47/20.

An Elisabeth Cotta

[Concept.]

[18. April 1830.]

Ew. Gnaden sind schon von der Freyheit unterrichtet, die ich mir zu nehmen gedachte, ein weimarisches poetisches Product Ihrem Urtheil und gefälliger Begünstigung vorzulegen. Es spricht für- und vielleicht auch wider sich selbst; den, ohne irgend einer Ansicht vorzugreifen, möchte ich es, in Bezug auf Ihro Majestät zu naiv und in Bezug auf den Abgebildeten zu enthusiastisch finden. Doch dieß sind gerade zwey Eigenschaften, in welchen der Poet am wenigsten zu mäßigen ist.

Im Ganzen jedoch stellt es sich als ein unwidersprechliches Zeugniß dar, welch ein bedeutend-anhaltende Wirkung die gnädigste Anwesenheit Ihro Majestät und die fortgesetzte unschätzbare Theilnahme, welche Höchstdieselben Ihrem Begünstigten erwiesen, bey uns angeregt und lebendig erhalten hat. Wobey die im Öffentlichen bekannt gewordenen Gedichte Veranlassung geben mußten sich in das Innerste eines so menschlich denkenden und fühlenden Fürsten zu versetzen.

Mehr will ich nicht sagen weil der Leser beykommender Blätter selbst genötigt wird, den Dichter dem Fürsten gegenüber zu stellen und zu untersuchen: ob er sich dessen hohem Sinne genähert und dessen Absichten treulich anerkannt habe; so viel aber wird[20] immer daraus hervorgehen: daß es nicht ein einzelner Mensch ist, der sich äußert, sonder daß hier das Resultat eines gesellig-gebildeten Zusammenlebens, nach langem Besprechen und Verhandeln, endlich von einem Einzelnen poetisch ausgedruckt worden.

Ew. Gnaden und dem Herrn Gemahl, denen diese Arbeit gewiß nicht ganz mißfallen wird, sey nun völlig anheim gegeben, was hierüber weiter zu verfügen seyn möchte. Sollte nicht vielleicht gerade jetzt Ihro Majestät, in gegenwärtiger idyllischen Einsamkeit, ein solcher treuer Zuspruch, aus der fernen geselligen Welt, angenehm seyn und Höchstdieselben sogar, auf eine freundlich-bescheidene Weise, in das Vaterland zurück einladen, wo ein solcher Fürst und Mensch sich so vieler treuer Verehrer gewiß halten kann. Vielleicht hinzugefügt einer abgehenden Depesche, würde das Werklein zu guter Stunde anlangen und eine wünschenswerthe Wirkung hervorbringen.

Doch werde dieses nur als Wunsch und nicht als Vorschlag, oder gar Absicht betrachtet. Wir haben hier am Orte dieses Gedicht secretirt, um jeder Art allenfalls zu beliebender öffentlichen Bekanntmachung nicht vorzugreifen, und denken es damit, als einem besonders gewidmeten Opfer gleichmäßig fortzuhalten. Trügt uns unsere Hoffnung nicht, so hat der Verfasser Dr. Eckermann sich als ein lobenswürdiges Talent dabey zu erkennen gegeben, welcher deshalb in dem besten Sinne empfohlen seyn möge.

[21] Sollte die in dem gegenwärtigen Falle von mir gewagte Freyheit sonderbar erscheinen, so bitte Ew. Gnaden sie dem Eindruck zuzuschreiben, der, seit Ihrem Hierseyn, unabänderlich bey mir und bey den Meinigen fortgewirkt hat, und welcher in einem entschiedenen Vertrauen auf Dero Charakter und Übersicht besteht, wozu einen Ausdruck zu finden diese Gelegenheit mir höchlich zusagte.

In wiederholter Versicherung verpflichteter Angelegenheit unterzeichne mich hochachtungsvoll.

Weimar den 14. April 1830.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Holder of rights
TextGrid

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1830. An Elisabeth Cotta. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9AF7-8