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An den Grafen von Cancrin

[16. August 1830.]
Hochgeboren
Hochverehrter Herr.

Ew. Exzellenz empfunden gewiß, im Augenblick als Hochdieselben mir eine so bedeutende Gabe zudachten, die vollkommene Freude welche mir dadurch würde bereitet werden, und ich darf also die Worte eines verpflichteten Dankes eher mäßigen als sie in ihrer Fülle dem Papier überliefern.

Seit sechzig Jahren den Naturwissenschaften, besonders eifrigst der Mineralogie und Geognosie, bescheidentlich der Geologie ergeben, sammelte ich manches Bedeutende um durch stufenweis wachsende Kenntniß einer fortschreitenden Bildung theilhaft zu werden.

Nun will ich gerne gestehen daß die wichtigen Entdeckungen unschätzbarer Ausbeute in dem so ergiebigen [185] russischen Reiche meine ganze Aufmerksamkeit erregten, und daß, je mehr Kenntnisse mir davon zukamen, ich desto mehr mir auch den Besitz einiger Musterstücke wünschte, um durch unmittelbare Beschauung, gleichsam ein innigeres Gewahrwerden, eine gewisse Annäherung an diese bedeutende Naturerscheinungen zu gewinnen.

Ew. Hochgeboren machen mich geneigtest dieses Wunsches zu meiner Überraschung theilhaft, und wenn ich dabey denken darf Ihro Majestät der Kaiser haben auch nur einen Augenblick sich meiner erinnert, so werden mir jene glücklichen Stunden wieder lebhaft vorgeführt, in denen ich das Glück hatte das Allerhöchste Paar in meinem kleinen Gartenraum zu verehren; da mir denn die trennenden Fernen des Raums und der Zeit vor der Einbildungskraft in dem Gefühl wieder zusammengerückt werden.

Nun aber sey ich wohl daß ich mich in's Kurze zu fassen habe, und so versichere ich denn auf das ausdrücklichste, wie die mir gegönnten theuren Pfänder, die meiner wiederholten Ansicht als Wunder der Natur erscheinen, mir auch als Symbol allerhöchster Gnade und wünschenswerthester Gunst gelten müssen.

Vorgesagtes möchte ich nun gar zu gern im Laufe des Schreibens als Text einer weiter auszuführenden Anerkennung behandelt, jedoch bescheid ich mich hier zu schließen und Ew. Exzellenz für den Rest meines Lebens mich andringlichst zu empfehlen, nicht weniger [186] auch zu versichern, daß ich den Antheil, welchen Hochdieselben meinen Arbeiten Schenken wollen, mit innigstem Gefühl aufzunehmen und mich daran zu stärken wisse.

Verehrend

Ew. Exzellenz

ganz gehorsamster Diener
Weimar d. 15. August 1830.
J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An den Grafen von Cancrin. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-99C6-F