20/5582.

An Charlotte von Schiller

[16. August.]

Vor meiner Abreise von Carlsbad muß ich Ihnen, theuerste Freundinn, noch meinen lebhaften Dank sagen für den freundlichen Brief, den ich kurz nach meiner Ankunft erhielt und der mich seit der Zeit, in einsamen Stunden, manchmal gar heiter angeblickt hat. Wie schätzenswerth ist es nicht zu erfahren, daß die wenigen Resultate unsres Lebens, die auf dem Papier mit gedruckten Lettern stehn bleiben, unsern Freunden wirklich etwas sind, unser Andenken erneuern und an die Stelle der Gegenwart treten. Haben Sie recht vielen Dank daß Sie Ihre Empfindungen und Gesinnungen so treu und kräftig aussprechen mögen. Nicht jedermann vermags und unter den vermögenden sind nicht alle so wohlthätig.

[142] Ich bin nun in der vierzehnten Woche hier. Ich wollte der Sommer ging von neuem an und ich wollte immer so fort mein Leben und Wesen hinführen. Das klingt nicht sehr höflich für die abwesenden Freunde! und doch habe ich vielleicht in diesen Woche auch für Sie mehr gethan als sonst in Jahren. Freyheit bey geistigen Bedürfnissen, Mäßigung bey körperlichen giebt ein Gleichgewicht, das man vielleicht nur in einem Verhältniß wie das hiesige, erhalten kann. Ich habe mich sehr wohl befunden und bringe davon einige Zeugnisse mit.

Wahrscheinlich gehe ich Montag den 22. Hier weg und bleibe noch vierzehn Tage in Franzenbrunn, wo ich schon etwa zwölf Tage versucht habe zu trinken und zu baden, wobey ich mich vortrefflich befand. Hier habe ich viele alte Bekannte wieder gesehen; Niemand aber, soviel ich weiß, der Sie besonders interessirte. Auch dießmal bin ich nicht weit vom Ort gekommen, weder nach Prag noch Töplitz; die Zeit geht aber ohnehin sehr geschwind herum wenn man eine Cur brauchen, sich der Gesellschaft nicht ganz entziehen und noch etwas arbeiten will. Ich weiß wirklich nicht, wo die drey Monate hin sind. Nun steht meine Hoffnung zunächst, meine lieben weimarischen Freundinnen versammelt wieder zu finden, und die Dienstage, die Mittwoche und was sonst noch Festliches vorkommen mag, wieder mitzufeyern. Empfehlen Sie mich Herrn und Frau von Wolzogen[143] zum allerschönsten, so wie auch Frau von Stein. Grüßen Sie auch die lieben Ihrigen.

Goethe.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1808. An Charlotte von Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9A1C-5