[168] 23/6526a.

An den Herzog Carl August

Unterthänigster Vortrag.


Ew. Hochfürstl. Durchlaucht

geruhen nachstehendes in gnädigste Erwägung zu ziehn.

Carl Lieber, Sohn des Cammerdieners Ihro Durchl. der regierenden Herzoginn befand sich seit 1808 unter denen, welche täglich auf den Zeichensaal kamen, um auch außer den Tagen, an denen öffentlicher Unterricht ertheilt wurde, zu arbeiten, und that [168] sich schon damals hervor durch ungemeine Reinlichkeit und fleißige Vollendung seiner Producte. Hierauf setzte er seinen Fleiß auf andere Weise fort durch Landchartenzeichnen im hiesigen geographischen Institut und nachher im französischen topographischen Büreau zu Erfurt.

Im Jahr 1808 lieferte er zur Ausstellung eine braungetuschte Zeichnung nach Philipp Hackert, die Ansicht von Itri darstellend, welche ihm eine Preismedaille erwarb.

Das folgende Jahr erhielt er wegen vorzüglich wohlgerathenen perspectivischen Zeichnungen nach Steiner ebenfalls Preismedaille.

Zur Aufstellung 1810 gab er, nach der Natur gezeichnete und braun getuscht, die vor dem Jacobsthor um den sogenannten Goldbrunnen stehenden Pappeln mit einem dazu erfundenen Hintergrunde, ein gefälliges Werk.

1811 wurden, neben andern Sachen, von ihm ausgestellt die sehr sauber nach der Natur gezeichneten und mit Aquarell ausgemalten Ansichten des von Gorischen Begräbnisses in der Jacobskirche, welche Fräulein von Gore bestellt hatte und freygebig belohnte; wodurch Lieber zum Theil in den Stand gesetzt worden, die voriges Jahr mit Ew. Durchl. gnädigstem Urlaub unternommene Reise nach Dresden und seinen zeitherigen Aufenthalt zu bestreiten.

Diese Reise hat er nicht ohne Anregung sowohl[169] von meiner als des Hofrath Meyers Seite unternommen: denn da er sich bey der Nachahmung so wie bey der Ausführung der größten Reinlichkeit und Vollendung immer mehr befließigt, so schien er uns wohl werth, Ew. Durchl. beym Institut dereinst als Unterlehrer empfohlen zu werden, weil es auf jene Eigenschaften bey unserem Unterricht vorzüglich ankommt, indem dabey nicht sowohl vom Genialen als vom Technischen die Rede seyn kann; und obgleich die Zeichnungen nach Ruysdal, von Everdingen, Friedrich, welche Lieber seither eingesandt hat, wovon Ew. Durchl. selbst einiges bekannt geworden, zum Zeugniß seines Fleißes und seiner Fortschritte dienen; so würde ich dennoch angestanden haben, Ew. Durchl. gedachten jungen Mann zu seiner Stelle schon gegenwärtig zu empfehlen, wenn nicht zu wünschen wäre, daß er wegen äußerer Verhältnisse, bey seinem schönen Talent und schwachen Körperbau, zur Beruhigung käme.

Geruhten Ew. Durchl. daher, ihm den Character eines Unterlehrers bey dem hiesigen Institute gnädigst beyzulegen, so würde von einer ihm sogleich zu bestimmenden Besoldung nicht die Rede seyn: denn da wünschenswerth ist, daß er, insofern die Umstände es erlauben, noch länger in Dresden verweile, so kann er wohl, indem er sich dort nach großen Meistern übt, einiges verdienen, und würde selbst von Seiten des Instituts und sonst Gelegenheit finden, ihm weiter fort zu helfen.

[170] Indem ich nun Vorstehendes Ew. Durchl. höchstem Ermessen anheimgebe, so unterzeichne ich mich mit lebenswieriger Verehrung

Ew. Durchl.

unterthänigst

treu gehorsamster

Weimar den 6. März 1813.

J. W. v. Goethe. [171]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1813. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9A0E-5