48/239.

An Kaspar von Sternberg

Also Glück auf!

Man mag über diese Angelegenheit denken, wie man will, so sind ihre Folgen incalculabel. Ich hoffe das Beste.

Denn ich habe doch auch von diesen Stockprotestanten und Preßfreyheitlern gesehn, die, es ist nicht übertrieben, mit Entzücken von Wien zurückkamen und meynten, es sey doch auch ein ganz schmackhaftes Luftleben daselbst, welches dem Blatt-, Heft,- und Neuigkeitsleben, wenn jenes immer zu haben wäre, wohl vorzuziehen seyn möchte.

[263] Die Einleitung ist höchst respectabel, und was der hochverehrte Freund so lange vorbereitet hat, wird sich gewiß eines fröhlichen Decurses und glücklicher Folgen zu erfreuen haben.

Mit der fahrenden Post geht endlich das längst intendirte Heft ab, freundliche Ausnahme sich erbittend. Der dritte Nachtrag über die Spiraltendenz ist nur ein summarischer Auszug von meinen Bemerkungen in dieser Angelegenheit. Seit jenen Winken des Freund Martius hab ich nicht nachgelassen, zu beobachten und zu denken. Es ist schön, wenn uns in hohen Jahren ein solches Problem, das sich aus unsern frühern Gedanken entwickelt und mit ihnen vollkommen congruirt, dargeboten wird. Möge es in den Studiengang des verehrten Freundes auch mit eingreifen.

Aus dem neusten mitgetheilten Hefte der böhmischen Zeitschrift habe mir besonders die böhmischen Geologica zu Gemüthe geführt. Wie lange tast ich schon auf jenem Grund und Boden herum, und wie sehr willkommen muß mir eine so genügende Aufklärung seyn. Eine unschätzbare, aus beynahe 100 ausgewählten Stücken bestehende Sammlung bezüglich auf Gangformation, in Freiberg mit besonderer Gunst zusammengestellt, nöthigt mich zu fortgesetztem Nachdenken über diese Angelegenheit. Was mir aber auch dabey für Lichter aufgehen mögen, so leuchten sie mir allein, und darf nicht wagen, irgend jemanden in [264] diese halberhellten Finsternisse hereinzuladen. Glücklich macht mich aber der Gedanke, daß uns doch vergönnt ist, nach und nach der Auflösung so großer Probleme mit Bescheidenheit näher zu rücken.

Zu Stärkung und Kräftigung habe ich angefangen, die Dialogen des Galilei zu lesen. Wenn man nicht rechnet, was in seiner Zeit noch unbekannt war, und wie man sich mit dem aristotelischen Buchstaben herumzuschlagen hatte, so ist es ein höchst auferbauliches Lesen. Wie sich der Naturbild gegen den Buchstaben wehrt, ist fast zum Betrüben. Wie es aber auch im Einzelnen mit Kenntniß und Urtheil stehen mag, so dringt doch an den Hauptstellen hervor: daß hier ein Mann denkt, spricht und wirkt, welcher zu jeder Zeit groß gewesen wäre.

So verhält sich's also mit meinen Beschäftigungen, daß ich mich beklagen darf, da mir noch der Sinn bleibt, das Gute, Schöne und Vortreffliche mit Enthusiasmus anzuerkennen. Auch von Seiten der bildenden Kunst sind mir, höchst erfreulich und aufregend, treffliche Dinge zugekommen, theils zu eignem Besitz, theils in vorübergehender Berührung.

Indem ich nun freylich nach jenen herrlichen Wiener Feyerlichkeiten nur aus beschränkten Zuständen hinblicken darf, so bleibt mir der desto lebhaftere Wunsch übrig: dem so würdig- thätigen Freunde möge die Gesundheit günstig seyn, um ein so wichtiges Amt glücklich durchzuführen. Ich möcht es einen Feldzug [265] nennen, und da wird denn wohl für einen ausreichenden Generalstab gesorgt seyn.

Und so theil ich meine Person, indem der körperliche Theil sich, dem Alter geziemlich, zwischen seinen Wänden verhält, der geistige dagegen, zum Trutz der scheidenden Räumlichkeit, recht gründlich theilnehmend den verehrten Freund begrüst und umarmt.

Um öftere Mittheilungen im Laufe der nächsten Monate bittend.

unwandelbar angehörig

Weimar den 30. Juni 1831.

J. W. v. Goethe.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1831. An Kaspar von Sternberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-976E-9