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An Johann Wolfgang Döbereiner
Ew. Wohlgeboren
für das letzte gehaltreiche Schreiben zum verbindlichsten dankend, kann versichern, daß es mich auf's erfreulichste angeregt hat, über diese wichtigen, so nahe verwandten Erscheinungen zu denken. Ich wünsche daher bald über die Fruchtbarkeit Ihrer Ansicht, daß physische Wirkung zugleich auch chemische hervorbringen könne, mündlich das Weitere zu verhandeln. Inzwischen bemerke, daß man wohl auf gleiche Weise genug mit einander verwandt sey, und daß man bey einer friedlichen Ansicht der Natur nicht auf einer steilen schmalen Leiter, sondern auf einem gelinden und breiten Planum inclinatum auf- und niedersteigt.
Ferner hätte ich, da uns die Kälte noch begünstigt, Sie zu ersuchen, Sie möchten in Gefolg der Bemerkung, daß auch durch's Erkalten die durchsichtigen Körper entoptische Eigenschaften erlangen, einen gleichen Versuch mit gläsernen Täfelchen machen. Bey freyer Übersicht darf man gar wohl aussprechen, daß die entoptische Wirkung vom Temperaturwechsel herrühre. Wenn man also ein im hohen Grad erkaltetes Glas unmittelbar in starke Wärme brächte, so wäre zu vermuthen, daß ihm die Eigenschaft, [131] Formen und Farben hervorzubringen, mitgetheilt würde.
Mit den besten Wünschen und Empfehlungen.
ergebenst
J. W. v. Goethe.