b.

Gleich vom ersten Eintreten an war er heiter, freundlich und unbeschreiblich liebenswürdig, setzte sich, scherzte mit Luischen Löw und durchlief in den beinahe zwei Stunden, die wir bei ihm saßen, einen unglaublich reichen Kreis von Dingen, Menschen und Situationen. Da die Löw von hier zu Graf Kaspar[315] Sternberg reist, sprach er zuerst von ihm, schilderte seine würdige und große Denkungsart, erzählte, wie er sich mit ihm gefunden, welch ein Glück es sei, in seinem Alter noch solche Jünglingsfreundschaft zu schließen. – Zelter, der sei immer ein Mann gewesen, habe sich durch's Leben durchgeschlagen, durch Theater, Musik, Essen, Trinken, durch Creditoren; um den sei ihm nicht bange. – Tischbein characterisirte er herrlich in seinem verfehlten, aber liebenswürdigen und geistreichen Streben, hob hervor, was man ihm auch in der Kunst zu danken habe dadurch, daß er das Studium der Antike belebt, die etrurischen Vasen zu Ehren gebracht habe; mit ihm habe er in seinem vierzigsten Jahre wieder ein Studentenleben gelebt, aber in Rom, wo einen das Ungeheuere überall umgeben, sei man immer genöthigt gewesen, sich wieder zu sammeln. – Die strebenden Geister, die damals dort vereinigt waren, Angelica Kaufmann, Reiffenstein, der Löw Eltern, das Concert mit diesen auf dem Capitol bei Rezzonico mit der Aussicht auf das Campo vaccino, wo die untergehende Sonne die Steine all des ungeheuern Gemäuers roth, die Bäume nur noch grüner, die Ferne dunkelblau gemalt hätte – das deutete er alles nur so an. – Er erzählte auch von einem Briefe Göttling's aus Neapel, lobte ihn und seine Sicherheit und Keckheit, seine Beschränkung in den Zwecken und Unermüdlichkeit in den festgesetzten Gränzen. – Von den Salzbohrversuchen, dem Salinendirector Klenck, der neuen Saline bei Bufleben, [316] ging er über zu der Möglichkeit, auch in Böhmen Salz zu finden, und trug Luischen mit höchst launiger Scherzhaftigkeit auf, dem Grafen Sternberg diese Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit und warum nicht gleich Gewißheit zu verkündigen.

Aber ich könnte noch lange schreiben, ohne die Gegenstände, worüber er sprach, zu erschöpfen, und am Ende hättest Du doch nur ein todtes Gerippe; denn der Zauber seines Ausdrucks, seines lebendigen Geberdenspiels, seiner schönen, heute mitunter recht kräftigen und klingenden Stimme fehlte. Unzählige kleine Anspielungen und Scherze fielen noch neben bei. So hatte eine Frau in St. der Tante Betty aufgetragen, sie ihm zu Füßen zu legen. Dabei benahm er sich einzig, um diesen unanständigen Altar einer anständigen Frau abzuwehren, der ihm schon in der bloßen Vorstellung schrecklich war.

[317]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Gespräche. 1828. 1828, 2. August.: Mit Frommanns,Luise Löw von und zu Steinfurt. b.. TextGrid Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-A0B2-8