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An Friedrich von Schuckmann

Ew. Excellenz

gütiges und vertrauenvolles Schreiben hat mich in einer Arbeit gestärkt, die, frohen Muthes unternommen, mir täglich unter den Händen wäscht, und mehr Forderungen an mich macht als ich voraussehen konnte. Bey meinem Aufenthalte in Cöln fand ich unter den Einwohnern sehr viel Neigung und Freude an Kunst und Alterthum, bedeutende Reste älteren Besitzes, Lust zu sammlen, zu erhalten, zu benutzen und zu genießen, zugleich einen Durst nach Wissenschaft, das Gefühl des Bedürfnisses einer höheren Ausbildung. Wie diese schönen, aber zerstreut schwebenden Elemente zu vereinigen seyn möchten, darüber wurde vielfach verhandelt und man verlangte zuletzt daß ich aufzeichnen solle, was ich gesehen und erfahren, gehört und gedacht, damit man überblickte, was vorhanden, was erwartet, gewünscht und gehofft werde. Dieß habe ich, so gut es die Umstände zuließen, gethan und ferner in diesem Sinne die merkwürdigsten Orte, Rhein- und Maynaufwärts bis Basel und [127] Aschaffenburg theils bereist, theils Nachrichten daher gasammelt, woraus denn ein Heft entstanden welches sich ferylich in seinen Theilen nicht gleich seyn kann und wenn es seinem Zwecke vollkommen entsprechen sollte, neue Untersuchung und Bearbeitung erforderte. Da es aber der Wunsch der Personen, die mich veranlaßt, und auch mein eigener ist, auf den Augenblick, wo so vieles sich zu gestalten strebt, nach Kräften mitzuwirken, so fahre ich nun mit desto größerer Zuversicht fort, als dieses Unternehmen Ew. Excellenz Aufmerksamkeit auf sich ziehen können, wie ich denn dem Herrn Staatsrath Süvern den größten Dank schuldig bin, daß er mir diese Gunst verschaffen wollen.

Der Anfang des Manuscripts ist nicht mehr in meinen Händen, sobald aber ein Aushängebogen zu mir gelangt, so nehme mir die Freyheit solchen zu überschicken, mit der Bitte denselben als Handschrift einstweilen bey Sich niederzulegen. Ich werde nicht verfehlen bogenweis fortzufahren, und jedesmal dasjenige schriftlich nachzubringen, was man dem Druck anzuvertrauen Bedenken trug, und ich würde mich sehr glücklich schätzen wenn meine Betrachtungen in einer so wichtigen Angelegenheit irgend einen Einfluß haben und höchsten und hohen Orts gebilligt werden könnten.

Der Moment ist freylich gar zu schön und kommt nicht wieder, und also darf ich wohl Verzeihung [128] hoffen, wenn ich, gegen meine Gewohnheit, mich unausgefordert mit Gegenständen beschäftige, die nur von Männern behandelt werden sollten, welche praktisch einzugreifen, durch That und Werk die Richtigkeit ihrer Überzeugungen darzuthun berufen sind.

Mich verehrungsvoll empfehlend

Ew. Excell.

Weimar

ganz ergebenster

d. 1. Nov.

Diener

1815.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1815. An Friedrich von Schuckmann. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9B5D-D