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An Charlotte von Stein

d. 23. S. 82.

Als ich aufwachte und noch halb im Schlafe war sagte ich zu mir: Es ist zeit daß du aufstehst und fortreitest! denn es war mir nicht anders als wenn ich vorhätte zu dir zu gehn. Mit dem völligen Erwachen, trat auch die Wahrheit ein und die süse Hoffnung verschwand für diesmal.

Aber nicht das fröhliche Gefühl daß du mir angehörst, und ich dir. Ich kann dir nicht sagen wie angenehm mir der Ritt nach hause war. Tausendfältig ist meine Freude dich zu sehn, auch tausendfältig das Gefühl wenn ich dich verlasse. Diesmal war es still, beruhigt, mit Gewißheit auf die Zukunft.

Es ist heut Abend Abschieds Thee bey der Herzoginn, der Prinz geht morgen fort. Die übrige Woche will ich fleisig seyn und Sonntags mein Glück aufsuchen.


d. 24ten.

Der Prinz ist weg und hat noch bey mir sein Frühstück eingenommen. Ich bin ihm herzlich gut [60] und wollte er wäre unser, es wär ihm nütze und uns auch. Er hat die Kenntnisse und das Intresse das unsern fürstlichen Personen fehlt, um das in Bewegung zu setzen und zu erhalten was so reichlich bey uns vorräthig ist, und was auserdem ieder für sich behält. Wie verlangt mich mit dir zu reden, und zu seyn, und dir vielerley zu erzählen und auszulegen.


d. 25ten.

Ich fertige meinen Boten ab, der zugleich sechs Zitronen überbringen soll, willst du ihrer mehr, so schreibe ich kann sie Sonntags mitschaffen. Vergebens habe ich nach Obst und sonst etwas mich umgethan, es fehlt an allem. Weintrauben brachte man mir, die waren sauer und meine Liebe soll bey nichts Saurem sich meiner erinnern.

Lebe wohl, bald kann ich dich wieder unterhalten von dem was meines Lebens bestes Theil ist. Ein guter Brief von Knebeln ist mir zugekommen.

Grüse Steinen und deinen Bruder. Ich binn immer bey dir.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1782. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-92CF-A