte wenn ich dich nicht hätte ich ging in die weite Welt. Adieu. Ich komme bald behalte mich recht im Herzen. Ich bringe dir eine Kleinigkeit mit die dich freuen wird. Grüse Steinen und die Kinder. Ich lebe nur in dir, die übrige Welt will nicht an mir hafften. Nochmals Adieu ich kann nicht von dir kommen.

Weimar d. Christabend.

G.


Lache mich doch aus. Ich bin so zerstreut, habe den Kopf so wüste, der Herzog und Oeser schwäzen und ich unterschreibe den Ort wohin ich schreibe. Adieu. Gott erhalte dich.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1782. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-8F59-5