1828, 5. September.
Mit Ernst Schuchardt
und Christian Ernst Friedrich Weller
Mein am 2. December 1885 zu Gotha verstorbener Vater, der Justizrath Dr. Ernst Schuchardt, machte am 5. September 1828, als neunzehnjähriger Student, in Gemeinschaft des Dr. Weller... dem damals in Dornburg weilenden Goethe von Jena aus einen Besuch. Er hat mir oft davon erzählt. Nun finde ich unter seinen hinterlassenen Papieren den Schluß eines Berichts über jenen Besuch, welcher unmittelbar nachher aufgesetzt worden war. Derselbe lautet:
»Jetzt wurde das Essen aufgetragen, und indem uns der Wein vorgesetzt wurde (Goethe trank Würzburger, wir bekamen rothen), fing Goethe an von einem Buche zu sprechen, das ein Engländer 1 über die Geschichte der Weine geschrieben habe, und das ihn sehr interessire. Er klagte dann, daß man fast vergäße, ihn mit Wein zu versehen und am letzten Sonnabend bloß fünf Flaschen aus Weimar geschickt habe. Während [322] er dann selbst einen Salat zubereitete, versicherte er, einen neuen Salat erfunden zu haben aus eingemachten Gurken. Überhaupt schien er in diesen Fächern ziemlich bewandert zu sein, sprach mehreres vom Essen und aß selbst mit ziemlichem Appetite. Als Artischocken aufgetragen wurden, mochte er wohl bemerken, daß ich über die Behandlungsweise derselben verlegen war, und belehrte mich, wie sie zu essen seien. Wie er erzählte, hatten ihm seine Verwandten diese Artischocken aus Frankfurt geschickt und ihm dadurch eine sehr große Freude gemacht. Wir sprachen dann mehreres über die Türkenkriege, über Gotha u.s.w. Gegen das Ende des Mahles schien er vom Schlafe überwältigt zu werden; denn er legte die Hände zusammen, als bete er, senkte den Kopf und schwieg einige Zeit; doch fuhr er nachher im Gespräche fort. Nach Tische wurde uns Kaffee gereicht, doch trank Goethe keinen. Wir begleiteten ihn dann in den Garten und verabschiedeten uns von ihm. Dies war gegen 5 Uhr.«
1 Es ist wohl Kecht's »Verbesserter praktischer Weinbau« gemeint.