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An Nikolaus Meyer

Wilhelm Tell erscheint nach meinem Versprechen hier sogleich, ich wünsche, daß mir der Buchhandel nicht zuvorkömmt. Dieses fürtreffliche Werk, am dem Sie große Freude haben werden, sollte, nach meinen Absichten, in jenen Gegenden zuerst in Ihren Händen seyn.

Götz von Berlichingen ist nun auch gegeben und ich kann hoffen, daß er in seiner jetzigen Gestalt sich auf dem deutschen Theater ausbreiten werde.

Schreiben Sie mir doch, wie es mit dem dramatischen Wesen in Bremen aussieht und ob Sie noch Lust behalten noch manchmal etwas dafür zu thun. Theilen Sie mir mit was Sie, zu öffentlichen oder Privatzwecken, entweder selbst oder durch Gleichgesinnte, leisten.

Ihr Herr Bruder war sehr freundlich, mir von dem sonderbaren Lippischen Mineral, dessen Entstehung man dem Blitze zuschreibt, einige bedeutende Stücke zu übersenden. Ich danke Ihnen, daß Sie meines Wunsches gegen ihn haben erwähnen wollen, und werde ihm für die Erfüllung desselben selbst danken.

Die übersendeten Gemählde sind glücklich angekommen und haben unsere Theilnahme erregt; darf ich aber aufrichtig seyn, so muß ich sagen: ich wünschte, es wäre nur Eins, und der wackre geistreiche Künstler, [205] der so brav mit seinem Pinsel herumzuspringen weiß, hätte sich mit einer genialischen Sorgfalt zusammen genommen, um einen kleinen Raum mit ächtem Kunstwerth zu füllen, wie es schon gewißermaßen bey dem kleinsten Bilde geschehen ist. Wer so viel vermag sollte die Leinwand, die er vor sich nimmt, als einen heiligen Raum ansehen. Das geistreiche Skizziren betrübt uns, indem es uns in Erstaunen setzt.

Was unsere kleinen Abrechnungen betrifft, so haben Sie doch die Güte uns darüber mit wenigen Worten zu belehren. Wir haben einige 50 Thlr. (die Quittung ist mir nicht gleich zur Hand) nach Tannroda bezahlt. Bemerken Sie mir doch was dadurch saldirt ist, und was wir Ihnen noch schuldig sind. Können Sie mir vor dem Frost noch von gutem alten Franzwein etwas überschicken, so werde ich es dankbar erkennen. Sollte überhaupt von unserer Seite irgend eine Antwort stocken, so sparen Sie einen Brief nicht, um etwa anzufragen und die Sache ins Gleis zu bringen. Sie wissen, daß es bey uns lebhaft hergeht und ein Interesse das andere jagt, so daß manchmal Monate hingehen, bis ein behaglicher Augenblick sich findet, um einem abwesenden Freunde ein behagliches Wort zu sagen.

Demohngeachtet bleiben Sie überzeugt, daß Vater, Mutter und Sohn Ihrer oft mit wahrer Theilnehmung gedenken und daß es immer ein Fest ist, wenn etwas von Ihnen ankömmt. Versäumen Sie [206] nicht uns diesen Winter auch Zeichen Ihres Andenkens zu geben, wir wollen dagegen auch von dem neuen Leben, das uns durch das Fürstliche junge Ehepaar gebracht wird, möglichst mitzutheilen suchen.

Leben Sie recht wohl und nehmen lebhafte Grüße von uns allen.

Weimar den 10. Oct. 1804.

Goethe. [207]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1804. An Nikolaus Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9D50-8