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An August von Goethe

[5. December.]

Dadurch daß deine liebe Mutter dich in Frankfurt gesehen und nachher in Heidelberg besucht hat, fühle ich mich beynahe eben so als wenn wir selbst wieder zusammen gewesen wären. Deine Krankheit erfuhr ich zugleich mit deiner Genesung und so ward mir diese Nachricht erträglicher. Leider daß sich durch das Übel, welches du erduldet, die alte Wahrheit bestätigst, kein Ort auf der ganzen Erde eigentlich für einen gesunden Aufenthalt anzusprechen. Jedes Clima, jede Lage, haben ihre Tücken; nimm dich vor den Heidelbergischen ja so gut in Acht als es gehen will. Mich freut es, daß du an dem Vossischen und[235] Thibautschen Hause so gute Freude gefunden hast. Lasse dich ja nicht durch Kleinigkeiten empfindlich oder gar mißtrauisch machen und lerne bey Zeiten, daß man in der Welt, was nur irgend möglich ist, vermitteln soll. Es giebt Verhältnisse genug mit denen das nicht angeht.

Ich freue mich deines Fleißes, und es ist recht wohl gedacht und gethan, daß du dir die besondern halbjährigen Zeugnisse von deinen Lehren erbittest. Du nimmst dadurch das löbliche stillschweigende Engagement, daß du immer so fortfahren wollest und werdest. Insofern dergleichen Zeugnisse zu deiner künftigen Legitimation dienen sind sie auch höchst schätzenswerth: denn in einer Zeit, wo alles so wunderlich und willkürlich durcheinandergeht, ist es nicht genug sich mit innerm Verdienst zu rüsten; man thut auch wohl, wenn man sich nach außen bepanzert und ausputzt.

Mir ist es im Ganzen recht wohl gegangen, nur haben mir die Händel beym Theater schon mehrere Wochen eine Störung in die vorgenommenen Arbeiten gebracht. Es geht mit dieser Krise, wie mit Krisen in einem Körper, der sich mit allerley heimlichen Mängeln hinschleppt die vielleicht gar selbst einander die Wage halten, und eine Art von kranker Gesundheit ausmachen; wird dann aber auch zufällig hier einmal das Gleichgewicht aufgehoben, dann geht es bunt her und es wird schwer den völligen Untergang [236] zu verhüten. Noch habe ich nicht alle Hoffnung aufgegeben, und wenigstens die Sache theils für mich, theils mit Wohlgesinnten genugsam durchgedacht, um eine Radicallkur dem Patienten vorschlagen zu können.

Ich habe mit Vergnügen gehört, daß du in Frankfurt überall, besonders aber bey meinem alten Freund Willmer wohl empfohlen bist. Versäume nicht, wenn der Fall kommt ein solches angenehmes und gutes Verhältniß zu cultiviren.

Ich lege hier auf einem besondern Blättchen eine Anfrage bey, die vielleicht Herr Horstig selbst an der Seite, vielleicht auch einer seiner Zuhörer beantwortet. Du thust mir einen Gefallen, wenn es bald geschieht.

Von der Reinlichkeit deiner Wohnung, von deinen Vögeln, deiner Aufwartung und was dich sonst betrifft, haben mir die Mutter und Carolinchen gar Erfreuliches erzählt; besonders war mir lieb, daß ihr Herrn und Frau von Luck gesehen, die ältesten Freunde auf weimarischem Grund und Boden.

Ich vernehme von der Mutter, daß du wegen deiner rothen Backen Anfechtung hast, und das es Leute giebt, die behaupten solche Farbe sey eben nicht grade ein Anzeichen guter Gesundheit. Ich hoffe du wirst selbst von dieser Gunst der Natur, womit sie dich bezeichnen wollen, einen bessern Begriff haben, und immer so fort leben, wie bisher, daß du sie nicht verscherzest.

[237] Deine übrigen weimarschen Correspondenten, deren du wie ich weiß nicht wenige hast, werden dir von dem was vorgeht schon umständliche Nachricht geben.

Über die Erfurter Zusammenkunft der Kaiser und Könige ist eine Art von höchst abgeschmacktem Tagebuch zum Vorschein gekommen. Vielleicht lege ich es die bey, wenn die Weyhnachtssendung abgeht, welche soeben von der Mutter vorbereitet wird. Nun lebe recht wohl und schreibe mir von Zeit zu Zeit, wie du dich befindest und wie du in dem ernsten Gebäude der Pandecten herumwanderst.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1808. An August von Goethe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9BD5-C