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An Bernhard August von Lindenau

[Concept.]
Hochwohlgeborner,
insonders hochgeehrter Herr!

Ihro Königliche Hoheit konnten wir bei dem bedauerlichen Abgang des Herrn von Münchow nichts Erfreulicheres mittheilen als die Nachricht daß Ew. Hochwohlgeboren für die Wiederbesetzung der Stelle sogleich Sorge tragen wollen.

Herrn von Münchow ist in diesen Tagen die ganze Anstalt nebst Zubehör abgenommen und dem Herrn Dr. Körner übergeben worden; sobald Herr Posselt ankommt, wird er gleichmäßig eingesetzt und soll überhaupt willkommen seyn. Außer der ihm zugesicherten Besoldung erhält er noch freies Quartier und die Benutzung eines angenehmen Gartens. Für mich hoffe bei dieser Gelegenheit den Gewinn mit Ew. Hochwohlgeboren in ein näheres Verhältniß zu treten.

Und so will ich denn gleich jetzt nicht verfehlen, daß ich mich schon längst mit dem Gedanken trage, mathematische und chemische Physik zu trennen, wie es die großen Fortschritte dieser Wissenschaft zu verlangen scheinen. Man sehe, wie wunderlich die Physik sich unter des klugen und thätigen Lichtenbergs Händen auf Erxlebens schmalen Grunde aufhäuft, man sehe Grens Handbuch, und man wird eine Masse [108] von Wissen bemerken, die niemand lehren und niemand lernen kann. Diesen Reichthum zu sondern, wäre Zeit und könnte Herr Posselt vielleicht gerade der Mann seyn, welcher den mathematischen Theil der Physik glücklich behandelte und zufrieden wäre, wenn das Andere nicht von ihm gesondert würde. Und so könnten die höchsten Höfe bei dem dereinstigen Abgange des Mannes, der diese Wissenschaft jetzt verbunden vorträgt, derselben nutzen und den Zustand der Lehrer verbessern.

Sind Ew. Hochwohlgeboren diesem Gedanken nicht ganz abgeneigt, so kann ich ein längst entworfenes Schema mittheilen, wo ich tabellarisch einen Theilungstractat aufgeführt habe, um zu bezeichnen, was dem Mathematiker und dem Chemiker zufiele; einer verwiese sodann auf den andern, einige Capitel behandelten sie gemeinschaftlich; alles was über die Erfahrung hinaus geht, überließen sie den Philosophen.

Für die merkwürdige Nachricht aus den fernen Himmelsräumen danke zum allerschönsten; möchten Dieselben mich von Zeit zu Zeit auf jene Regionen aufmerksam machen, so würde es mich in meinen Beschäftigungen innerhalb unserer Atmosphäre gewiß erheben und erfreuen.

Der ich die Ehre habe mich mit vollkommenster Hochachtung zu unterzeichen.

Weimar den 31. März 1819.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1819. An Bernhard August von Lindenau. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-911E-D