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An August von Goethe

Carlsbad den 17. August 1808.

Der Bibliothekar hat mir deinen Brief vom 4. August zugeschickt, woraus ich mit Vergnügen sehe, daß deine Reise glücklich abgelaufen und du manches interessante gesehen und bemerkt hast. Dein gegenwärtiger Aufenthalt hat freylich den Vortheil, daß er in einer Gegend liegt die an Natur- und Kunstmerkwürdigkeiten reich ist. An Monumenten und Trümmern, die an eine vergangene Zeit erinnern, fehlt es auch nicht. Woran du schon viel Vergnügen gehabt hast und künftig haben wirst. Richte deine kleinen Excursionen, wie die Ferien es dir erlauben, von Heidelberg aus nach allen Seiten hin, bis du einmal späterhin weitere Sprünge machen kannst.

Schreibe mir doch nun auch, wenn es gegen Michael kommt, wie du dein vergangenes halbes Jahr in Absicht der Studien betrachtest; worin du glaubst weiter gekommen zu seyn und was du auf den Winter vornehmen wirst. Eben so melde mir auch, wie es mit deinem öconomischen steht und wie du den Auswurf deines Etats fürs nächste halbe Jahr zu machen gedenkst. Zu deinen Touren und sonstigen Extraordina riis [144] werde ich mich ja wohl mit einem Zuschuß einstellen müssen.

Mir ist es bisher immer noch recht wohl gegangen. Ich habe mich gut befunden und bin fleißig gewesen. Auch hat es mir an guter Gesellschaft und mancherley Unterhaltung nicht gefehlt. Der Landschaftmaler Kaaz von Dresden hat uns recht lebhaft ins Zeichnen und Malen hineingeführt.

In der Hälfte Juli war ich in Franzenbrunn und habe zwölf Tage getrunken und gebadet, welches mir so wohl bekommen ist, daß ich wieder hingehen werde, sobald man nur wieder Quartier haben kann: denn gegenwärtig ist alles übermäßig besetzt; Carlsbad aber schon wieder ziemlich leer, indem die hiesige Gesellschaft theils nach Franzenbrunn, theils nach Töplitz gegangen ist.

Unser Herzog ist in Töplitz und befindet sich, wie ich höre, recht wohl daselbst. Bergrath Werner ist hier. Übrigens sind von der großen Masse der Besuchenden vorzüglich deine Freunde, die Polen und Juden, übrig geblieben.

Die Mutter war in Lauchstedt nicht ganz zufrieden. Freylich gegen sonstige Jahre mag es still gewesen seyn. Die Leipziger kamen wohl zum Schauspiel, fuhren aber gleich wieder fort. Die Einnahmen waren auch nicht wie sonst, doch muß man jetzt mit allem zufrieden seyn und sich nur zu erhalten suchen.

Die Mutter wird vor einigen Tagen wieder in [145] Weimar angetroffen seyn. Schreibe ihr doch bald wenn du es noch nicht gethan hast, und vernachläßige womöglichst deine Hand nicht gar zu sehr. Der Tag ist lang und wenn du ein Drittel der Zeit mehr auf einen Brief wendest, so liest ihn dein Correspondent mit Vergnügen, indem er nicht nöthig hat die mühselige Dechiffrirkunst anzuwenden.

Ich werde wohl vor Hälfte September nicht nach Hause kommen. Es behagt mir gar wohl in diesen Gegenden, und überdieß kann ich meine Zeit gut genug anwenden. Ich stehe gewöhnlich früh auf und dann wird den Tag über mit allerley Beschäftigungen abgewechselt.

An der Geschichte der Farbenlehre ist manches geschehen. So habe ich auch meine Gedanken auf kleine Romane und Erzählungen gewendet, einiges dieser Art angelegt, anderes ausgeführt. Auch das Steinreich hat mich in einzelnen Theilen angezogen, besonders ist mir der Vulcanische oder Pseudovulcanische Hügel bey Eger, der Cammerbühel genannt, sehr merkwürdig erschienen. Versäume doch nicht auf deinen Reisen eine geologische Bemerkung in dein Tagebuch zu notiren. Es ist gar zu angenehm, wenn einem die Oberfläche der Welt mit ihren Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten, nach und nach, vor die Augen Tritt, und man wird alsdann überall veranlaßt das Gesehene wieder in die Einbildungskraft zurückzurufen.

Schildere mir doch auch gelegentlich die vorzüglichen [146] Personen, die du kennen gelernt, an Lehrern und Lernenden, Jungen und Alten. Besonders auch bemerke auf deinen Wallfahrten das Volk der verschiedenen Provinzen, ihre Gestalt und Art, ihre Sitten und Betragen. Vergleiche sie mit denen, die du schon kennst, und bereite dich auch hierdurch zu einer weitern und breitern Erfahrung.

Empfiehl mich Herrn Thibaut, Voß und sonstigen Freunden, und führe dein Wesen fort wie bisher zu deiner eigenen und zu Anderer Zufriedenheit. Laß mich in Weimar einen Brief finden, auf den du vor Michael noch Antwort haben kannst. Lebe recht wohl und gedenke unser.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1808. An August von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-97E2-3