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»Ob ich nicht zu weit gegangen sei mit der Art, mich zurückzuziehen, mit der abweisenden Lebensart, was man in einer Art auch Bildung nennen dürfe? Ob ich nicht eben dadurch manches verletzt, oder gar zerstört habe? Das kann wohl sein! Wo es soviel Unzureichendes giebt, wie in dieser Welt, wird nichts ohne Opfer erreicht: man hat nur die Wahl zwischen großen und kleinen. Ich that nur, wie ich konnte, und da ich immer sah, daß die geringsten Erfolge und die größten Nachtheile da entstanden, wo der Mensch sich selbst überbot und verlor, so drängte ich oft gewaltsam alles darauf hin, mich selbst vor dem tausendfachen Zudrange der Welt und deren Anmuthung zu retten. Da ich nun einmal zur ganzen Nation sprach, so hoffte ich dadurch im ganzen mehr zu retten, als wenn ich dem einzelnen stets zuwillen gewesen wäre. Jede Bildung ist ein Gefängniß, an dessen Eisengitter Vorübergehende Ärgerniß nehmen, an dessen Mauern [354] sie sich stoßen können; der Sichbildende, darin Eingesperrte, stößt sich selbst, aber das Resultat ist eine wirklich gewonnene Freiheit. Bei einem gewissenhaften Schriftsteller der Nation leiden die nächsten Umgebungen am meisten, sie leiden für den etwaigen Gewinn der Nation; man opfert auch hier das Kleinere für das Größere. Ich habe oft den Privatmann beneidet, daß er seinen Umgebungen alle Opfer, alle Hingebungen widmen kann, daß er seine Bildung stündlich zeigen darf; er sieht den Lohn nahe, er wird immer schnell bezahlt, wenn auch nur durch sich selbst. Ich habe die Größe mit Mühe erlernet, die Größe: in weiten National- oder Epochenkreisen das Genüge für meine Wirksamkeit zu suchen, oft in Symptomen zu erkennen, wo der nächste Freund mir die Zurechnung versagt, sie für Eitelkeit ausgegeben hatte.
Allerdings gehören meine Briefe in diesen Gedankenkreis. Wolf hat mir's vorgeworfen, Schiller, daß ich sie karg abspeiste. Wer sich in Briefen hingeben will, – der Glückliche! – der giebt die Sammlung auf, welche dem Nationalschriftsteller nöthig ist. Das Wort an den einzelnen mag erleichtern und schön sein, aber der Nachdruck, wenn es still in uns ausgetragen ist, wie das Kind der Mutter, die Peripherie desselben, die es am öffentlichen Orte gewinnen kann, geht verloren.«
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