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An Caroline von Wolzogen

Jena, 10 December 1811.

Sie sind mir liebe Freundinn so ganz unvermuthet entwischt, daß ich Sie nothwendig mit Gegenwärtigem verfolgen muß. Warum soll ich nicht bekennen, daß ich gerade von Ihnen für den Knaben ein freundliches Zeugniß gewünscht hätte, damit Lust und Muth dem Jüngling nachzugehen, in mir gestärkt würde. Doch will ich das auch, wenn es seyn muß, entbehren und mich an den Glauben halten, daß ihnen jenes Büchelchen willkommen gewesen.

Indem ich in Jena einige ruhige Tage mit rückwärts auf das vergangene Jahr verrichtetem Blicke zubringe, finde ich leider auch eine ziemliche Sammlung unbeantworteter Briefe vor mir und stecke so tief in Schulden, daß ich mich kaum zu retten weiß. Dürfte ich sie daher wohl bitten, etwas davon in meinem Namen abzutragen?

Möchte doch Herr von Dalberg durch Sie erfahren, daß ich ihm für das übersendete Werk sehr dankbar bin. Seine Nachforschung und Zusammenstellung so interessanter Gegenstände war mir sehr erwünscht und belehrend. Es ist gar schön, wenn angeregt durch neue oder wiederbemerkte Naturphänomene Jemand in's Altertum zurückgehen mag und dasjenige zu vereinigen sucht, was man sonst darüber erfahren, [211] gedacht und gewähnt habe. Durch Ihre Vermittlung wird mir Herr von Dalberg gewiß mein bisheriges Schweigen verzeihen, und meinen Dank aus Ihrem Munde günstiger aufnehmen.

Gegen Frau von Hastfer bin ich abermals ein Schuldner geblieben. Mögen Sie ihr in meinem Namen für die überschickte wohlgerathne Legende freundlichst danken uns sie ersuchen mich unter ihre Subscribenten zu setzten.

Finden Sie meine theuerste Freundinn, eine ruhige Viertelstunde, so sagen sie mir ein Wort wie es Ihnen geht und was Sie zunächst umgiebt.

Das musicalische Werk, welches Herr Windischmann verlangte, war leider nicht bey und uns vorzufinden. Grüßen Sie ihn zum schönsten und entschuldigen.

Ihr lieber ist, hoffe ich, wieder hergestellt. Es ist das Gute in Kindheit und Jugend, daß oft schwere Krankheiten eine schnellere Entwickelung und ein besseres Gedeihen vorbereiten.

Leben Sie recht wohl und gedenken meiner freundlich. Wenn es sich schicken will so bringen Sie mich auch wohl bey Ihro Königl. Hoheit dem Fürsten Primas wieder in ein gnädiges Andenken.

Schenken Sie beyliegendem Blatte einige Aufmerksamkeit. In der Privat-Canzley des Großherzogs müssen die sämmtlichen Namen unserer bedeutenden Männer vorhanden seyn, vielleicht verschafft mir Ihre Freundschaft einiges davon. Ich lebe jetzt gar zu gern[212] in solchem unmittelbaren Andenken der alten Zeit. Wie immer der Ihrige

Goethe. [213]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1811. An Caroline von Wolzogen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9A33-F