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An Carl Ludwig von Knebel

Carlsbad d. 2. Juli 1808.

Dein freundlicher Brief ist mir vor etwa drey Wochen wohl zugekommen. Nun will ich auch durch [104] eine Gelegenheit antworten, da man sich hier wegen des hohen Porto's und des langsamen Ganges der Briefe von der Post zu scheuen pflegt.

Die sechste Woche meines hiesigen Aufenthalts ist nun schon vergangen. Meine eigentliche Kur habe ich geendigt und trinke nur noch von Zeit zu Zeit weniges nach.

Bisher war die Gesellschaft nicht groß. Man hielt sich nur Partieenweis zusammen. Mit der Ziegesarschen Familie bin ich viel gewesen. Diese sind gegenwärtig nach Franzensbrunn.

Man erwartet die Herzogin von Curland, den Herzog von Gotha und die Coburgischen Herrschaften, wodurch aber mir weder Freude noch Leid zuwachsen wird. Herr von Hendrich kann dir die Badeliste mittheilen. Vielleicht findest du doch bekannte Namen drin.

Bey vielem Gleichgültigen und Wunderlichen findet sich doch auch manches Interessante und Ächte unter so vielen Menschen; z.B. ein Graf Borkovski aus Gallizien, der sich sehr für Mineralogie und Geologie interessirt, und über Freyberg und Dresden zu euch kommen wird. Ich werde ihm ein Blättchen an dich mitgeben und ersuche dich, Seebeck, Lenz, Voigt auf seine Ankunft vorzubereiten. Es ist ein höchst interessanter, noch junger Mann, eine Art Natur dergleichen bey uns gar nicht vorkommt, und von einem unglaublichen Ernst bey allem was er unternimmt. Er ist reich und unabhängig. Seine Bekanntschaft machte ich [105] dadurch, daß er einige von den Steinen mitbrachte, die bey Schammern in Mähren, ein paar Stunden von Iglau, aus der Atmosphäre gefallen sind. Die äußere wellenförmige Verglasung des einen, der inwendig und übrigens ganz mit den französischen übereinkommt, ist höchst merkwürdig, so wie der völlig abweichende habitus des andern.

Der Steinschneider Müller hat doch wieder einige Nova durch seine gewöhnliche Aufmerksamkeit zusammengebracht, so wie ich durch einen Geraischen Arzt auf die dortige Schaumerde aufmerksam geworden, wovon mündlich bey Vorzeigung der Exemplare mehreres erfolgen soll.

Gearbeitet habe ich indessen manches. Zuvörderst brachte ich das Pandorische Drama wenigstens zu einem gewissen Hauptabschnitt. Ich hoffe die Wiener sollen diesen Theil bald gedruckt umhersenden. Viel leicht kommt es dir auch früher als Manuscript in die Hände.

Nun aber laß dich, mein lieber Freund, nicht faul finden, mir auch von Frau v. Stael und was sie betrifft, manches zu melden: wie sie sich im Ganzen und besonders auch mit dir gehalten hat. So viel wirst du mir zugeben, daß es der Mühe werth ist, sie zu kennen: denn man kann sich nur einen Begriff von ihr durch sich selbst machen, indem es ein so höchst merkwürdiges Individuum ist, bey dessen Schilderung man immer in Lob und Tadel das Maaß verfehlt.

[106] Die Felsen und Gebirge habe ich dieses Jahr besser besuchen können als das vorige, da ich mich denn mancher neuen und wohl auch mancher vergessenen Aussichten erfreut habe. In Ellbogen und Engelhaus bin ich auch schon gewesen und habe durch die Bemühung, die ich mir vor einem Jahre mit den hiesigen Fossilien gegeben, eine recht schöne Vorbereitung über diese Gegenstände mehr zu denken und mehr ins Einzelne gehende Beobachtungen zu machen.

Ich habe mir vorgenommen meinen Aufsatz stehen zu lassen wie er ist, aber ihn durch Noten und Zusätze immer deutlicher, anschaulicher und nützlicher zu machen. Schon brauchen ihn die Gäste hier bey ihren Excursionen und Müller hat doch auch einigen Absatz.

Soweit für dießmal. Doch will ich nicht vergessen noch hinzuzufügen, daß ich abermals kleinere und größere Geschichten bearbeite, um mit meinen Vorlesungen fortfahren zu können, wenn wir uns wiedersehen. Ich lege ein paar Briefe bey, meinen August betreffend. Sende sie an den Bibliothekar Vulpius ohne weiters, der schon deshalb Auftrag hat. Viele Grüße!

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1808. An Carl Ludwig von Knebel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-9D94-E