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An Christian Gottlob Voigt

[10. März 1815?]

Ew. Excell. übersende eine Vorarbeit zu einem unterthänigsten Bericht über die Jahre 1813 und 1814 der Jenaischen wissenschaftlichen Anstalten.

Seit jenem, im November 1812 erstatten, von Serenissimo gnädig aufgenommen Berichte sind zwey sehr stürmische Jahre vorüber gegangen, nach deren Verlauf wir ein Geschick dankbar zu verehren haben, das uns in diesen Schreckenszeiten weder Verlust an unsern wissenschaftlichen Besitzung, noch völlige Unterbrechungen unserer Thätigkeit erleiden ließ, so daß wir nunmehr auf jene Zeit getrost zurücksehen können.

Nachdem ich in beynahe dreyßig Monaten jenen Geschäften keine persönliche Aufmerksamkeit widmen konnte, begab ich mich, sobald nur Durchmarsch und Einquartierung aufhörte, nach Jena, und hatte die Freude zu sehen, daß durch Treue und Aufmerksamkeit der Männer, denen die verschiedenen Anstalten übergeben sind, nicht weniger durch Theilnahme wohldenkender [227] Mitbürger, sich alles in vollkommener Ordnung finde, wohl erhalten und in einzelnen Theilen verbessert, ja sogar ansehnlich vermehrt sey. Ich beeiferte mich nun auch von meiner Seite, alles, was zu weiterer Begründung, Erhaltung und Erweiterung gedachter Institute dienlich seyn möchte, kennen zu lernen und in ein Geschäft wieder einzugreifen, das von den frühsten Zeiten her meine liebste Angelegenheit gewesen.

Ob man nun gleich erst nach einem nochmaligen Aufenthalte in Jena, wozu im Frühjahr sich Zeit und Gelegenheit finden wird, einen alles umfassenden Hauptbericht, sowohl zu Überschauung des Vergangenen, als zu Leitung des Zukünftigen, wird aufstellen können; so habe ich doch nicht verfehlen wollen, das Nöthigste vorzubereiten.

Vielleicht bedürfen keine Acten so sehr wie die vorliegenden, daß man von Zeit zu Zeit ein Repertorium über sie fertige, denn das Geschäft hat so viele Abtheilungen, deren jeder man einen besondern Fascicul widmen könnte, wenn nicht mehrere Partieen dergestalt in einander griffen, daß die Sonderung schwer würde. Nicht zu gedenken, daß einzelne hefte sich leicht verlieren.

Der treue Biliotheks-Schreiber David Färber ging mit Tode ab, nachdem er lange gekränkelt hatte.

Nach Lenzens Wunsch: die Büsten gnädigster Herrschaften und seiner Vorgesetzten aufzustellen, sind [228] solche bei Weißern bestellt worden. Die Büste Durchlauchtigster Herzogin ist zur Feyer des 30. Januars 1815 schon hinüber.

Stiftung, Vermehrung und Erhaltung eines so schönen Instituts verdiente dem Bergrath Lenz wohl die Aufmerksamkeit, daß man bey dieser neuen Einrichtung sein Bildniß, wie es dem Büttnerischen unten in der Bibliothek geschehen, aufstellte. Solches war von Demoiselle Seidler recht glücklich gemalt.

Als Durchlaucht der Erbprinz neulich einen Grabhügel bey Groß-Romstedt eröffnen ließen und die daselbst gefundenen wenigen Alterthümer auf Herzogliche Bibliothek gebracht wurden, so wurden an den Rentamtmann Urlau zu Capellendorf 20 Thaler ausgezahlt, um diejenigen Arbeiter proportionirlich zu belohnen, welche bey sorgfältigem Ausgraben der Körper sich besonders hervorthaten. Hierdurch sind eine Anzahl wohlerhaltener Schädel, sogar mit Unterkiefern, ja ein ganzes Skelett in unsre Hände gekommen, welche mit Sorgfalt nach Jena geschafft und daselbst aufgestellt worden sind. Denn es ist freylich eine schwierige Aufgabe, morsche und durcheinander geworfene Reste dergestalt zu erhalten, daß sie den Freunden der Wissenschaft zum Vergnügen und Nutzen gereichen. Das Nähere wird zu den Acten gebracht werden.

Im Kabinett der naturforschenden Gesellschaft, so wie im anatomischen, ist Klage über wäßrigen [229] Branntewein, welcher schneller verdunstet. Es wäre die Frage, ob man nicht einen Versuch machen sollte, nach Sömmerings Vorschlägen, den Branntewein, ehe man ihn auf die Präparate gießt, zu dephlegmiren. Da wir Platz und Gläser genug haben, wird sich nächsten Sommer gar leicht ein Versuch machen lassen.

Serenissimus haben an das physikalische Kabinett ein paar Luftballone gesendet; auch ist ein Ofen zu Füllung derselben und andern Feuer-Versuchen im Schlosse auf höchsten Befehl angelegt worden.

Meine sämmtlichen optischen und chromatischen Instrumente, Vorrichtungen und Zubehör habe ich nach Jena schaffen und einstweilen in der Bibliothek ausstellen lassen.

Die Einrichtung des botanischen Gartens besteht, wie immer. An derselben ist nur zu bemerken, daß die Anstalt nicht sowohl durch Nachlässigkeit, als durch Eigensinn des Gärtners (in welcher Eigenschaft er mit allen Jenensern wetteifert) theilweise in's Stocken gerathen.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-90D3-A